Schenkungswiderruf muss begründet sein, aber nicht begründet werden

Schenkungswiderruf muss begründet sein, aber nicht begründet werden

Grober Undank bei Schenkungen

Bedarf die Widerrufserklärung wegen groben Undanks einer Begründung? Darüber entschied nun der X. Zivilsenat des BGH. In dem Fall ging es um eine ältere Dame, die versuchte, Grundstücksschenkungen an ihren Sohn rückgängig zu machen. Das OLG Frankfurt wies die Klage noch ab, der BGH verwies die Sache jedoch zur Neuverhandlung an das OLG zurück.

Worum geht es?

Die Klägerin war Eigentümerin einiger Grundstücke. Sie übertrug insgesamt 14 Grundstücke im Wege der vorweggenommenen Erbfolge jeweils zu einem Drittel an ihre beiden Töchter und an ihren Sohn. Die Parteien vereinbarten, dass der Mutter ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchrecht eingeräumt wird. Einige Jahre später übertrug sie ihrem Sohn ein Grundstück zu Alleineigentum.

Die Erblasserin war im April 2008 für eine Woche in stationärer Behandlung in einem Krankenhaus. Danach bewilligte sie die Löschung der im Grundbuch eingetragenen Nießbrauchrechte. Die Urkunden darüber wurden dem Sohn und den beiden Töchtern „zur weiteren Verfügung und Verwahrung bei ihren Unterlagen“ zugesandt, sie sollten in einem Safe aufbewahrt werden.

Später nahm der Sohn die Urkunden an sich und verhandelte mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern über das weitere Vorgehen bezüglich der Löschungsbewilligung. Die Parteien kamen jedoch zu keinem Ergebnis. Anschließend verlangte die Erblasserin die Herausgabe der Löschungsbewilligungen, was der Sohn aber verweigerte. Doch nicht nur das, er reichte die Löschungsbewilligung sodann auch noch bei den zuständigen Grundbuchämtern ein, sodass die Löschung der Rechte der Mutter bevorstand. Als diese davon erfuhr, erwirkte sie eine einstweilige Verfügung, die die Löschung der Rechte vorerst verhinderte. Der nun Beklagte wehrte sich und behauptete unter Anderem, dass seine Mutter dement und nicht geschäfts- oder prozessfähig sei.

Diese erklärt nun den Widerruf der Schenkung und verlangt die Rückübertragung des Eigentums an den zuvor verschenkten Grundstücken.

Im Laufe des Verfahrens starb die Erblasserin, der Rechtsstreit wurde aber von den beiden Töchtern weitergeführt.

Ansicht des Berufungsgerichtes

Das Berufungsgericht kam zunächst zu dem Ergebnis, dass die Schenkung nicht wirksam widerrufen wurde.

Nach § 530 Abs. 1 BGB ist es grundsätzlich möglich, eine Schenkung wegen groben Undanks zu widerrufen. Dabei ist der Begriff „grober Undank“ unter Laien nicht wirklich leicht zu verstehen. Damit ist gemeint, dass objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere vorliegt. Subjektiv muss die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten sein, die in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten kann.

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, darüber muss im Einzelfall entschieden werden. Jedoch sahen die Richter des OLG bereits ein Problem bei der Widerrufserklärung. Diese sei nämlich unwirksam, da die Erblasserin keinen Grund für den Widerruf angegeben habe.

Ansicht des BGH

Das sahen die Karlsruher Richter anders. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Widerrufserklärung keiner Begründung bedarf. Den Grund für die Rückforderung der Schenkung erfährt der Beschenkte dann spätestens im Rückforderungsprozess.

Auslegung nach dem Wortlaut des § 531 Abs. 1 BGB

Doch wie begründet der BGH seine Einschätzung? Er argumentiert zunächst mit dem Wortlaut des § 531 Abs. 1 BGB. Die Auslegung dem Wortlaut nach ist häufig auch der erste und wichtigste Anknüpfungspunkt in Klausuren, wenn es um die Auslegung von Gesetzen geht.

Hier schaut man sich zunächst einmal genau an, was in der Norm steht. Ist der zu prüfende Fall vom Wortlaut erfasst? Ist der Wortlaut eindeutig und ergiebig? Bedarf es weiterer Auslegungsmethoden?

In unserem Fall sieht der Wortlaut des § 531 Abs. 1 BGB eine Mitteilung des Widerrufsgrundes nicht vor. Die Norm gibt lediglich vor, dass er Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Beschenkten erfolgt.

Sinn und Zweck der Norm?

Auch die Ermittlung des Sinn und Zwecks der Norm kann Aufschluss darüber geben, wie die Norm zu verstehen ist. Auch hier sieht der BGH keinen Grund, eine Begründung des Widerrufs als zwingend zu beurteilen. Zwar habe der Beschenkte ein schutzwürdiges Interesse daran, die Wirksamkeit zuverlässig prüfen zu lassen. Dieses schutzwürdige Interesse wird allerdings dadurch gewahrt, dass die Wirksamkeit des Widerrufs an strenge Voraussetzungen geknüpft ist und dass der Widerrufende diese Voraussetzungen auch vor Gericht beweisen muss.

Systematische Stellung der Norm im Gesetz

Außerdem wird auch ein systematischer Vergleich angeführt. § 531 Abs. 1 BGB wird mit den Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Dienstvertrags aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB verglichen. Hier muss der Kündigende dem anderen Teil erst auf dessen Verlangen hin den Grund für die Kündigung mitteilen.

Hier zeigt sich schön, dass die gelehrten Auslegungsmethoden nicht nur in Klausuren, sondern auch in der Praxis von Bedeutung sind und Anwendung finden. Eine gute Gelegenheit, anhand dieses Falles die juristische Methodenlehre noch einmal zu wiederholen.

(BGH Urteil vom 11.10.2022, X ZR 42/20)