Examensreport: ZR II 1. Examen aus dem Oktober 2017 Niedersachsen

Sacherhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

Der G e.V. ist ein Verein aus Germelshausen. Er hat ca. 8.000 Mitglieder und ist zuständig für mehrere Sportarten, darunter auch für den Fußball. Germelshausen ist aktuell Zweitligist und sportlich solide aufgestellt. Die Satzung des G e.V. besagt, dass es einen Vorstand gibt, welcher aktuell drei Mitglieder hat. Die Mitglieder sind gemäß der Satzung nur mit einer beliebigen anderen Person gemeinsam befugt, Geschäfte vorzunehmen; nicht jedoch alleine.

Zum Anlass des sportlichen Erfolgs wird am 01.01.2013 die G-GmbH gegründet. Diese soll sich um die sportlichen Angelegenheiten bzgl. des Fußballs kümmern. Kurz danach soll die in Sachen Sport sehr erfahrene R Geschäftsführerin der G GmbH werden. Sie erhält zu diesem Zwecke einen Anstellungsvertrag, welcher von R selbst, dem Vorstandsvorsitzenden L und dem Personalvorstand F gemeinsam unterschrieben wird. L und F unterzeichnen jeweils mit dem Zusatz „i.V.“. Verabredet wird, dass die R selbstständig und ohne Weisungen handeln soll. Sie erhält dafür ein monatliches Gehalt von 7.000 €. Der G e.V. hält zur Zeit noch sämtliche Gesellschaftsanteile der G GmbH. Zunächst lief es sportlich auch noch ganz solide für Germelshausen.

In den Folgejahren und vor allem in der Saison 15/16 wurde es jedoch immer schlimmer: Der sportliche Erfolg ließ schnell stark ab. Darunter litt auch die wirtschaftliche Leistung der GmbH. Es kam sogar dazu, dass die ersten Sponsoren aus Germelshausen den Verein verließen. Germelshausen stand in dem Jahr bereits früh in der Saison kurz vor dem Abstieg in die dritte Liga. Sogar hatten alle Experten dies als sicher vorausgesehen. Bei einem Abstieg in die tiefere Liga ist es erforderlich, dass eine Lizenz beantragt wird, um in der anderen Liga spielen zu dürfen. Sie ging jedoch entgegen der Warnung aller Experten davon aus, dass es Germelshausen schon schaffen werde und die zweite Liga halten könne. Sie beantragte deshalb keine Lizenz, obwohl dies zu ihrem Aufgabenbereich gehörte. In der gleichen Saison traten die Befürchtungen allerdings ein: Germelshausen stieg in die dritte Liga ab. Da nun aber die notwendige Lizenz nicht beantragt war, kam es folglich zum Zwangsabstieg in die vierte Liga. Eine Nachholung der Lizenzbeantragung war nicht mehr möglich.

Darüber war der Vorstand des G e.V. sehr erzürnt. Sie beschlossen daher einstimmig auf der Mitgliederversammlung des 16.06.2017, dass L dazu „ermächtigt“ sein soll, alles erforderliche für die Kündigung des „Arbeitsvertrages“ der R zu unternehmen. Am Tag des 26.08.2017 ging L dann zu der R hin und sagte ihr, dass sie zum 30.09.2017 gefeuert sei. Die R meinte, dass man doch nur „schriftlich“ kündigen könne und wenn überhaupt müsse der L erst einmal darlegen, dass er überhaupt dafür zuständig sei. Zudem wäre doch noch „Vorlaufzeit“ notwendig. Sie wies die Kündigung des L zurück. L kündigte der R daraufhin am 17.09.2017 schriftlich zum 30.09.2017 und zwar diesmal unter Vorlage des Originalprotokolls aus der Mitgliederversammlung mit dem Vorstand.

Die R wollte dies nicht hinnehmen und erschien dennoch im Oktober 2017 an ihrem Arbeitsplatz und bot ihre Arbeitsleistung. Sie forderte Zahlung des Gehalts für den Monat Oktober. L und F meinte daraufhin zu ihr, dass sie keinen Anspruch auf ihr Gehalt habe. Ohnehin sei der Anstellungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Selbst wenn, dann erklärten sie nun „hilfsweise“ die Aufrechnung, da die R ja eine Pflichtverletzung begangen habe. Auch ein Schaden sei der G GmbH entstanden und zwar zum einen 50.000 € Verlust an Einnahmen durch die (nun ausbleibenden) Besucherzahlen des Stadions. Und zum anderen 3.000 € Schaden in Form von ausfallenden Mitgliedsbeiträgen; die Mitglieder haben ihre Mitgliedschaft nämlich unter dem Hinweis gekündigt, dass sie Germelshausen nicht in der vierten Liga sehen wollten.

R erwidert, dass – was zutrifft – die G GmbH doch so oder so keine Lizenz für die dritte Liga erhalten hätte, da es mit Germelshausen wirtschaftlich schon seit Jahren bergab läuft.

Kann R von der G GmbH Zahlung von 7.000 € verlangen?

Unverbindliche Lösungsskizze

R gegen G-GmbH auf Zahlung von 7.000 Euro

A. § 611a II BGB
I. Anspruch entstanden

  1. Einigung

-> Stellvertretung der G-GmbH durch L und F, §§ 164 ff. BGB

a) Eigene Willenserklärung (+)
b) Im fremden Namen (+)

c) Im Rahmen der Vertretungsmacht
-> idR durch den Geschäftsführer, § 35 GmbHG
Hier: Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, ob und wer als – gesellschaftsrechtlicher – Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen worden ist und daher berufen gewesen wäre, den – arbeitsrechtlichen – Geschäftsführer anzustellen. Im Zweifel Durchgriff auf den alleinigen Gesellschafter G-e.V. Gem. der Satzung sind die Vorstandsmitglieder jeweils nur mit einer anderen Person befugt, Geschäfte vorzunehmen. L und F haben zu zweit gehandelt.
Also: (+)

d) Kein Ausschluss (+)

  1. Wirksamkeit (+)

II. Anspruch nicht erloschen

  1. Erlöschen wegen Unmöglichkeit, § 326 I 1 BGB
    (-); Arg.: sofern R nicht gearbeitet haben sollte (= Unmöglichkeit, § 275 I BGB – absolutes Fixgeschäft), weil die G-GmbH die Arbeit nicht abgenommen hat, dann griffe § 615 S.1 BGB.

  2. Kündigungserklärung vom 26.08.2017

a) Schriftform, § 623 BGB (-)

b) Zuständigkeit
(-); Arg.: keine Vorlage der Vollmachtsurkunde und unverzügliche Zurückweisung, § 174 S. 1 BGB

c) Kündigungsfrist
(-); Arg.: 1 Monat, § 622 Nr. 1 BGB

  1. Kündigungserklärung vom 17.09.2017

a) Zuständigkeit
(+); Arg.: Vorlage des Originalprotokolls aus der Mitgliederversammlung

b) Schriftform (+)

c) Kündigungsfrist
(-); Arg.: 1 Monat, § 622 II Nr. 1 BGB; Voraussetzungen für eine außerordentliche fristlose Kündigung gem. § 626 BGB liegen nicht vor.

  1. Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB

a) Aufrechnungslage, § 389 BGB

aa) Gegenseitige Forderungen

-> Ansprüche B-GmbH gegen R

(1) § 280 I BGB

(a) Schuldverhältnis

Hier: Arbeitsvertrag (s.o.)

(b) Pflichtverletzung
Hier: Nichtbeantragung der Lizenz für die 3. Liga

(c) Vertretenmüssen, § 276 BGB
Hier: Fahrlässigkeit, § 276 II BGB; Arg.: Expertenvorhersagen

(vertretbar wäre es, schon hier auf die Grundsätze der betrieblich veranlassten Tätigkeit einzugehen)

(d) Rechtsfolge: Schadensersatz

  • 50.000 Euro (Einnahmeverluste)
  • 30.000 Euro (ausfallende Mitgliedsbeiträgen)
    Hier: (-); Arg.: Hypothetische Reserveursache - Lizenz so oder so nicht bekommen - ohnehin schon vorhanden („angelegt“)

(2) Sonstige Ansprüche: (-)

bb) Ergebnis: Keine Aufrechnungslage

b) Ergebnis: Keine Aufrechnung

  1. Ergebnis: Anspruch nicht erloschen

III. Anspruch durchsetzbar

(+) IV. Ergebnis: (+)

B. Sonstige Ansprüche: (-)