AG Berlin-Tiergarten: Polizist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

AG Berlin-Tiergarten: Polizist wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Der Polizist fuhr mit 130 km/h durch die Innenstadt - trotz Einsatzfahrt “absolut fahrlässig”

Ein Polizeiwagen rast mit 130 km/h durch die Berliner Innenstadt zu einer Einsatzstelle. Der Wagen schießt durch einen Tunnel und kracht kurz darauf in den Renault einer jungen Frau – sie verstarb noch am Unfallort. Nun liegt das das erste Urteil vor.

Worum geht es?

Knapp drei Jahre nach dem tödlichen Unfall zwischen einem Polizeiwagen und einem Renault Clio hat das AG Berlin-Tiergarten ein Urteil getroffen. Hauptkommissar Peter G. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Fall sorgte für hohes Aufsehen und das Urteil dürfte erst der Beginn der juristischen Aufarbeitung um den Tod der 21-jährigen Fahrerin sein.

Was war passiert?

Am 28. Januar 2018 gegen 13 Uhr ging bei den zuständigen Polizeibeamten die Meldung ein, dass in Berlin-Mitte ein Drogeriemarkt ausgeraubt werde. Peter G. stieg mit einem Kollegen in eines der Dienstfahrzeuge und fuhr mit Blaulicht und Martinshorn zu der gemeldeten Einsatzstelle. Dabei erreichte der von Peter G. gesteuerte Wagen eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Dieses Tempo fuhr er auch, als er am Alexanderplatz in einen Tunnel raste, obwohl die Sichtverhältnisse aufgrund einer folgenden Steigung als schlecht galten.

Hinter dem Tunnel befand sich Fabien M. in ihrem Renault Clio. Nach Ermittlungserkenntnissen sei sie gerade dabei gewesen sein, sich einen Parkplatz zu suchen. Sie fuhr auf den Mittelstreifen. In diesem Moment raste Peter G., der seit mehr als 30 Jahren als Polizist arbeitete, aus dem Tunnel. Der Beamte konnte die Tragödie trotz Vollbremsung nicht mehr verhindern. Der Dienstwagen krachte mit einer Geschwindigkeit von rund 90 km/h in den Renault, bohrte sich bis zu 60 Zentimeter tief in den Kleinwagen. Fabien M. verstarb noch am Unfallort.

„Der Einsatz rechtfertigt nicht alles.“

Nach dem Unfall hat sich Peter G. in den Innendienst versetzen lassen, nun musste er sich vor dem AG Berlin-Tiergarten verantworten. Der Vorsitzende Richter fand dem Beamten gegenüber deutliche Worte und konfrontierte ihn damit, „absolut fahrlässig“ gehandelt zu haben. Die hohe Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h tagsüber im Innenstadtbereich sei auch für eine Einsatzfahrt nicht angebracht gewesen. So ein Tempo hätte der 53-Jährige niemals fahren dürfen.

Ein Einsatzbefehl rechtfertigt nicht alles. Sie konnten sich nicht darauf verlassen: Ich habe Sonderrechte.

Das Handeln des Beamten sei kausal für den tödlichen Unfall gewesen. Dem Hauptkommissar sei die Örtlichkeit bekannt gewesen, an der es viele Fußgänger, Straßenverkehr und eben auch Parkplätze gebe. Daher hätte er am Ausgang des Tunnels in der Grunerstraße – trotz Einsatzes – vom Gas gehen müssen. Er habe daher sowohl objektiv als auch subjektiv fahrlässig gehandelt, weil er die Verkehrs- und die Sichtverhältnisse nicht ausreichend beachtete habe.

Den Ausführungen der Verteidigung folgte das Gericht nicht. Die brachte nämlich vor, dass nicht der Polizist, sondern Fabien M. fahrlässig gehandelt habe, in dem sie hinter der Tunnelausfahrt über die Straße in einen Parkplatz einscheren wollte. Außerdem könnte sie auch von ihrem Handy abgelenkt worden sein – doch dafür gibt es keine Anhaltspunkte. 

Das Gericht folgte daher dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte Peter G. wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung.

Fahrlässiges Begehungsdelikt
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War Peter G. alkoholisiert?

Im Prozess wurde außerdem das gesamte Ermittlungsverfahren kritisiert. Peter G. soll sich nach dem Unfall noch längere Zeit am Unfallort aufgehalten haben. Dies bemängelte der Richter scharf – Peter G. hätte wie jeder andere Beschuldigter einer Straftat behandelt und vom Unfallort entfernt werden müssen. 

Zudem kam die Frage auf, ob der Hauptkommissar unter Alkoholeinfluss stand. Nach dem Unfall war ihm im Virchow-Campus der Charité eine Blutprobe entnommen worden, die 1,1 Promille aufwies. Doch die Probe liegt nicht mehr vor und die ermittelnden Beamten verletzten zudem eine Vorschrift für die Blutentnahme bei alkoholisierten Autofahrern, die hier eine zweite Probe vorsieht: Eine zweite Probe wurde aber nicht genommen. Im Ermittlungsverfahren ließ die Staatsanwaltschaft daher die Krankenakte beschlagnahmen – allerdings rechtswidrig, wie das Gericht feststellte. Selbst die erste und einzige entnommene Blutprobe durfte daher im Prozess nicht verwendet werden.

Trunkenheitsfahrt, § 316 StGB
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Instanzenzug droht

Damit wurde ein erstes Urteil in dem Fall getroffen. Doch selbst der Vorsitzende Richter rechnet mit noch weiteren Jahren, in denen der Tod von Fabien M. die Justiz beschäftigen wird.

Es wird noch mehrere Jahre dauern und durch mehrere Instanzen gehen.

Die Verteidigung von Peter G. hat bereits angekündigt, Rechtsmittel einzulegen. Und der Ausgang dann ist offen, die höhere Instanz könnte sogar möglicherweise anders über das Beweisverwertungsverbot der Akte entscheiden. Aktuell kann Peter G. aber seinen Beamtenstatus behalten – diesen hätte er nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften dann verloren, wenn es sich um eine vorsätzliche Tat gehandelt hätte. Daran ändert auch die Höhe der Freiheitsstrafe auf Bewährung nichts.

Beweisverwertungsverbote
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Währenddessen reagierten die Eltern der Getöteten enttäuscht auf das Urteil. Ihr Rechtsbeistand sieht in dem Verhalten von Peter G. einen bedingt vorsätzlichen Totschlag. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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