A. Sachverhalt (vereinfacht)
K bot Anfang August 2014 auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zum Kaufpreis von 617 € nebst Versandkosten an. Die B-GbR, die ein Ladenlokal nebst Online-Versandhandel betreibt, erwarb das Gerät am 3. August 2014.
Die Parteien vereinbarten einen unversicherten Päckchenversand; der Kaufpreis sollte über den Online-Zahlungsdienst PayPal, der von der PayPal (Europe) S.à.r.l. et Cie, S.C.A. (im Folgenden: PayPal) in Luxemburg betrieben wird, entrichtet werden. Für die Geschäftsbeziehung zu PayPal akzeptierten die Parteien die Geltung der von PayPal formularmäßig verwendeten Nutzungsbedingungen sowie der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie und der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie. Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie bestimmt in der hier maßgeblichen Fassung unter anderem:
“1. Allgemeines
Der PayPal-Käuferschutz schützt den Käufer, falls ein gekaufter Artikel nicht versandt wurde oder der gelieferte Artikel erheblich von der Artikelbeschreibung des Verkäufers abweicht, siehe hierzu Ziffer 4. […]
2. Auszahlung
Wenn ein Antrag auf PayPal-Käuferschutz erfolgreich ist, erstattet PayPal Ihnen den geleisteten Betrag inklusive Versandkosten. […] Die Auszahlung erfolgt unabhängig davon, ob PayPal den Erstattungsbetrag von dem Zahlungsempfänger zurückfordern kann. […]
3. Anspruchsberechtigung
Um den PayPal-Käuferschutz in Anspruch nehmen zu können, müssen die folgenden Bedingungen erfüllt sein: 3.8. […] Der Käufer meldet den Konflikt innerhalb von 180 Tagen nach Vertragsschluss über die gekauften Waren und versucht, diesen unter Verwendung der hierfür durch PayPal bereit gestellten Hilfsmittel zu klären. […] Falls eine Klärung hierdurch nicht erreicht wird, kann der Käufer innerhalb von 20 Tagen nach Einleitung der Konfliktlösung einen Antrag auf PayPal-Käuferschutz stellen. […]
4. Welche Fälle sind abgesichert?
Der Käufer hat PayPal-Käuferschutz in den folgenden Fällen: 4.1. Der Artikel wurde bei einem vereinbarten Versand durch den Verkäufer nicht versendet oder nachfolgend in dieser Ziffer 4.1. beschriebene sonstige Verpflichtungen des Verkäufers wurden nicht eingehalten. Der PayPal-Käuferschutz wegen nicht versandter Artikel gilt nicht für Artikel, die während des Versands verloren gehen. Falls der Verkäufer in der geschuldeten Weise einen gültigen Versandbeleg (wie im Detail in der PayPal-Verkäuferschutzrichtlinie beschrieben) oder ein entsprechendes, zwischen Verkäufer und PayPal vereinbartes Äquivalent vorlegt, welches Versand beziehungsweise Empfang nachweist, so lehnt PayPal den Antrag auf PayPal-Käuferschutz ab. […] 4.5. Die Entscheidung über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz ist endgültig. Der Rechtsweg gegenüber PayPal wegen dieser Entscheidung ist ausgeschlossen. […]
6. Schlussbestimmungen
6.1. Abtretung des Rückzahlungsanspruchs. Der Käufer tritt mit dem Empfang der Auszahlung des PayPal-Käuferschutzes alle gegenüber dem Verkäufer bestehenden Ansprüche aus dem dem Antrag auf PayPal-Käuferschutz zugrunde liegenden Kaufvertrag in Höhe des Auszahlungsbetrages an PayPal ab. Es wird klargestellt, dass PayPal im Fall einer vollständigen Befriedigung aus solchen abgetretenen Rechten den Verkäufer aufgrund der Nutzungsbedingungen nicht doppelt in Anspruch nehmen wird. 6.2. Verfügbarkeit des PayPal-Käuferschutzes. PayPal behält sich das Recht vor, jederzeit im eigenen Ermessen und ohne Angabe von Gründen den PayPal-Käuferschutz zu ändern oder zu streichen. […] 6.5. Gesetzliche Rechte und Rechte unter Ihrem Kaufvertrag. Die PayPal-Käuferschutzrichtlinie berührt die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten. PayPal tritt nicht als Vertreter von Käufer, Verkäufer oder Zahlungsempfänger auf. PayPal entscheidet lediglich über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz. […].”
Am 4. August 2014 benachrichtigte PayPal den K, der Kaufpreis sei auf sein PayPal-Konto überwiesen worden. Daraufhin versandte K das Mobiltelefon in einem Päckchen per Post an den B; dort ist es indes nie angekommen. Ein Nachforschungsauftrag des K bei dem von ihm beauftragten Versanddienstleister blieb erfolglos.
B beantragte daraufhin Käuferschutz nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Am 10. September 2014 teilte PayPal dem K mit, es sei zu Gunsten des Käufers entschieden worden, weil er keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt habe. PayPal schrieb den Kaufpreis nebst Versandkosten dem PayPal-Konto des B wieder gut; in entsprechender Höhe wurde das PayPal-Konto des K belastet.
K fordert B zur Zahlung des Kaufpreises auf. Zu Recht?
B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 22.11.2017 – VIII ZR 83/16)
K könnte gegen B ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB zustehen. Die Parteien haben einen Kaufvertrag über das Telefon geschlossen (§§ 145 ff. BGB), so dass der Anspruch entstanden ist. Fraglich ist aber, ob der Anspruch untergegangen ist.
I. Untergang wegen Erfüllung (§ 362 BGB)
Nach § 362 I BGB erlischt das Schuldverhältnis (im engeren Sinne), wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
Ob die geschuldete Leistung bereits bewirkt ist, wenn der geschuldete Betrag auf dem virtuellen PayPal-Konto des Gläubigers vorbehaltlos gutgeschrieben ist, ist streitig. In der Literatur wird vertreten, dass bei der Nutzung von PayPal erst der Weiterüberweisung vom PayPal-Konto auf das Bankkonto des Gläubigers Erfüllungswirkung zukomme.
Der BGH stimmt der erstgenannten Ansicht zu und führt zunächst aus, dass K und B im Hinblick auf die Verwendung von PayPal eine Nebenabrede zum Kaufvertrag (§ 311 I BGB) geschlossen haben:
„Die Vertragsparteien haben mit Abschluss des Kaufvertrags als Nebenabrede vereinbart, den Kaufpreis unter Verwendung des vom Zahlungsdienstleister PayPal betriebenen gleichnamigen Bezahlsystems zu entrichten. Dabei schreibt PayPal dem virtuellen PayPal-Konto des Verkäufers E-Geld ( § 1a Abs. 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes - ZAG) gut und belastet die vom Käufer angegebene Zahlungsquelle. Ab dem Zeitpunkt der Gutschrift kann der Verkäufer über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.“
Daher sei die Leistung „bewirkt“, wenn der geschuldete Betrag auf dem PayPal-Konto des Gläubigers vorbehaltslos gutgeschrieben wird:
„Unbeschadet dessen tritt Erfüllung des Kaufpreisanspruchs - ebenso wie bei Zahlungen im Lastschriftverfahren und bei Banküberweisungen ( BGH, Urteile vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 , BGHZ 186, 269 Rn. 22 f.; vom 5. Oktober 2016 - VIII ZR 222/15 , BGHZ 212, 140 Rn. 23; EuGH, Urteil vom 3. April 2008 - C-306/06 , Slg. 2008 I-1923 Rn. 23 - 01051 Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG; siehe auch Palandt/Grüneberg, aaO Rn. 10 f.; MünchKommBGB/Fetzer, BGB, 7. Aufl., § 362 Rn. 21, 25a; jeweils mwN) - ein, wenn der geschuldete Betrag dem PayPal-Konto des Verkäufers vorbehaltlos gutgeschrieben wird, so dass dieser den Zahlbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält. Dies entspricht der nahezu einhelligen Ansicht des Schrifttums zum Bezahlsystem PayPal (BeckOGK-BGB/Looschelders, Stand: 1. Juli 2017, § 362 Rn. 177; Palandt/Grüneberg, aaO Rn. 12; Staudinger/Omlor, aaO; Erman/Buck-Heeb, aaO, § 362 Rn. 12; Jauernig/Stürner, aaO; BeckOK-BGB/Dennhardt, Stand: 15. Juni 2017, § 362 Rn. 41; jurisPK-BGB/Kerwer, 8. Aufl., § 362 BGB Rn. 48; Martens, JuS 2014, 200, 202; zu einem ähnlichen Bezahlsystem ebenso Knops/Wahlers, aaO; allgemein zu elektronischen Zahlungssystemen, bei denen durch Übermittlung elektronischer Werteinheiten Buchungen auf ein virtuelles Konto veranlasst werden: NK-BGB/Avenarius, 3. Aufl., § 362 Rn. 19 und MünchKommBGB/Fetzer, aaO Rn. 18).“
Der Gegenansicht stimmt der BGH explizit nicht zu:
„Diese Ansicht verkennt, dass die Überweisung auf das Bankkonto des Zahlungsempfängers bei einer vereinbarungsgemäß mittels PayPal geleisteten Zahlung nicht zum Pflichtenkreis des Zahlers gehört. Bereits die vorbehaltlose Gutschrift auf dem PayPal-Konto, die (innerhalb des Bezahlsystems PayPal) auch zu Zahlungszwecken einsetzbar ist, steht dem Zahlungsempfänger zur freien Verfügung und führt nach dem insoweit maßgeblichen Willen der Kaufvertragsparteien zur Befriedigung des Leistungsinteresses des Zahlungsempfängers. Träte Erfüllungswirkung erst bei einer Weiterüberweisung vom PayPal-Konto auf das Bankkonto des Zahlungsempfängers ein, hätte dieser es in der Hand, den Eintritt der Erfüllungswirkung nach Belieben zu verzögern, indem er den ihm gutgeschriebenen Betrag auf seinem virtuellen Konto beließe (vgl. Staudinger/Omlor, aaO).”
Auch der „Käuferschutz“ von PayPal ändere nichts daran, dass es für die Erfüllung zunächst darauf ankomme, dass der Betrag dem PayPal-Konto des K gutgeschrieben wurde:
„Allerdings ist der Verkäufer gemäß Ziffer 3.8. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie innerhalb der dort bestimmten Fristen dem Risiko einer Rückbuchung durch PayPal ausgesetzt, weil der Käufer in diesem Zeitraum einen Antrag auf PayPal-Käuferschutz stellen kann. Die Rückbelastungsmöglichkeit rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, der insoweit maßgebliche Wille der Kaufvertragsparteien gehe dahin, dass der geschuldete Leistungserfolg erst nach Ablauf der Schwebephase eintreten solle. Ebenso wie bei Zahlungen im Kreditkarten- oder Lastschriftverfahren würde dies dem Umstand nicht gerecht, dass entsprechende Zahlungen in der Regel Bestand haben und nur ausnahmsweise eine Rückbelastung erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 , aaO Rn. 24).“
Darauf, ob es sich um einen Fall von § 362 I BGB oder § 364 I oder II BGB handele, komme es nicht an:
„Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob es sich bei der (vereinbarten) Tilgung einer Geldschuld mittels PayPal unmittelbar um die Bewirkung der geschuldeten Leistung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB handelt (Staudinger/Omlor, BGB, Neubearb. 2016, Vorbemerkungen zu §§ 244-248 Rn. B 100) oder - weil die Befriedigung des Leistungsinteresses des Gläubigers nicht bereits mit der Übermittlung elektronischer Werteinheiten, sondern erst mit der vorbehaltslosen Gutschrift auf seinem virtuellen Konto eintritt - um eine Leistung erfüllungshalber ( § 364 Abs. 2 BGB ; siehe Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 362 Rn. 12; Jauernig/Stürner, BGB, 16. Aufl., Anmerkungen zu den §§ 364, 365 Rn. 9; Erman/Buck-Heeb, BGB, 15. Aufl., § 364 Rn. 10; Pfeiffer in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 12. Aufl., § 364 Rn. 19). Ebenso wenig kommt es - wie vereinzelt angenommen wird - darauf an, ob eine Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) erbracht wird (vgl. Knops/Wahlers, BKR 2013, 240, 243, ohne Begründung).“
Damit ist der Anspruch (zunächst) untergegangen.
II. Wiederaufleben der Forderung durch den „Käuferschutz“
Möglicherweise ist der Kaufpreisanspruch „wiederaufgelebt“, indem B erfolgreich den PayPal-Käuferschutz in Anspruch genommen hat.
1. Auflösende Bedingung (§§ 158 II, 159 BGB)
Das Berufungsgericht hatte angenommen, die Erfüllungswirkung sei rückwirkend entfallen, indem PayPal den gezahlten Betrag aufgrund des erfolgreichen Käuferschutzantrags des B zurückgebucht und seinem PayPal-Konto wieder gutgeschrieben hat. Durch die Rückbuchung sei eine zuvor von den Vertragsparteien nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten (§§ 158 II, 159 BGB).
Dem tritt der BGH entgegen:
„Die Erfüllungswirkung, die durch die vorbehaltlose Gutschrift der Kaufpreisforderung auf dem PayPal-Konto des Käufers eingetreten ist, entfällt nicht rückwirkend, wenn PayPal den Kaufpreis aufgrund eines erfolgreichen Antrags auf Käuferschutz zurückbucht und dem PayPal-Konto des Käufers wieder gutschreibt (vgl. BeckOGK-BGB/Looschelders, aaO; Staudinger/Omlor, aaO, Stand: 13. April 2017, Rn. B 100.1; jurisPK-BGB/Kerwer, aaO). Ein vereinbarter Vorbehalt der Rückforderung - hier in Gestalt erfolgreicher Inanspruchnahme des PayPal-Käuferschutzes - stünde der Erfüllungswirkung schon von Anfang an entgegen, weil diese nicht nur vorläufig eintreten kann ( BGH, Urteil vom 27. Juni 2008 - V ZR 83/07 , WM 2008, 1703 Rn. 26; MünchKommBGB/Fetzer, aaO Rn. 25a; Hadding, WM 2014, 97 f.; jeweils mwN), sondern regelmäßig als objektive Folge der Leistungsbewirkung (Theorie der realen Leistungsbewirkung), ohne dass es weiterer Umstände bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 2015 - XI ZR 234/14 , BGHZ 205, 90 Rn. 13; vom 21. November 2013 - IX ZR 52/13 , NJW 2014, 547 Rn. 21; vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 , aaO Rn. 25).
b) Zwar hat, was das Berufungsgericht zur Begründung der von ihm vertretenen Rechtsansicht heranziehen möchte, der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für das SEPA-Basis-Lastschriftverfahren angenommen, eine rechtsgeschäftliche Erfüllungsvereinbarung, die erforderlich sei, weil im Fall des Einzugs einer Forderung mittels Lastschrift eine “andere Leistung” als die originär geschuldete (Bar-)Geldzahlung erbracht werde ( § 364 Abs. 1 BGB ), könne unter der auflösenden Bedingung eines Erstattungsverlangens des Zahlers (siehe § 675x Abs. 2 BGB ) stehen, so dass die Rechtsfolge der Erfüllung im Fall des Bedingungseintritts rückwirkend ( § 159 BGB ) entfalle (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 , aaO).
Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch nicht auf den Fall einer Rückbuchung des Kaufpreises durch PayPal aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz übertragen (so auch BeckOGK-BGB/Looschelders, aaO; Staudinger/Omlor, aaO; jurisPK-BGB/Kerwer, aaO), weil sie maßgeblich auf der Besonderheit des SEPA-Basis-Lastschriftverfahrens beruht, dass der Zahler innerhalb von acht Wochen ( § 675x Abs. 4 BGB ) nach der Belastungsbuchung von seiner Bank ohne Angabe von Gründen Erstattung des Zahlbetrages verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07 , aaO).
Bei einer Zahlung mittels PayPal wird dem Käufer hingegen nicht das Recht eingeräumt, diese von sich aus rückgängig zu machen. Die Erstattung des Kaufpreises nach Gewährung von PayPal-Käuferschutz gründet sich vielmehr auf eine besondere Dienstleistungsabrede zwischen PayPal und dem Käufer. Dabei ist nicht dem Käufer, sondern allein PayPal die Befugnis einräumt, eigenständig zu entscheiden, ob der Kaufpreis erstattet wird oder nicht (vgl. Ziff. 4.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie in der hier maßgeblichen Fassung).
Soweit PayPal in entsprechender Höhe das PayPal-Konto des Verkäufers belastet, beruht dies auf dem gesondert zu betrachtenden Rechtsverhältnis von PayPal zum Verkäufer; dementsprechend bestimmt die PayPal-Käuferschutzrichtlinie, die Erstattung des Kaufpreises sei unabhängig davon, ob PayPal den erstatteten Betrag vom Zahlungsempfänger zurückfordern kann (Ziff. 2 Abs. 2 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie). Die Entscheidung über die Rückbuchung des Kaufpreises erfolgt nicht - wie beim Erstattungsanspruch des Zahlers gegen seinen Zahlungsdienstleister im SEPA-Basis-Lastschriftverfahren - im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, sondern beruht jeweils auf den gesonderten Rechtsbeziehungen zwischen PayPal und dem Käufer einerseits sowie PayPal und dem Verkäufer andererseits, innerhalb derer jeweils PayPal die Entscheidung obliegt, ob die Rückerstattung erfolgt.“
2. Stillschweigende Vereinbarung über die Wiederbegründung der Forderung
Der BGH geht davon aus, dass die Parteien mit der einverständlichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal die Kaufpreisforderung für den Fall stillschweigend wieder begründet ( § 311 I BGB ) haben, dass das PayPal-Konto des K aufgrund eines erfolgreichen Antrags des B auf Käuferschutz nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird. Einleitend führt der BGH aus, dass anerkannt sei, dass eine stillschweigende Wiederbegründung einer getilgten Schuld bei einem - wie hier - nicht formgebundenen Vertrag bei entsprechendem Parteiwillen in der Rückgabe oder Rückbelastung eines bereits getilgten Schuldbetrags liegen könne:
„Die Parteien sind frei darin, das Wiederaufleben der ursprünglichen Schuld zu vereinbaren (Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 57 Rn. 49 mwN; siehe auch MünchKommBGB/Fetzer, aaO). Eine solche Vereinbarung kann nach dem Grundsatz der Privatautonomie auch bereits im Vorfeld - mit Vertragsabschluss - und für den Fall getroffen werden, dass künftig eine Rückbuchung des gezahlten Kaufpreises erfolgt.“
So liege es hier. Das ergebe sich nach Maßgabe der gebotenen nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung:
„Der Erklärungsgehalt der bei Abschluss des Kaufvertrags getroffenen Nebenabrede, zur Begleichung der Kaufpreisschuld den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, richtet sich dabei neben den sich aus §§ 133 , 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von PayPal, denen die Parteien vor der Inanspruchnahme des Zahlungsdienstes PayPal zugestimmt haben (vgl. Senatsurteile vom 24. August 2016 - VIII ZR 100/15 , BGHZ 211, 331 Rn. 19; vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 59/16 , NJW 2017, 1660 Rn. 12; jeweils mwN, zu den eBay-AGB). Der Aussagegehalt der von PayPal verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, namentlich der PayPal-Käuferschutzrichtlinie, ist daher, da die Erklärungen der Parteien des Kaufvertrages auslegungsbedürftig sind, entsprechend in die Auslegung der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen.“
Bereits bei Vertragsschluss habe zwischen den Parteien mangels gegenteiliger Anhaltspunkte Einigkeit darüber bestanden, dass auch im Falle eines Antrags auf Käuferschutz die gesetzlichen und vertraglichen Rechte beider Parteien unabhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Käuferschutz Bestand haben sollten:
„Nach Ziffer 6.5. Satz 1 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie “berührt” diese “die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht und ist separat von diesen zu betrachten”. Bereits nach ihrem Wortlaut bestimmt die Klausel, dass die PayPal-Käuferschutzrichtlinie die gesetzlichen und vertraglichen Rechte der Kaufvertragsparteien nicht beeinträchtigen (“berührt […] nicht”) und unabhängig davon sein soll (“separat”). Entgegen der Ansicht der Revision ist Ziffer 6.5. Satz 1 nicht dahingehend zu verstehen, dass die gesetzlichen und vertraglichen Rechte “zwischen” Käufer und Verkäufer (nur) insoweit unberührt blieben, als die PayPal-Käuferschutzrichtlinie keine abweichende Regelung enthält. Eine solche Einschränkung sieht die Klausel nicht vor. Dies wird durch deren Satz 3 bestätigt. Danach entscheidet PayPal “lediglich” über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz. Daraus folgt, dass weitergehende Rechte der Kaufvertragsparteien unabhängig von der Entscheidung über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz zu beurteilen sind.“
Für eine stillschweigend vereinbarte Wiederbegründung der Kaufpreisforderung spreche auch, dass PayPal im Fall eines Käuferschutzantrags nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlege:
„Der Erfolg eines Antrags des Käufers auf PayPal-Käuferschutz hängt bei einem - wie hier - nicht versandten Artikel maßgeblich davon ab, ob der Verkäufer einen Versandbeleg vorlegen kann (Ziff. 4.1 Satz 2 der PayPal-Käuferschutzrichtlinie). In einem staatlichen Gerichtsverfahren könnte der Verkäufer den Nachweis für den Versand jedoch auch auf andere Weise als durch eine solche Urkunde erbringen, etwa durch den Antritt von Zeugenbeweis. Der Versand der Ware könnte in einem Rechtsstreit sogar nicht beweisbedürftig sein, nämlich dann, wenn er unstreitig ist oder wird.
So ist es auch hier. Zwar hat der Kläger während des Käuferschutzverfahrens keinen Versandbeleg hochgeladen, jedoch hat er im Rechtsstreit Zeugenbeweis für den Versand angetreten. Die Beklagten haben den Versand der Ware daraufhin nicht mehr bestritten. Mit Rücksicht darauf erscheint es nicht sachgemäß, dass der Verkäufer einen Käuferschutzantrag wegen eines nicht versandten Artikels abwehren könnte, indem er PayPal den Versandbeleg vorlegt, der Verkäufer seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aber verlieren soll, obwohl der Versand der Sache unstreitig wird. Der Umstand, dass der anfangs streitige Versand der Ware im hier gegebenen Fall erst nach Gewährung von PayPal-Käuferschutz unstreitig geworden ist, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Käufer kann ohnehin nur eingeschränkt auf den Bestand des ihm gewährten PayPal-Käuferschutzes vertrauen, denn nach Ziffer 6.2. Satz 1 der Käuferschutzrichtlinie behält PayPal sich - wie ausgeführt - “das Recht vor, jederzeit im eigenen Ermessen und ohne Angabe von Gründen den PayPal-Käuferschutz zu ändern oder zu streichen”.“
Durch das Recht des Verkäufers, gemäß Ziffer 6.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos auf die Kaufpreisforderung zurückgreifen zu können, werde der PayPal-Käuferschutz nicht obsolet, sondern bleibe für den Käufer vorteilhaft:
„Auch wenn der Zahlungsanspruch des Verkäufers nach der Rückbelastung seines PayPal-Kontos wieder begründet wird, ist ein erfolgreicher Käuferschutzantrag für den Käufer, der mit der Zahlung des Kaufpreises vereinbarungsgemäß in Vorleistung getreten ist, die Kaufsache aber nicht erhalten hat, von beträchtlichem Vorteil (vgl. Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 475 f.). Bereits die Prozessführungslast ändert sich. Hat der Käufer mit einem Antrag auf PayPal-Käuferschutz nach Maßgabe von Ziffer 4.1. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, erlangt er seine Vorleistung zurück, ohne zur Überprüfung der Gerichte stellen zu müssen, ob ihm ein Rückgewähranspruch zusteht, und diesen gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.“
Schließlich sei es auch sachgerecht, Streitigkeiten über Leistungsstörungen abschließend im Verhältnis der Kaufvertragsparteien zu klären und nicht eine Partei, hier den Verkäufer, gegebenenfalls auf einen Rechtsstreit gegen den Zahlungsdienstleister PayPal zu verweisen:
„Dies wird zusätzlich anhand von Ziffer 4.5. der PayPal-Käuferschutzrichtlinie deutlich. Danach soll die Entscheidung über den Antrag auf PayPal-Käuferschutz “endgültig” und der Rechtsweg gegenüber PayPal wegen der Entscheidung über den Käuferschutz ausgeschlossen sein. Zwar spricht alles dafür, dass PayPal einen derart weitgehenden Ausschluss von Rechten im Vertragsverhältnis zu seinen Kunden formularvertraglich nicht wirksam vereinbaren kann (zur Unwirksamkeit von Formularbestimmungen, die den Zugang zu den Gerichten vollends ausschließen siehe Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., Klauseln Rn. P 66; vgl. auch Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, aaO, Anhang zur Richtlinie 93/13 EWG Rn. 142). Dies ist hier jedoch nicht entscheidungserheblich, denn jedenfalls unterstreicht auch diese Bestimmung das Anliegen von PayPal, selbst nicht Partei von Rechtsstreitigkeiten über Leistungsstörungen zu werden, sondern dies dem Käufer und Verkäufer zu überlassen.“
Damit ist der ursprünglich durch Erfüllung erloschene Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises durch eine stillschweigende Vereinbarung von K und B wiederbegründet worden.
III. Untergang nach § 326 I 1 BGB
Der Aufenthaltsort des Mobiltelefons ist unbekannt. Daher kann K seine Leistungspflicht nach § 433 I BGB nicht mehr erfüllen (§ 275 BGB), weswegen der Anspruch auf die Gegenleistung aus § 433 II BGB grundsätzlich ebenfalls erlischt (§ 326 I 1 BGB).
Allerdings geht der BGH davon aus, dass die Gegenleistungsgefahr gemäß § 447 BGB auf B übergegangen sei:
„Trotz des behaupteten Untergangs der Kaufsache behält der Kläger gemäß § 447 Abs. 1 BGB , bei dem es sich um eine kaufrechtliche Sondervorschrift zu der allgemeinen Regel des § 326 Abs. 1 BGB handelt (Palandt/ Grüneberg, aaO, § 326 Rn. 3; Staudinger/Schwarze, aaO, Neubearb. 2013, § 326 Rn. A 31; Staudinger/Beckmann, aaO, § 447 Rn. 2; Erman/Grunewald, aaO, § 447 Rn. 1; MünchKommBGB/Westermann, aaO, § 447 Rn. 1; NK-BGB/Büdenbender, aaO, § 447 Rn. 1), den Kaufpreisanspruch, weil die Gegenleistungsgefahr auf die Beklagte zu 1, der auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ( § 320 Abs. 1 BGB ) nicht zustünde, übergegangen ist, indem der Kläger das Mobiltelefon dem zur Ausführung der Versendung bestimmten Versanddienstleister ausgeliefert hat.
b) Die Parteien haben die Anwendung des § 447 Abs. 1 BGB entgegen der Ansicht der Revision nicht abbedungen. Vielmehr haben sie ausdrücklich einen Versendungskauf vereinbart; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die mit der Versendung verbundene Verlustgefahr übernommen hat.
c) Die Beklagte zu 1 ist auch nicht gemäß § 474 Abs. 2, 4 BGB von dem mit der Versendung verbundenen Risiko des zufälligen Untergangs der Sache befreit. Ein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 BGB) ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Kläger Unternehmer und die Beklagte zu 1 Verbraucherin ist. … Dies setzte jedenfalls voraus, dass der streitgegenständliche Kauf weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 diente (dazu Senatsurteil vom 25. März 2015 - VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 Rn. 30, 49 ff.). Dafür ist jedoch nichts ersichtlich, zumal die Beklagte zu 1 ein Ladenlokal nebst Online-Versandhandel betreibt.“
IV. Ergebnis
Damit kann K von B die Zahlung des Kaufpreises aus § 433 II BGB verlangen.
C. Fazit
Ein wichtiger Fall aus dem allgemeinen Schuldrecht, an dem sich Vieles wiederholen und einiges Neues lernen lässt. Zudem lässt er sich wunderbar in eine Prüfungsaufgabe einbetten.
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