Crash auf Bahnübergang – wer haftet?

Crash auf Bahnübergang – wer haftet?

Alleinhaftung des Bahnbetreibers

Auf Deutschlands Straßen und Schienen ist man nicht immer sicher. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Auto und einem Zug aufgrund eines Versagens der Bahnübergangssicherungsanlagen, so haftet in der Regel allein der Bahnbetreiber. Dafür spricht das Urteil des OLG Celle, aus dem hervorgeht, dass der Betreiber einer Eisenbahnanlage die Pflicht hat, die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer an Bahnübergängen zu gewährleisten. Eine Mithaftung nach § 254 BGB kommt jedoch in Betracht, wenn der herannahende Zug für den Fahrer erkennbar war. So entschied das Gericht in einem Fall, bei dem es im August 2019 in Niedersachsen zu einem Zusammenstoß zwischen einem Pkw und einem Regionalzug kam.

Defekte Beleuchtungsanlagen und defekte Schranken mit schweren Folgen

Der Unfall ereignete sich, als sowohl die Schranken als auch die Beleuchtungsanlage am Bahnübergang wegen eines Defekts nicht funktionierten. Zudem war die Sicht auf die Bahnstrecke durch Bewuchs eingeschränkt, so dass die Fahrerin des Pkw den herannahenden Zug nicht wahrnehmen konnte. Der Lokführer konnte noch rechtzeitig bremsen, als er bemerkte, dass die Schranken hochgefahren waren. Das Bahnunternehmen lehnte jede Verantwortung für den Unfall ab, zahlte der Autofahrerin aber ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro, was diese für unzureichend hielt und deshalb Klage erhob.

Das Landgericht Bückeburg stellte fest, dass der Bahnbetreiber allein für den Unfall verantwortlich sei und sprach der Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 56.000 € zu. Soweit scheint der Fall nicht außergewöhnlich spannend. Interessant und damit natürlich auch klausurrelevant ist hier jedoch die Anspruchsgrundlage aus §§ 1 Abs. 1, 6 S. 2 Haftpflichtgesetz (HaftPflG).

§§ 1 Abs. 1, 6 S. 2 HaftPflG als lex specialis

Sollte es zu einem Verkehrsunfall im öffentlichen Straßenverkehr kommen, an dem eine Eisen-, Straßen-, Stadt-, Untergrund- oder Schwebebahn beteiligt ist, gelten die Grundsätze des § 7 Abs. 1 StVG nicht. Dies liegt daran, dass eine Bahn, obwohl sie mit Maschinenkraft betrieben wird, nicht als “Kraftfahrzeug” im Sinne des StVG gilt, wenn sie an Bahngleise gebunden ist (§ 1 Abs. 2 StVG). Stattdessen findet das Haftpflichtgesetz Anwendung.

Gemäß § 1 HpflG haftet der Betriebsunternehmer einer Schienen- oder Schwebebahn gemäß der Gefährdungshaftung, wenn ein Schienen- oder Schwebebahnunfall mit Rechtsgutverletzung, haftungsbegründender Kausalität, Schaden, haftungsausfüllender Kausalität und Rechtswidrigkeit einhergeht. Ein Verschulden ist nicht erforderlich.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Haftung des Betriebsunternehmers der Bahn gemäß § 1 Abs. 2 HpflG ausgeschlossen ist, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde. Dies entspricht der Regelung des § 7 Abs. 2 StVG. Die §§ 5, 6 und 8 HpflG stellen das Pendant zu den Bestimmungen der §§ 10, 11 und 13 StVG dar.

Der § 1 Abs. 1, 6 S. 2 HPflG ist eine wichtige Anspruchsgrundlage im Bereich der gesetzlichen Haftung und ist lex specialis gegenüber dem allgemeinen Vorschriften. Sobald Dir in einer Klausur eine Eisenbahn über den Weg “fährt”, musst Du an diese Spezialvorschrift denken.

Kein Mitverschulden der Autofahrerin

Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, doch das Oberlandesgericht Celle bestätigte das Urteil und bejahte die volle Haftung des Bahnbetreibers. Das Gericht führte aus, dass ein Autofahrer darauf vertrauen dürfe, dass sich kein Zug nähert, wenn die technischen Sicherungsanlagen an Bahnübergängen straßenseitig abgeschaltet sind und dass bei einem Zusammenstoß infolge offener Schranken der Bahnbetreiber grundsätzlich allein haftet. Eine Mithaftung der Autofahrerin wäre nur möglich, wenn der herannahende Zug für die Fahrerin erkennbar gewesen wäre, was hier nicht der Fall war.

Das Oberlandesgericht stellte außerdem fest, dass den Bahnbetreiber ein hohes Verschulden treffe. Dem Betreiber sei die Anfälligkeit des Bahnübergangs bekannt gewesen, da die Sicherungssysteme in weniger als einem Monat 15 Mal ausgefallen seien. Daher hätte der Betreiber Sicherheitsmaßnahmen ergreifen müssen, bis die Ursache für die Störungsreihe ermittelt und behoben gewesen wäre. Zum Beispiel hätte der Bahnübergang geschlossen, Streckenposten eingesetzt oder die Geschwindigkeit der Züge erheblich reduziert werden können. Als Schmerzensgeld hielt das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung des Polytraumas, des Schädel-Hirn-Traumas, den multiplen Prellungsblutungen sowie weiteren Verletzungen einen Betrag von insgesamt 60.000 Euro für angemessen.

(OLG Celle - Urteil vom 31.01.2023, Az. 14 U 133/22)

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