A. Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung sind Schadensersatzansprüche wegen eines Wasserschadens an einer Sporthalle. Klägerin ist die Versicherung der Halleneigentümerin.
Die Halle wurde 1995 errichtet. Die Beklagte führte dabei Installationsarbeiten im Sanitärbereich aus, die am 13. April 1995 abgenommen wurden.
Die Klägerin behauptet, im März 2009 seien in der Sporthalle Anzeichen eines Wasserschadens im Bereich der Nassräume im Untergeschoss bemerkt und im Juli 2009 an sieben Wasserabnahmestellen Leckagen festgestellt worden. Ursächlich für die Leckagen seien die unsachgemäße mechanische Kürzung der Hahnverlängerungen durch Absägen und die unzulässige Eindichtung der Verbindungen durch die Beklagte gewesen. Dichtigkeit und Stabilität der Verbindungen seien nicht gewährleistet gewesen, da die Ausführung der Arbeiten nicht den geltenden Regeln der Technik entsprochen habe. Es sei - möglicherweise von Beginn an - Leitungswasser ausgetreten, das sich hinter der Wandabdichtung sowie im Fußbodenaufbau verteilt und zu Durchfeuchtungen geführt habe. Vorsorglich seien im Juli 2009 sämtliche Hahnverlängerungen ausgetauscht worden.
Der geltend gemachte Anspruch sei auf Ersatz der aus dem Mangel resultierenden weitergehenden Schäden infolge der Durchnässung bereits zuvor vorhandener Gebäudeteile (Wände, Bodenplatte und Fußböden) gerichtet. Da das Gebäude bereits errichtet gewesen sei, als die Installationen von der Beklagten eingebracht worden seien, ständen die beschädigten Teile damit in keinem unmittelbaren Funktionszusammenhang. Die Sporthalle sei trotz des Mangels am Gewerk der Beklagten in ihrer Gesamtheit zum vorgesehenen Zweck verwendbar gewesen.
Die Schadensermittlung und Sanierung des Wasserschadens hätten Kosten in Höhe von insgesamt 243.944,72 Euro verursacht, die sie ihrer Versicherungsnehmerin erstattet habe. Durch die Arbeiten könne eine Wertverbesserung in Höhe von 41.382,61 Euro eingetreten sein. Vorsorglich werde nur der Differenzbetrag geltend gemacht.
Mit ihrer am 31. Dezember 2012 bei Gericht eingegangenen und am 11. Januar 2013 zugestellten Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 202.562,11 Euro nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
B. Überblick
Die Entscheidung des BGH behandelt einen zivilrechtlichen Klassiker.
I. Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB
Die Beklagte soll ihre Werkleistungen mangelhaft erbracht haben. In einer Klausur würde man die Prüfung folgerichtig mit dem Schadensersatzanspruch aus § 634 Nr. 4, 280, 281 BGB beginnen.
Die Klägerin wäre Anspruchsinhaberin. Sie hat der Halleneigentümerin als ihrer Versicherungsnehmerin die Kosten für die Hallensanierung erstattet. Damit sind deren Ansprüche gegen die Beklagte nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf sie übergegangen.
Da die Beklagte die Installationsarbeiten bereits im Jahr 1995 erbracht hat, könnte sie die Erfüllung eines solchen Anspruchs möglicherweise wegen Verjährung verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Hierfür käme es darauf an, welche der Verjährungsfristen des § 634a Abs. 1 BGB greift.
Wäre das die fünfjährige Frist nach Nr. 2, hätte diese mit der Abnahme am 13. April 1995 begonnen (Abs. 2) und wäre folglich bereits im April 2000 abgelaufen.
Dagegen würde sich der Verjährungsbeginn für die regelmäßige dreijährige Verjährung des § 195 BGB (Nr. 3) nach § 199 Abs. 1 BGB richten. Danach beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Nach dem Sachverhalt lag eine solche Kenntnis frühestens im Jahr 2009 vor. Die Verjährungsfrist hätte also am 31. Dezember 2009 begonnen und wäre am 31. Dezember 2012 abgelaufen. Die Klägerin hätte den Ablauf aber durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB iVm § 167 ZPO gehemmt. Zwar wird die Klage durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erhoben (§ 253 Abs. 1 ZPO), die hier erst am 11. Januar 2013 erfolgte. Gemäß § 167 ZPO tritt die Hemmungswirkung aber schon mit dem Eingang der Klage am 31. Dezember 2012 ein, wenn die Zustellung demnächst, also ohne Verzögerung, erfolgt ist. Das ist bei einer Zustellung elf Tage nach Verjährungseintritt der Fall.
Es kommt somit darauf an, ob die Installationsarbeiten der Beklagten an einem Bauwerk iSv § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB erfolgten. Es bedarf keiner Diskussion, dass es sich bei einer Sporthalle um ein Bauwerk handelt. Die Errichtung der Halle wird deshalb ohne Weiteres von der Norm erfasst. Hierzu zählen alle Einzelleistungen, die der vollständigen Errichtung dienen, auch wenn sie von unterschiedlichen Unternehmern erbracht werden. Die von der Beklagten ausgeführten Installationsarbeiten im Sanitärbereich war eine solche Einzelleistung zur Errichtung der Halle. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin unterfällt deshalb der Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB.
Aufbau der Prüfung: Schadensersatz, §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit
II. Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 831 BGB
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Frage, ob die Klägerin deliktische Ansprüche gegen die Beklagte hat. Für diese würde die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB gelten, die nach dem unter I. Gesagten noch nicht abgelaufen wäre.
Die Klägerin stützt die Klage auf Schäden, die infolge der Durchnässung an Wänden, Bodenplatte und Fußböden der Halle eingetreten sind. Hier sind wir jetzt auch beim Klassiker angelangt: Kann sie den Ersatz dieser Schäden außerhalb des Mangelgewährleistungsrechts verlangen?
Der u.a. für das Deliktsrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH fasst zu Beginn seiner Entscheidung die geltenden Grundsätze prägnant zusammen:
„Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Deliktsordnung nicht von der Vertragsordnung verdrängt wird und dass grundsätzlich jede Haftung ihren eigenen Regeln folgt. Dies gilt auch für die Errichtung eines Gebäudes.
Deliktische Verkehrspflichten haben nicht - wie etwa die Gewährleistungspflichten - zum Inhalt, auf den Erwerb einer mangelfreien Sache gerichtete Vertragserwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen, zu schützen (Nutzungs- und Äquivalenzinteresse). Sie sind vielmehr auf das Interesse gerichtet, das der Rechtsverkehr daran hat, durch die in Verkehr gegebene Sache nicht in Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (Integritätsinteresse). Deckt sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftete, dann ist er allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, und es ist insoweit für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum. Wo dagegen der Schaden nicht mit der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse “stoffgleich” ist, kann sich im Schaden (auch) das verletzte Integritätsinteresse des Eigentümers oder Besitzers niederschlagen; dieser kann dann grundsätzlich auch von der deliktischen Haftung aufgefangen werden, selbst wenn mit dieser vertragliches Gewährleistungs- oder Ersatzrecht konkurriert.“
Es kommt also entscheidend darauf an, ob die geltend gemachten Schäden mit dem Mangelunwert der Sache stoffgleich sind. Dann wäre nur das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse betroffen, das allein von den Gewährleistungsrechten geschützt wird. Fehlt es an einer Stoffgleichheit, wäre das Integritätsinteresse der Halleneigentümerin verletzt. Die deliktischen Ansprüche stünden dann selbständig neben dem Gewährleistungsrecht.
Klar ist, dass die Kosten für den Austausch der Hahnverlängerungen nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst sein können. Die Installation war von Beginn an mangelhaft, so dass die Halleneigentümerin kein unversehrtes Eigentum erwerben konnte, dessen Integrität mit dem Deliktsrecht geschützt werden müsste.
Wie sieht das aber mit den Kosten für die Instandsetzung von Wänden, Bodenplatte und Fußböden der Halle aus?
Das Berufungsgericht hat auch insoweit deliktische Ansprüche verneint. Die Klägerin habe eine Eigentumsverletzung der Halleneigentümerin nicht schlüssig dargetan. Der behauptete Mangel der Installationsarbeiten habe dem Bauwerk von Anfang an angehaftet, so dass die Halleneigentümerin an den erst später eingebrachten Fußböden, Wandbekleidungen, Vormauerungen, Fliesen und Abdichtungen kein unversehrtes Eigentum habe erwerben können. Es sei von ausschlaggebender Bedeutung, dass es sich bei der Gesamtbaumaßnahme um - im Einzelnen nicht zu trennende und daher nicht isoliert zu betrachtende - Arbeiten verschiedener Gewerke zur Herstellung eines Funktionszusammenhangs handle. Ein Schaden decke sich auch dann mit dem Mangelunwert der vertraglichen Leistung, wenn diese - wie hier - den Schutz des beschädigten Bauteils (mit-) bezwecke. Die behaupteten Undichtigkeiten hätten aber zwangsläufig zur Beschädigung der darunter- oder dahinterliegenden Bauteile geführt.
C. Entscheidung
Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Berufungsgericht habe die deliktischen Ansprüche rechtsfehlerhaft verneint. Die Schäden an Wänden, Bodenplatte und Fußböden der Halle seien nicht stoffgleich mit dem Mangelunwert der Installationsarbeiten.
“Stoffgleichheit” liege vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt wird, ergreife, etwa weil die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar gewesen sei.
Dagegen decke sich der Mangelunwert dann nicht mit dem Schaden, wenn sich der Mangel zunächst nur auf einen Teil der Sache beschränkt behoben werden kann. Führt er erst später zu einer Zerstörung der Sache oder zur Beschädigung anderer Teile derselben, habe der von dem Fehler zunächst nicht erfasste Teil der Sache einen eigenen Wert.
Auf die subjektive Erkennbarkeit des Mangels vor Eintritt des Schadens komme es grundsätzlich nicht an. Wesentlich sei allerdings, dass der Mangel - von objektiv technischer Warte aus gesehen - hätte aufgespürt werden können, und sei es auch erst bei gezielter Suche, sofern diese nicht mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Zeit und Kosten verbunden gewesen wäre. Anfänglicher Mangelunwert und Schaden decken sich, wenn die Fehlersuche und die Fehlerbeseitigung Kosten verursachen, die etwa dem Wert der Gesamtsache entsprechen oder ihn sogar übersteigen.
Vorliegend habe die Klägerin dargetan, dass die Hahnverlängerungen weitgehend ohne Zerstörung anderer Bauteile hätten ausgewechselt werden können. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Sporthalle nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße verwendbar war.
Anschließend setzt sich der VI. Zivilsenat mit einem Urteil des VII. Zivilsenats vom 27. Januar 2005 auseinander (VII ZR 158/03). Danach soll Stoffgleichheit auch dann vorliegen, wenn die vertragliche Leistung den Schutz des beschädigten Bauteils bezweckt. Der VI. Zivilsenat lässt offen, ob sich das grundsätzlich mit seiner Auffassung verträgt. Es könne jedenfalls nicht bedeuten, dass eine vertragliche Leistung immer schon dann auch den Schutz eines anderen Bauteils bezwecke, wenn es bei nicht vertragsgemäßer Leistung beschädigt würde oder werden könnte. Dies sei grundsätzlich bei jeder Leistung der Fall, da alle Gebäude auf das fehlerfreie Funktionieren und Zusammenwirken ihrer Einzelteile angelegt seien. Die fachgerechte Ausführung und Abdichtung der Hahnverlängerungen diene nicht nur der Funktion der Wasserabgabe, sondern solle darüber hinaus auch verhindern, dass Wasser unkontrolliert in die Sporthalle eindringt. Würde das bereits für eine Stoffgleichheit genügen, hätte die deliktische Haftung im Zusammenhang mit einer mangelhaften Erfüllung von Vertragspflichten keinen praktischen Anwendungsbereich mehr.
Da der BGH anders als das Berufungsgericht deliktische Ansprüche für möglich hält, hat er die Sache zurückverwiesen. Das Berufungsgericht wird nun in einer Beweisaufnahme feststellen müssen, ob die bestrittenen Behauptungen der Klägerin zu den Anspruchsvoraussetzungen zutreffen.
D. Prüfungsrelevanz
Wie bereits erwähnt, gehört die vorliegende Konstellation zu den Standardproblemen in zivilrechtlichen Prüfungsarbeiten. Die Entscheidung des BGH wird deshalb auch in den Prüfungsämtern gehörigen Anklang finden.
I. Kernaussagen
Deshalb kommen hier noch einmal die wesentlichen Grundsätze:
Das Gewährleistungsrecht deckt das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Gläubigers vollständig ab. Deliktische Ansprüche im Zusammenhang mit Sach- oder Werkmängeln kommen nur dann in Betracht, wenn zusätzlich das Integritätsinteresse des Eigentümers oder Besitzers der Sache verletzt ist. War die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar, deckt sich der sog. Mangelunwert mit dem Schaden. Der BGH spricht hier von Stoffgleichheit.
Stoffgleichheit ist auch gegeben, wenn die Suche nach dem Mangel und dessen Beseitigung Kosten verursachen, die etwa dem Wert der Gesamtsache entsprechen oder ihn sogar übersteigen.
Ob Stoffgleichheit auch dann vorliegt, wenn die vertragliche Leistung den Schutz des beschädigten Bauteils bezweckt, wird beim BGH offensichtlich nicht einheitlich beantwortet.
Der VII. Zivilsenat hat in dem zitierten Urteil vom 27. Januar 2005 ausgeführt, dass lediglich der Mangelunwert betroffen sei, wenn beispielsweise die nachträgliche Abdichtung eines Bauwerks mangelhaft war und es deshalb zu einem Schaden an den durch die Abdichtung zu schützenden Bauteilen kommt.
Der VI. Zivilsenat hat sich im Ergebnis nicht damit auseinandergesetzt, ob diese Auffassung mit seiner eigenen in Übereinstimmung zu bringen ist, weil sie jedenfalls nicht bedeuten könne, dass eine vertragliche Leistung immer schon dann auch den Schutz eines anderen Bauteils bezwecke, wenn es bei nicht vertragsgemäßer Leistung beschädigt würde oder werden könnte.
II. Vorteile der deliktischen Ansprüche gegenüber dem Gewährleistungsrecht
Die Frage nach der Stoffgleichheit hat für den geschädigten Besteller einer Werkleistung nicht nur im Hinblick auf die ggf. längeren Verjährungsfristen Bedeutung, sondern kann auch im Rahmen der Schadensberechnung eine Rolle spielen.
Der VII. Zivilsenat hat mit Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17) entschieden, dass fiktive Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht grundsätzlich nicht mehr ersatzfähig seien. Hieran hat er mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20) festgehalten. Dagegen vertritt der VI. Zivilsenat für das Deliktsrecht die gegenteilige Auffassung.
Das hat zur Konsequenz, dass die Kosten für die Beseitigung der Werkmängel nur ersetzt verlangt werden können, wenn sie tatsächlich angefallen sind, während die Kosten für die Beseitigung nicht stoffgleicher Schäden auch ansonsten ersetzt werden müssen.
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