Münzhändler-Fall

A. Sachverhalt

Nach den Feststellungen lernte der Angeklagte in einer Gaststätte einen Mann namens Z kennen. Beide sprachen darüber, “wie man an Geld kommen könne”. Z erzählte dem Angeklagten, ihm sei ein Münzhändler bekannt, der seine Versicherung betrügen wolle. Er machte dem Angeklagten den Vorschlag, diesen in seinem Haus “zu überfallen und zu berauben”; “der Münzhändler sei mit allem einverstanden”. Nachdem Z dem Angeklagten für seine “Mitwirkung” 50.000 DM versprochen hatte - von denen 15.000 DM im Vorhinein gezahlt werden sollten, die restlichen 35.000 DM sollte sich der Angeklagte aus dem Tresor des Münzhändlers nehmen dürfen -, erklärte sich der Angeklagte bereit, den Überfall durchzuführen. Die zum Schein zu raubenden Münzen sollten Z übergeben werden. Z wies den Angeklagten an, gegenüber dem Münzhändler nicht zu erkennen zu geben, dass er wisse, dass dieser dem Überfall zugestimmt habe.
Einige Tage vor Ausführung der Tat zahlte Z dem Angeklagten 15.000 DM und teilte ihm Namen und Adresse des zu überfallenden Münzhändlers mit. Dieser war allerdings nicht, wie Z den Angeklagten glauben machte, mit dem Überfall einverstanden.
Der geplante “Raub” wurde vom Angeklagten mit einem weiteren Beteiligten unter Einsatz einer Scheinwaffe durchgeführt. Die Gesamtbeute hatte einen Wert von 350.000 bis 400.000 DM.
Dem bei der Tat gefesselten und in den Waschkeller seines Hauses verbrachten Münzhändler gelang es, sich zu befreien und die Polizei zu alarmieren. Noch am Tattag meldete er seiner Versicherung den Schadensfall.  

B. Worum geht es?

Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Raubes (§ 249 StGB) scheidet aus, weil er bei dem Überfall auf den Münzhändler irrig davon ausging, dass das Opfer hierin eingewilligt hatte. Er unterlag somit einem den Vorsatz ausschließenden Irrtum.
In Betracht kam aber – nach der Vorstellung des Angeklagten – ein gemeinschaftlicher Betrug zum Nachteil der Versicherung des Münzhändlers. Weil der Münzhändler aber tatsächlich Opfer eines Raubüberfalls geworden war und die Versicherung nicht betrügen wollte, scheidet ein vollendeter Betrug aus, sodass nur die Strafbarkeit wegen (untauglichen) Versuchs des Betruges in Mittäterschaft (§§ 263 I, II, 22, 23, 25 II StGB) in Betracht kommt.
Insoweit bejaht der BGH zunächst – auf der Grundlage der Vorstellung des Angeklagten – einen auf die Begehung der Tat in Mittäterschaft gerichteten Tatentschluss des Angeklagten; es handele sich nicht nur um eine (straflose!) versuchte Beihilfe zum Betrug:

„Die von der Revision gegen die Annahme mittäterschaftlichen Handelns vorgebrachten Einwendungen - der Angeklagte habe von der Versicherungssumme nichts erhalten, sondern schon vorher entlohnt werden sollen, er habe daher kein Interesse an dem Betrugs”erfolg” gehabt und auch keinerlei Einfluß auf die Schadensmeldung nehmen können - greifen im Hinblick auf die besondere Bedeutung seines Beitrages für den geplanten Betrug (Herbeiführung des versicherten Schadensfalles) nicht durch:
Der Tatbestand des Betruges ist auch bei fremdnützigem Handeln erfüllt, so daß schon deswegen ein Interesse des Angeklagten an dem durch den Betrug zu erlangenden Vermögensvorteil teilzuhaben, zur mittäterschaftlichen Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist. Da für eine Tatbeteiligung als Mittäter lediglich ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann, notwendig ist (vgl. BGHSt 11, 268, 271/272; 16, 12, 14; 37, 289, 292; BGH NStZ 1993, 180), ist mittäterschaftliches Handeln beim Betrug zum Nachteil einer Versicherung nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Mittäter keinen Einfluß auf die Schadensmeldung nimmt. Mittäter eines solchen Betruges kann vielmehr auch sein, wer selbst an den Verhandlungen mit der Versicherung nicht beteiligt ist und die Belohnung für die Schaffung der Voraussetzungen zur Täuschung und Schädigung der Versicherung bereits vor der Schadensmeldung erhalten hat (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 3).“

Im Hinblick auf das unmittelbare Ansetzen vertritt der BGH in ständiger Rechtsprechung die sog. Gesamtlösung, wonach alle Mittäter gleichzeitig in dem Moment in das Versuchsstadium eintreten, in dem einer von ihnen tatplangemäß zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt:

„Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dies ist dann der Fall, wenn Handlungen vorgenommen werden, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (vgl. u.a. BGHSt 28, 162, 163).
Bei der Mittäterschaft treten alle Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, und zwar unabhängig davon, ob einzelne von ihnen ihren Tatbeitrag bereits im Vorbereitungsstadium erbracht haben (vgl. BGHR StGB § 22 Ansetzen 3; Eser in Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 22 Rdn. 55; Lackner StGB 20. Aufl. § 22 Rdn. 9).“

Fraglich ist aber, ob es für das unmittelbare Ansetzen des Angeklagten genügt, dass nur ein vermeintlicher Mittäter (der nicht eingeweihte Münzhändler) unmittelbar zum Versuch ansetzt (durch Absenden der Schadensmeldung).  

C. Wie hat der BGH entschieden?

Der BGH bejaht im Münzhändler-Fall (Urt. v. 25.10.1994 – 4 StR 173/94 (BGHSt 40, 299 ff.)) eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten Betruges (§§ 263 I, II, 22, 23 StGB).

Der BGH geht davon aus, dass auch im Falle einer “vermeintlichen Mittäterschaft” die Gesamtlösung gelte, weil es insoweit auf die Vorstellung des Angeklagten ankomme:

„Diese Kriterien gelten auch für den untauglichen Versuch, dessen Strafwürdigkeit in der - für sich gesehen schon gefährlichen - Auflehnung gegen die rechtlich geschützte Ordnung begründet ist (vgl. BGHSt 4, 254; 11, 268, 271; 30, 363, 366; Dreher/Tröndle StGB 46. Aufl. § 22 Rdn. 24 m.w.Nachw.). Entscheidend ist hier die Vorstellung des Täters von der Tauglichkeit der Handlung, die als unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB anzusehen ist (vgl. BGHSt 11, 324, 326/327; 30, 363, 366; Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts AT 4. Aufl. § 50 I 5; Baumann/Weber, Strafrecht AT 9. Aufl. § 33 IV 1 b, 2). Die nach dem Täterplan maßgebliche Handlung, die zur unmittelbaren Tatbestandserfüllung führen soll (vgl. BGHSt 26, 201, 203) und die nach natürlicher Auffassung auch zur Tatbestandserfüllung führen könnte, wenn sie geeignet wäre, ist hier so zu betrachten, als wäre sie tauglich (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1973, 900; Jescheck aaO; Baumann/Weber aaO).
Zwar war der nach Ansicht des Angeklagten vorgetäuschte Raubüberfall für den erwarteten beabsichtigten Betrug zum Nachteil der Versicherung nur Vorbereitungshandlung (vgl. BGH NJW 1952, 430, 431 gegen RGSt 72, 66; OLG Koblenz VRS 53, 27, 28; Dreher/Tröndle aaO § 22 Rdn. 15; Eser aaO § 22 Rdn. 35, 45); dadurch, daß die Schadensmeldung durch den vermeintlichen Mittäter (den Münzhändler) nach dem Überfall “tatplangemäß” - nach dem Tatplan zur Täuschung der Versicherung - erfolgte, wurde jedoch, was sich der Angeklagte als nach seiner Vorstellung mittäterschaftlich Handelnder zurechnen lassen muß, die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch überschritten (vgl. BGHSt 37, 294, 296; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1982 - 2 StR 429/82; BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91; Dreher/Tröndle aaO § 263 Rdn. 44; Vogler in Festschrift für Stree/Wessels, 1993, S. 285, 296).“

 

D. Fazit

Der Münzhändler-Fall stellt den Rechtsanwender vor große Schwierigkeiten, denn das Problem der vermeintlichen Mittäterschaft ist schwer zu fassen. Die „Richtigkeit“ der BGH-Lösung wird weiterhin kontrovers diskutiert. Für die Ansicht des Senats spricht indes der Wortlaut von § 22 StGB („nach seiner Vorstellung“), aus dem sich schließen lässt, dass es auf die subjektive Sichtweise des Mittäters ankommt.

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