Freiheit der Lehre: VG Berlin erklärt das Gendern in der 10. Klasse als zulässig

Freiheit der Lehre: VG Berlin erklärt das Gendern in der 10. Klasse als zulässig

Gendern in der Schule

In den letzten Jahren ist die Diskussion über das Gendern in der Sprache zu einem umstrittenen Thema geworden. Viele Menschen sind der Meinung, dass der bisherige Weg der richtige sei, während andere argumentieren, dass eine geschlechtsspezifische Sprache für eine korrekte Kommunikation notwendig sei. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin hat Lehrkräften einer 10. Klasse die Verwendung von geschlechtsspezifischen Bezeichnungen erlaubt, was eine wichtige Entwicklung in dieser laufenden Debatte darstellt.

Worum geht es?

In dem betreffenden Fall ging es um eine Lehrerin, die die genderspezifische Sprache in ihrem Unterricht praktizierte. Ein Vater von zwei Schülerinnen stellte einen Eilantrag und wandte sich gegen diese Verwendung der Sprache im Unterricht. Die Lehrkraft hatte argumentiert, dass diese Sprache für eine wirksame Kommunikation notwendig sei, da sie ein besseres Verständnis des Unterrichtsstoffs ermögliche. Das Gericht stimmte dem zu und erklärte, dass es Lehrkräften erlaubt sein sollte, geschlechtsspezifische Sprache zu verwenden, wenn dies zum Verständnis des Stoffes beitragen würde.

Grundsätzlich ist es so, dass das Gendern in der jetzigen Regelung zur deutschen Rechtschreibung noch nicht verankert ist. Es handelt sich um eine Abweichung von den Regeln der deutschen Rechtschreibung. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich an die vorgeschriebene Rechtschreibung halten und eine Abweichung davon ist von den Lehrkräften als Fehler zu beurteilen. Nach einer Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung gehört die Vermittlung gefestigter Kenntnisse der Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den grundlegenden Aufgaben der Schule. Konsequenterweise müsste man dann auch davon ausgehen, dass Lehrkräfte in ihren Arbeitsblättern nicht gendern sollten. Aus dem Urteil geht jedoch hervor, dass der Staat die Rechtschreibung dann anordnen kann, wenn die Schüler und Schülerinnen noch nicht über die nötige Sprachkompetenz verfügen. Es handelte sich in dem Urteil um eine 10. Klasse, bei der der Spracherwerb schon gefestigt ist und die durch das Verwenden der geschlechtsspezifischen Sprache auch nicht zusätzlich belastet wird. Dies bedeutet, dass die Lehrkräfte in der Lage sein sollten, die Sprache so zu verwenden, wie es für ihre Schülerinnen und Schüler am effektivsten ist, auch wenn dies den geltenden Rechtschreib- und Grammatikregeln widerspricht. Die zuvor genannte Befugnis des Staates findet sich in Art. 7 Abs. 1 GG. Dort heißt es: “Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.”

Die Folgen des Urteils

Das Urteil ist insofern von Bedeutung, als es anerkennt, dass geschlechtsspezifische Sprache zwar eine Abweichung des deutschen Regelwerkes ist, aber auch ein nützliches Instrument für Unterricht und Kommunikation sein kann. Es ist wichtig festzuhalten, dass das Gerichtsurteil nicht bedeutet, dass geschlechtsspezifische Sprache wahllos verwendet werden sollte. Vielmehr legt es nahe, dass geschlechtsspezifische Sprache im Schulunterricht dann verwendet werden kann, wenn sie für eine wirksame Kommunikation erforderlich ist. In manchen Fällen kann eine geschlechtsneutrale Sprache angemessener sein, insbesondere wenn es um Personen geht, die sich nicht als männlich oder weiblich identifizieren.

Antragsteller stellt Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

Der Vater stellte im vorliegenden Fall einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO. Grundsätzlich kann der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO oder nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt werden. Eine Beantragung ist möglich, wenn der Antragsteller glaubt, in seinen Rechten verletzt zu sein oder die Gefahr einer Verletzung unmittelbar droht. Das Gericht kann einstweiligen Rechtsschutz gewähren, wenn die Angelegenheit besonders eilbedürftig ist und dem Betroffenen ohne diesen Rechtsschutz ein erheblicher Schaden entstehen würde, der in einem späteren Verfahrensstadium nicht mehr behoben werden kann.

Das Gericht wiegt dann die Interessen des Antragstellers mit denen des Antragsgegners und dem öffentlichen Interesse ab. Das Gericht hat auch die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers in der Sache zu berücksichtigen.

Als mögliche Rechtsverletzung führt der Vater der beiden Töchter die Verletzung seines Elternrechts an. Um die genderspezifische Sprache im Unterricht zu verwenden, müsse seiner Ansicht nach zunächst ein formelles Gesetz diesbezüglich erlassen werden. Da dies noch nicht der Fall ist, verstoße das Vorgehen gegen die geltenden Schulgesetze.

Die Eilbedürftigkeit begründet der Vater mit dem fortlaufenden Einwirken der Lehrkräfte auf seine Kinder, die sich dem Anpassungsdruck unterwerfen müssen.

Im Wege der einstweiligen Anordnung soll die Schule verpflichtet werden, die Nutzung der genderspezifischen Sprache zu untersagen. Hilfsweise macht er geltend, dass ebenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt werden solle, dass die Nutzung der genderspezifischen Sprache gegenüber den Schülern und Eltern rechtswidrig sei.

Das Verwaltungsgericht sieht den Antrag zwar als zulässig an. Insbesondere bejaht es auch die Antragsbefugnis des Vaters nach § 42 Abs. 2 VwGO analog. Begründet wird dies mit Art. 19 Abs. 4 GG.

Jedoch hält das Gericht den Antrag im Ergebnis für unbegründet. Nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO muss der Antragsteller den Anordnungsanspruch sowie den Anordnungsgrund glaubhaft machen. Es kommt insbesondere darauf an, ob ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlich ist. Dies hat das Gericht im Ergebnis abgelehnt. Das Erziehungsrecht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sei nicht verletzt. Dieses Recht ist auch im Lichte des staatlichen Erziehungsauftrages zu betrachten. Die zuständige Kammer sah in dem Verhalten der Lehrerin keine Verletzung des elterlichen Erziehungsrechtes durch die Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes.

Auch bezüglich der Befürchtung, seine Kinder könnten in der Schule erneut gefragt werden, mit welchem Pronomen sie angesprochen werden möchten, fehlt es an dem notwendigen besonderen Rechtsschutzbedürfnis. Es liege keine besonders schwerwiegende, nicht wiedergutzumachende Rechtsverletzung vor.

Gendern als kontroverses Thema

Die Verwendung geschlechtsspezifischer Begriffe in der Sprache ist ein komplexes Thema, das sorgfältige Überlegungen erfordert. Eine geschlechtsneutrale Sprache hat zwar ihre Vorteile, ist aber nicht immer die effektivste Art zu kommunizieren. Die Entscheidung des Berliner Gerichts ist ein Schritt in Richtung Anerkennung der Bedeutung von Sprachkenntnissen und der Notwendigkeit einer effektiven Kommunikation in der Bildung. Unsere Sprache entwickelte sich seit jeher immer weiter und passte sich den Gegebenheiten an.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entscheidung des Gerichts, Lehrkräften die Verwendung von geschlechtsspezifischen Bezeichnungen in einer 10. Klasse zu erlauben, zeigt, dass geschlechtsspezifische Sprache ein nützliches Instrument für die Kommunikation und den Unterricht sein kann, solange sie angemessen verwendet wird. Sie unterstreicht auch die Bedeutung von Sprachkenntnissen in der Bildung und die Notwendigkeit einer effektiven Kommunikation im Klassenzimmer. Bei der weiteren Beschäftigung mit diesem komplexen Thema ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass Sprache ein mächtiges Instrument ist, das je nach seiner Verwendung zum Guten oder zum Schlechten eingesetzt werden kann.

Insgesamt ist die Debatte um geschlechtsneutrale Sprache komplex, mit stichhaltigen Argumenten auf beiden Seiten. Auch wenn das Urteil des Berliner Gerichts umstritten sein mag, zeigt es doch, wie wichtig es ist, den Kontext zu berücksichtigen, wenn es um die Verwendung von Sprache geht. Da sich die Sprache weiter entwickelt, ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Inklusivität und Praktikabilität zu finden.

Der Vater akzeptiert die Entscheidung des VG Berlin nicht. Zusammen mit dem Verein Deutsche Sprache e. V., der sein Vorhaben unterstützt, möchte er nun das OVG in dieser Sache anrufen.

(VG Berlin (3. Kammer), Beschluss vom 24.03.2023 – VG 3 L 24/23)