Der Kronkorken-Fall: Wem gehört der Gewinn aus dem Kronkorkengewinnspiel?

A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)

K verbrachte mit vier weiteren Bekannten, darunter auch dem B, ein Wochenende vom 29.05.2015 bis zum 31.05.2015 in einer Ferienwohnung am F. Unter den Bekannten befanden sich T, U und  H. Die Beteiligten fuhren gemeinsam los. H, T und B fuhren mit dem Motorrad. K und U reisten gemeinsam mit dem Pkw an.

Auf Grund des schlechten Wetters vereinbarten die Teilnehmer am 29.05.2015, dass anstelle des gemeinsamen Zeltens eine Ferienwohnung angemietet werden sollte. Zwischen den Teilnehmern bestand Einigkeit darüber, dass am Ende des Wochenendes sämtliche Ausgaben zusammengerechnet und dann durch fünf geteilt werden sollten.

Nach vorheriger Absprache mit den weiteren Beteiligten kaufte Herr U für die Gruppe an einer nahe gelegenen Tankstelle zwei Kästen Bier der Marke „L“. Die Brauerei „L.“ verwendet sogenannte Einheitsflaschen, die keine Individualisierungsmerkmale aufweisen und von unbestimmt vielen Herstellern verwendet werden. Über die Auswahl der Biersorte erfolgte im Vorfeld keine Absprache.

Die Firma L veranstaltete zeitgleich ein „Kronkorkengewinnspiel“ und druckte unter wenigen Kronkorken ein Gewinnsymbol und einen Gewinncode ab. Gegenstand des Gewinnspiels waren unter anderem mehrere Pkw im Wert von jeweils 20.000 Euro. Hierzu heißt es in den Spielbedingungen u. a. wie folgt:

Ziff. 1: „(…) Teilnehmen können nur natürliche Personen ab 18 Jahren mit Wohnsitz und Adresse in Deutschland. (…)

Ziff. 2: (…) Der Teilnehmer muss im Besitz eines gültigen Original-Aktionskronkorkens mit einem entsprechenden Gewinnsymbol bzw. dem entsprechenden Text (im Folgenden: „Gewinnsymbol“) und auch eines gültigen Aktionscodes sein. (…)

Ziff. 5: Die Gewinner der B können das Auffinden des Kronkorkens mit dem entsprechenden Gewinnsymbol und dem Gewinncode auf der Aktionsseite www.L.de, schriftlich bei L, Postfach xxx, xxxxx M oder telefonisch unter xxxxx-xxxxxx anzeigen. (…)

Am Samstagabend trafen sich die 5 Beteiligten in dem Gemeinschaftsraum der Ferienwohnung. Es erfolgte der Umtrunk des zuvor erworbenen Bierbestandes. Gegen ca. 23.00 Uhr standen noch 3 – 5 verschlossene Flaschen auf dem Tisch. Herr H öffnete eine Flasche Bier der Marke „L“ und reichte diese zum Verzehr an den B weiter. Den Kronkorken legte H auf den Tisch, auf dem sich bereits einige andere Kronkorken sowie leere Flaschen befanden.

B bemerkte sodann als Erster, dass in  dem Kronkorken der gerade geöffneten Flasche ein Auto als Gewinnsymbol eingeprägt war und nahm den Kronkorken an sich. B zeigte den anderen 4 Begleitern den Gewinnkorken und benachrichtigte seine Mutter.

Am nächsten Morgen errechneten die Beteiligten die gesamten Übernachtungs- und Verpflegungskosten und teilten diese sodann durch 5. Jeder der Teilnehmer zahlte seinen Anteil. Eine im Vorfeld eingerichtete gemeinsame Kasse gab es nicht. Herr U gab das Leergut ab. Der sich hieraus ergebende Betrag wurde zu seinen Gunsten U verrechnet, weil er es beim Ankauf des Kastens verauslagt hatte.

Am Morgen des 31.05.2015 gab die Mutter des B den Gewinncode auf der L-Homepage ein und benachrichtigte B. B gab diese Information an die anderen Beteiligten weiter.

B löste den Gewinn gegenüber L durch Übersendung des Kronkorkens für sich alleine ein und erhielt einen Pkw im Wert von 20.000 Euro.

K verlangt von B eine Zahlung in Höhe von 1/5 des Wertes, also 4.000 Euro.

Zu Recht?

Bearbeitervermerk:
Gehen Sie davon aus, dass in der Übersendung des Kronkorkens von B an „L.“ eine Übereignung des Kronkorkens liegt.

B. Die Entscheidung des LG Arnsberg (Urt. v. 2.3.2017 – 1 O 151/16)

 

I. Ansprüche wegen der „Einlösung“ des Kronkorkens

1. Anspruch aus § 734 BGB

Ein Anspruch könnte sich aus § 734 BGB ergeben, wonach den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein Anteil an dem Überschuss der Gesellschaft nach dem Verhältnis ihrer Gewinnanteile zusteht, wenn die GbR auseinandergesetzt wird (§ 731 BGB).

Ansatzpunkt könnte insoweit sein, dass eine zwischen K und B (und den weiteren Beteiligten) bestehende GbR mit Abschluss des gemeinsamen Urlaubs durch Zweckerreichung aufgelöst wurde (§ 726 BGB). Als Folge wäre das Vermögen, wozu auch der Gewinner-Kronkorken hätte zählen können, unter den Gesellschaftern – in Ermangelung anderer Abreden – gleichmäßig aufzuteilen (§§ 731, 734 BGB).

Voraussetzung ist aber, dass zwischen K und B (und den weiteren Beteiligten) im Hinblick auf die Anschaffung des Bierkastens der Marke L überhaupt eine GbR bestand. Das setzt einen Gesellschaftsvertrag im Sinne des § 705 BGB voraus, also einen Vertrag, in dem sich die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zu fördern.

Zunächst verneint das Landgericht einen Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf eine Spielgemeinschaft. Eine Vereinbarung, gemeinsam an dem Kronkorkengewinnspiel teilzunehmen, habe es nicht gegeben; die Auswahl der Biersorte war einzig in das Belieben des H gestellt. Auf die Frage, ob die Parteien insoweit mit Rechtsbindungswillen gehandelt haben, kommt es daher – anders als etwa in dem Lotto-Fall, den wir bereits als Klassiker vorgestellt haben – nicht an:

„Denn für den Abschluss eines – grundsätzlich auch konkludent zu schließenden - Gesellschaftsvertrages im Sinne von § 705 BGB bietet der Vortrag der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Zwar kann es sich bei Lotto- und sonstigen Wettspielgemeinschaften um Innengesellschaften des bürgerlichen Rechts handeln, auf die die Bestimmungen der §§ 705 ff. BGB Anwendung finden (OLG München Urteil v. 22.12.1987 – 5 U 3944/87 m.w.N. – juris). Der gemeinsame Zweck ist bei Ihnen auf die gemeinschaftliche Teilhabe am Wettspiel zur Erhöhung der Gewinnchancen gerichtet (OLG München Urteil v. 22.12.1987 a.a.O.; Münchener Kommentar BGB, 6. Aufl. 2013, vor § 705 Rdn. 117). Diese Grundsätze können allerdings nicht auf den streitgegenständlichen Sachverhalt  übertragen werden. Denn die Parteien haben unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung dahingehend geschlossen, an einem gemeinsamen Gewinnspiel teilnehmen zu wollen.“

In Betracht kommt aber eine vertragliche Vereinbarung im Hinblick auf die gemeinsame Durchführung der Reise, zu dem auch ein gemeinsamer „Umtrunk“ zählte. Jedenfalls die Organisation und Durchführung des gemeinsamen Wochenendes in der Ferienwohnung kann einen Zweck im Sinne des § 705 BGB darstellen, zu dessen Förderung sich alle Beteiligten – durch gleichmäßige Kostentragung – verpflichtet haben. Das Landgericht verneint insoweit allerdings einen Rechtsbindungswillen der Parteien und stellt dabei maßgeblich darauf ab, dass keine gemeinsame Kasse gebildet worden sei:

„Ferner trägt auch der Umstand, dass die beteiligten Personen gemeinsam ein Wochenende mit einem gemeinsamen Umtrunk verbringen wollten, keinen Vertragsschluss im Sinne von § 705 BGB. Nach § 705 BGB ist zur Entstehung einer Gesellschaft erforderlich, dass sich mehrere Personen verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in einer durch den Gesellschaftsvertrag näher bestimmten Weise zu fördern (Palandt 76. Aufl. § 705 BGB Rdn.20). Notwendig ist ein Wille der Beteiligten, sich rechtlich zu binden. Der Vortrag der Klägerin lässt nicht erkennen, dass die Parteien mit Rechtsbindungswillen einen gemeinsamen Zweck gefördert hätten. Hierbei verkennt die Kammer auch nicht, dass im Einzelfall die gemeinsame Verabredung einer Ferienreise, die aus einer gemeinsamen Kasse finanziert wird, einen Gesellschaftsvertrag im Sinne von § 705 BGB rechtfertigen kann (vgl. OLG Saarbrücken NJW 1985 811). So liegt es hier aber nicht.  Denn die Beteiligten haben gerade keine gemeinsame Kasse für das Wochenende gebildet. Bei der vereinbarten Kostenteilung handelte es sich vielmehr um einen einmaligen Abrechnungsvorgang, der nach den Umständen lediglich dazu diente, die Modalitäten des Wochenendes zu regeln. Eine Gesellschaft läge unter diesen Umständen nur vor, wenn die Beteiligten über den bloßen Zeitvertreib am Wochenende hinaus einen weiteren, gemeinsam verfolgten Zweck verwirklichen wollten. Dafür ist indes nichts ersichtlich.“

Das Landgericht musste sich somit nicht mit der Frage auseinandersetzen, welches Schicksal der Ausgleichsanspruch aus § 734 BGB genommen hat, als B den Kronkorken einlöste. Auch konnte es offenlassen, ob es sich dabei um einen Individualanspruch handelt, den K gegen B ohne Beteiligung der übrigen Gesellschafter durchsetzen kann.

 

2. Anspruch aus §§ 280 I, III, 283, 749 BGB

K könnte ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit des Aufhebungsanspruchs aus §§ 280 I, III, 283, 749 I BGB zustehen.

 

a. Schuldverhältnis / Anspruch auf Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft (§ 749 I BGB)

Ein Schuldverhältnis im Sinne von § 280 I BGB könnte dabei in Form eines Anspruchs auf Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft bestehen. Ob die Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB per se ein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 280 I BGB darstellt, ist umstritten. Der BGH hat das in einer Entscheidung aus dem Jahr 1974 verneint und ausgeführt:

„Indessen ergibt sich der hier zu beurteilende Haftungstatbestand nicht aus dem gesetzlich geregelten Verhältnis der Rechtsgemeinschafter, in dessen Bereich die Vorschrift des § 278 BGB Anwendung finden müßte. Zwar ist die Gemeinschaft Quelle gesetzlicher Schuldverhältnisse (Larenz, Schuldrecht BT, 10. Aufl., § 61 I; Staudinger-Vogel, BGB, 11. Aufl., Rdz. 3; RGRK-BGB, 11. Aufl., Anm. 2 und 12, sämtlich zu § 741 BGB). Das kann aber nur gelten, soweit sie Gegenstand der in §§ 741 ff. BGB getroffenen Regelung ist. Die Gemeinschaft selbst ist für diese Regelung bloß eine vorgegebene Tatsache (…).“ (BGH Urt. v. 26.3.1974 – VI ZR 103/72)

 

Darauf kommt es letztlich aber nicht an, wenn wie hier mit § 749 I BGB die Verletzung eines konkreten aus der Bruchteilsgemeinschaft fließenden Anspruchs in Rede steht.

Dazu müsste zunächst eine Bruchteilsgemeinschaft an dem Kronkorken bestanden haben. In Betracht kommt hier eine Bruchteilsgemeinschaft wegen gemeinschaftlichen Eigentums (§§ 1008, 741 ff. BGB). Das setzt voraus, dass U bei dem Erwerb der Bierkästen (einschließlich des Kronkorkens) nicht Alleineigentum, sondern Miteigentum aller Beteiligten begründet hat. Dafür spricht im Ergebnis die Interessenlage der Parteien: U hat die Bierkästen erst nach vorheriger Absprache mit den übrigen Beteiligten erworben; der Erwerb sollte „für die Gruppe“ erfolgen. Das Bier sollte allen Beteiligten zugutekommen, die Ausgaben dafür nach Kopfteilen verteilt werden.

Konstruktiv lässt sich das erreichen, indem U seine Erklärung nach § 929 S. 1 BGB nicht nur im eigenen Namen, sondern zugleich auch als Stellvertreter im Namen der übrigen Beteiligten abgegeben und diese mitberechtigt hat (§ 164 I 1 BGB). Die Innenvollmacht (§ 167 I BGB) würde sich konkludent aus der vorherigen Absprache der Beteiligten untereinander ergeben. Das Offenkundigkeitsprinzip des § 164 I 1 BGB stünde dem nach den Grundsätzen des „Geschäfts für den, den es angeht“ nicht entgegen. Den für den Erwerb von Miteigentum erforderlichen Mitbesitz aller Beteiligten haben die Beteiligten spätestens in dem Moment erworben, in dem U mit den Bierkästen in die Ferienwohnung zurückkehrte und sie den übrigen Beteiligten zur Verfügung stellte. So hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 zum Eigentumserwerb unter Ehegatten ausgeführt:

„Wer Eigentümer der vom Bekl. für den Haushalt der Parteien angeschafften Sachen geworden ist, richtet sich mangels anderer Erwerbstatbestände nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 929 ff. BGB. Ob nur der Bekl. Eigentum erworben hat oder beide Parteien Miteigentum, hängt daher entscheidend von der nach § 929 S. 1 BGB für den Eigentumsübergang erforderlichen Einigung mit dem jeweiligen Veräußerer ab. Waren beide sich einig, daß nur der Bekl. Eigentum erwerben sollte, so ist er Alleineigentümer geworden, wobei hier auf sich beruhen kann, ob die Kl. dann von ihm Einräumung des Miteigentums verlangen konnte. Ging die Einigung hingegen dahin, daß die Parteien Miteigentümer werden sollten, so sind sie es geworden, auch wenn die Kl. bei den Anschaffungen gegenüber dem jeweiligen Veräußerer nicht in Erscheinung getreten ist. Der Bekl. war befugt, sie bei der Abgabe ihrer Einigungserklärung zu vertreten, wobei dahinstehen kann, ob dies aus einer Befugnis nach § 1357 I BGB herzuleiten ist (…) oder aus einer nach den Umständen zumindest schlüssig erteilten Vollmacht. Denn der Bekl. hat den Hausrat für den gemeinschaftlichen Haushalt der Parteien angeschafft; mangels entgegenstehender Feststellungen oder sonstiger Umstände ist davon auszugehen, daß die Kl. mit den Anschaffungen einverstanden gewesen ist. Da der angeschaffte Hausrat im Haushalt der Parteien verwendet worden ist, hat die Kl. daran auch (Mit-) Besitz erlangt, und zwar - wenn die Einigung Miteigentum der Parteien zum Ziel hatte - mit dem Willen des Veräußerers. In diesem Fall ist daher die zum Eigentumsübergang nach § 929 S. 1 BGB weiter erforderliche Übergabe auch an sie erfolgt.“ (BGH Urt. v. 13.3.1991 – XII ZR 53/90)

 

Fraglich ist, welche Bedeutung es hat, dass es sich bei den erworbenen Flaschen um Pfandflaschen handelte. Insoweit unterscheidet der BGH zwischen Einheitsmehrwegflaschen und Individualmehrwegflaschen. Dazu hat er in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 ausgeführt:

„Die Beantwortung der Frage, ob beim Verkauf von Getränken in mehrfach verwendeten Pfandflaschen auch das Eigentum an der Flasche übertragen wird, hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der ihr folgenden herrschenden Auffassung in der Literatur entscheidend davon ab, ob die verwendete Flasche auf Grund einer dauerhaften Kennzeichnung als Eigentum eines bestimmten Herstellers oder Vertreibers ausgewiesen ist, ob sie einer Herstellergruppe zugeordnet werden kann oder ob es sich um eine so genannte Einheitsflasche handelt, die keine Individualisierungsmerkmale aufweist und von unbestimmt vielen Herstellern verwendet wird. Werden Getränke in derartigen Einheitsflaschen verkauft, erstreckt sich der Eigentumsübergang nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Flasche selbst Dies gilt gleichermaßen auf allen Vertriebsstufen und selbst dann, wenn der Hersteller/Vertreiber in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Eigentumserwerb an der Flasche ausdrücklich ausgeschlossen hat. Eine solche Vereinbarung wäre auf ein unmögliches und unzulässiges Verhalten gerichtet und deshalb unbeachtlich. Denn durch die Vermengung von Flaschen verschiedener Hersteller kommt es zwangsläufig zu einem gesetzlichen Eigentumsverlust des einzelnen Herstellers (§§ 948 I, 947 I BGB). Mit der Rückgabe von Flaschen gleicher Art und Güte, die jedenfalls im Miteigentum eines anderen Herstellers stehen könnten, würde in dessen Eigentumsrechte eingegriffen.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die verwendeten Mehrwegflaschen dauerhaft so gekennzeichnet sind, dass sie sich von Flaschen anderer Hersteller/Vertreiber unterscheiden und eindeutig als Eigentum eines bestimmten Herstellers erkennbar sind. Bei derartigen Individualflaschen verbleibt das Eigentum an den Flaschen beim Hersteller/Vertreiber und wird auch auf den nachfolgenden Handelsstufen nicht an den Erwerber des Flascheninhalts übertragen.“ (BGH Urt. v.9. 7.2007 – II ZR 233/05)

Nach Ansicht des Landgerichts Arnsberg komme es auf diese Abgrenzung letztlich nicht an, da sie nur die Flasche betreffe. Hier sei sauber zu trennen zwischen Inhalt, Flasche und Kronkorken. An dem Kronkorken bestehe – anders als an der Pfandflasche – kein Rückführungswille des Herstellers bzw. Vertreibers:

„Im vorliegenden Fall ist zumindest stillschweigend eine Miteigentumsgemeinschaft aller Beteiligten an dem streitgegenständlichen Kronkorken begründet worden, da die Bierkästen samt Inhalt – was zwischen den Parteien auch unstreitig ist - für die Gemeinschaft erworben wurden und allen Beteiligten im Rahmen eines gemeinsamen Umtrunks zu Gute kommen sollten. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob bei dem Verkauf von Getränken in Pfandflaschen auch das Eigentum an der Flasche auf den Erwerber übertragen wird oder dieses beim Hersteller verbleibt (vgl. hierzu auch BGH Urteil v. 09.07.2007 - II ZR 233/05 m.w.N. - juris). Denn nach Trennung von Flasche und Korken – wie vorliegend der Fall – ist jedenfalls das (Mit)Eigentum an dem Korken auf die Klägerin übergegangen, da der Hersteller an der Rückführung des Korkens offensichtlich kein Interesse mehr hat.“

Auch liege in dem Weglegen des Kronkorkens durch H keine Eigentumsaufgabe nach § 959 BGB. Es fehle jedenfalls an der dafür erforderlichen Zustimmung aller Gemeinschaftsteilhaber:

„Das Eigentum an dem streitgegenständlichen Kronkorken wurde auch nicht durch Werfen oder Legen des Korkens auf den Tisch im Sinne von § 959 BGB aufgegeben. Eine Eigentumsaufgabe scheitert bereits daran, dass der Beteiligte Herr H nicht einseitig einen Verzicht für die komplette Bruchteilsgemeinschaft erklären konnte, da hierfür ein einstimmiger Beschluss oder eine Vereinbarung aller Gemeinschaftsteilhaber erforderlich gewesen wäre (vgl. Palandt 16. Aufl. 2016, § 959 Rdn. 1; BGH, Beschluss v. 10.05.2007 – V ZB 6/07 –juris). Eine solche übereinstimmende Willenserklärung aller Beteiligten ist weder vorgetragen noch erkennbar.“

Damit besteht an dem Gewinnerkronkorken Miteigentum und damit eine Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB.

 

b. Pflichtverletzung

Nach § 749 I BGB kann jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen.

In dem Einlösen des Kronkorkens liegt zugleich eine Übereignung des Kronkorkens an „L.“. Nach dem Bearbeitervermerk ist anzunehmen, dass der Kronkorken an „L.“ übereignet wurde, um den Gewinn zu erhalten (§ 657 BGB). Die fehlende Berechtigung des B (§ 747 S. 2 BGB) wird durch einen gutgläubigen Erwerb der „L.“ überwunden (§§ 929 S. 1, 932 BGB). Auch § 935 I BGB dürfte dem nicht entgegenstehen. Dafür, dass K gegen den Willen der anderen Mitbesitzer Alleibesitz an dem Kronkorken begründet hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Damit ist der Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft an dem Kronkorken nachträglich unmöglich geworden (§ 275 BGB).

 

c. Vertretenmüssen

Das Vertretenmüssen wird vermutet (§ 280 I 2 BGB). Für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des B bestehen keine Anhaltspunkte.

 

d. Schaden

Der Aufhebungsanspruch der B wäre nicht auf Teilung in Natur (§ 752 BGB), sondern auf Verkauf des Kronkorkens gerichtet gewesen (§ 753 BGB). Hätten die Beteiligten den Kronkorken verkauft, ist anzunehmen, dass ein Verkaufspreis in Höhe von 20.000 Euro erzielt worden wäre, weil der Kronkorken letztlich den Wert des Pkw „verkörpert“. Insoweit steht der K von diesem hypothetischen Verkaufserlös 1/5, also 4.000 Euro zu (§ 252 BGB).

 

3. Anspruch aus §§ 280 I, 745 II BGB

Das Landgericht leitet einen Anspruch aus §§ 280 I, 745 II BGB her. Die Verwaltung des im Miteigentum stehenden Kronkorkens stehe den Teilhabern gemeinschaftlich zu (§ 744 I BGB). Jeder Teilhaber habe einen Anspruch darauf, dass die gemeinschaftliche Sache im Interesse aller Teilhaber verwaltet und benutzt werden (§ 745 II BGB).

Diese Grenzen habe B überschritten, indem er den Kronkorken für sich alleine eingelöst habe. Zwar sei – abweichend von § 660 I BGB – in den Gewinnspielbedingungen die gemeinschaftliche Beteiligung mehrerer Berechtigter ausgeschlossen gewesen. Die Gemeinschaft hätte aber – so das Landgericht – einen Treuhänder bestellen können, der den Gewinn einlöst und sodann das Auto an die Teilhaber zu Miteigentum übereignet:

„Der Beklagte hat den Kronkorken auch unter Verletzung des Gebrauchsrechtes der anderen Teilhaber  genutzt und damit gegen § 745 Abs.2 BGB verstoßen. Eine Vereinbarung oder ein Mehrheitsbeschluss zur Nutzung des Gewinnkorkens ist nicht vorgetragen worden. Indem der Beklagte den Kronkorken durch Verwendung des aufgedruckten Gewinncodes als Schlüssel zum Gewinn genutzt hat,  hat er von dem Kronkorken Gebrauch gemacht. Dies geschah unter Verletzung des Rechts der anderen Teilhaber zum Mitgebrauch, weil der Beklagte den Gewinn für sich allein vereinnahmt und die anderen Teilhaber von dieser Möglichkeit ausgeschlossen hat. Da der Beklagte nur Mitberechtigter an dem Kronkorken war, hätte er den Gewinn allenfalls für die Gemeinschaft beanspruchen können, so dass eine alleinige Nutzung des Korkens einen Verstoß gegen § 745 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. hierzu mit ähnlicher Begründung BGH Urteil v. 27.09.2016 a.a.O.). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Gewinnspielbedingungen unter Ziff. 1 eine „natürliche Person“ vorschreiben. Denn es wäre für die Gemeinschaft möglich gewesen, einen Treuhänder zu beauftragen, der die Gewinnansprüche für die Gemeinschaft geltend macht und den Gewinn für alle entgegennimmt.“

 

Daraus ergebe sich ein Schadensersatzanspruch der K in Höhe von 1/5 des Erlöses:

Der Ersatzanspruch umfasst dabei auch die Verpflichtung zum Ausgleich sämtlicher Vermögensnachteile und schließt auch den Ausgleich entgangener Vorteile ein, die durch die ungerechtfertigte Alleinnutzung gezogen wurden (vgl. BGH Urteil v. 27.09.2016 a.a.O.).“

 

4. Anspruch aus §§ 677, 678 BGB oder §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB

Für einen Fremdgeschäftsführungswillen des B, der den Kronkorken ausdrücklich für sich alleine eingelöst hat, bestehen keine Anhaltspunkte, weswegen Ansprüche aus einer GoA ausscheiden (§ 687 I BGB).

 

5. Anspruch aus §§ 985, 285 BGB

Um die §§ 987 ff. BGB nicht zu umgehen, kommt eine Anwendung des § 285 BGB auf § 985 BGB nach h.M. nicht in Betracht.

 

6. Anspruch aus §§ 989, 990 BGB

Miteigentümer können voneinander (nur) die Einräumung von Mitbesitz (§ 866 BGB) verlangen. Daher spricht viel dafür, Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB unter Miteigentümern auszuschließen und die allgemeinen Regeln des Bereicherungs- und Deliktsrechts anzuwenden.

 

7. Anspruch aus § 823 I BGB

Der Regelungsbereich der §§ 987 ff. BGB ist nicht eröffnet, sodass § 993 I BGB einem Anspruch aus § 823 I BGB nicht entgegensteht. Durch die Übereignung des Kronkorkens hat B das Miteigentum der K schuldhaft und widerrechtlich verletzt. Der Wert des Gewinnerkronkorkens dürfte dem Wert des Pkw entsprechen, weswegen K einen Anspruch auf 1/5 des Wertes hat (§ 251 I BGB).

8. Anspruch aus § 816 I 1 BGB

B hat als Nichtberechtigter (§ 747 S. 2 BGB) über den Kronkorken verfügt. Diese Verfügung war auch der K ggü. wirksam (§§ 929, 932 BGB) – sie verlor ihren Miteigentumsanteil.

Auf die Frage, ob § 816 I 1 BGB lediglich einen Anspruch auf den objektiven Wert oder auch einen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns gewährt, dürfte es nicht ankommen, wenn man den objektiven Wert des Kronkorkens mit 20.000 Euro festsetzt. Dafür spricht die Überlegung, dass der Kronkorken letztlich den Wert des Pkw „verkörpert“.

K war Miteigentümerin zu 1/5, weswegen ihr 1/5 des Anspruchs aus § 816 I 1 BGB zusteht.

 

9. Anspruch aus §§ 687 II, 678 BGB oder §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB

Für eine positive Kenntnis des B von der Mitberechtigung der K (und der weiteren Beteiligten) gibt es keine Anhaltspunkte.

 

II. Ansprüche wegen Veräußerung des Pkw

Ansprüche der K wegen Veräußerung des Pkw durch B dürften ausscheiden. K dürfte keine Rechte an dem Pkw erworben haben. Der Pkw wurde von „L.“ an B zu dessen Alleineigentum übereignet (§ 929 S. 1 BGB). Eine dingliche Surrogation kennt das Recht der Bruchteilsgemeinschaft nicht. Soweit zum Teil eine analoge Anwendung von § 718 II BGB vertreten wird, findet der nur auf Ersatzansprüche Anwendung, aber nicht auf den Pkw. Auch handelt es sich bei dem Pkw nicht um ein Erzeugnis oder Bestandteil des Kronkorkens im Sinne der §§ 953 ff. BGB.

 

C. Fazit

Ein skurriler und lehrreicher Fall, dessen Ergebnis einleuchten dürfte. Um die „richtige“ Begründung dürfte indessen lebhaft gestritten werden, weil er eine Vielzahl von nicht einfachen Rechtsfragen aufwirft. Die obige Darstellung soll einige Lösungsgesichtspunkte aufzeigen und dazu ermuntern, sich alleine oder in einer privaten AG mit dem Fall zu befassen und seine Lösung zu diskutieren. Dabei sei auch darauf hingewiesen, dass der Fall in tatsächlicher Hinsicht mehrere Interpretationen ermöglicht, die durchaus zu unterschiedlichen rechtlichen Erwägungen führen können. Der Bearbeitervermerk geht etwa davon aus, dass B den Kronkorken an „L.“ übereignet hat. Zwingend ist das nicht, der Sachverhalt des LG Arnsberg ist dazu nicht ganz eindeutig. Hätte B den Kronkorken nicht übereignet, würde die Bruchteilsgemeinschaft an dem Kronkorken grundsätzlich fortbestehen, wobei sich die Frage stellen würde, was mit ihm passiert ist. Ansprüche, die an die nichtberechtigte Übereignung anknüpfen (§§ 816 I 1, 823 I BGB), würden dann ausscheiden; es bliebe aber jedenfalls ein Anspruch aus §§ 280 I, 745 II BGB.