Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
V besitzt ein großes Grundstück, auf dem sein Sohn S eine Werkstatt hat und es an diesen verpachtet. Die andere Grundstückshälfte ist leerstehend. S würde dieses Grundstück gerne haben und für sich ein Einfamilienhaus darauf errichten. Daher vereinbaren V und S ein Vorkaufsrecht des S, das auch notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen wird.
V beginnt mit dem Bau von Mehrfamilienhäusern, die er teilweise vermieten will. Auch eine Wohnung für S ist vorgesehen. Davon ist S nicht begeistert, weil er lieber ein einzelnes Einfamilienhaus für sich hätte. Nach Beginn des Bauvorhabens nimmt V ein Darlehen bei der B-Bank in Höhe von 35.000€ auf. Für die Mehrfamilienhäuser bestellt V 6 Heizkörper beim Unternehmer U, die zugeliefert werden und unter Eigentumsvorbehalt stehen. Ein Heizkörper wird probeweise in die Wohnungen eingebaut, die anderen 5 nicht.
Der Freund F von V erfährt von dem Bauvorhaben und möchte das Grundstück für sich. V erzählt seinem F von dem Vorkaufsrecht, doch dieser überzeugt ihn, das Grundstück an ihn für 150.000€ zu verkaufen. Die beiden gehen zum Notar und erklären die Einigung. Der Notar weist ausdrücklich darauf hin, dass ein Vorkaufsrecht des S bestehe. Dennoch einigen sich V und F vor dem Notar auf einen Kaufpreis von 120.000€, um Kosten zu sparen. Der eigentliche Kaufpreis beträgt weiterhin 150.000€. V teilt dem S von dem Verkauf mit, der kann jedoch die Summe des Kaufpreises nicht aufbringen und macht von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch. Dies war von V und F von Anfang an so geplant.
Auf einer Familienfeier kommt es zum Streit zwischen V und S. Im Zuge dessen wirft S dem V vor, Steuern zu hinterziehen. Daraufhin bekommt V ein schlechtes Gewissen und lässt zusammen mit F den Kaufpreis vor dem Notar auf 150.000€ ändern. F bezahlt den vollen Kaufpreis und wird als Eigentümer des Grundstückes im Grundbuch eingetragen. F teilt dies dem S auch mit. Währenddessen ist S doch noch durch ein Erbe seiner Frau zu Geld gekommen und möchte jetzt sein Vorkaufsrecht ausüben. Seit F und V das erste Mal beim Notar waren, sind mehr als 6 Monate vergangen. Nicht aber seit der Änderung des Kaufvertrages auf 150.000€ und nicht seit der Auflassung. F ist der Meinung, das sei nicht mehr möglich, da er im Grundbuch als Eigentümer stehe.
Frage 1: Kann S Eigentum an dem Grundstück erlangen?
Frage 2: Kann S Übereignung der sechs Heizkörper verlangen?
Frage 3: Kann F von V den Kaufpreis zurückverlangen?
Abwandlung:
Wie ändert sich die Rechtslage, wenn S und V ein Preislimit von 100.000€ eingetragen hätten?
Unverbindliche Lösungsskizze:
Ausgangsfall
Frage 1: Kann S Eigentum an dem Grundstück erlangen?
A. S gegen V auf Übereignung des Grundstücks, §§ 433 I 1, 463 BGB
I. Einräumung eines Vorkaufsrechts, §§ 463 ff. BGB (+)
II. Vorkaufsfall
-> (Wirksamer) Kaufvertrag zwischen Verpflichtetem (V) und Dritten (F)
- Erste Übereinkunft
a) Einigung (+)
b) Wirksamkeit
(-); Arg.: §§ 117 I , II, 125 S. 1, 311b I 1 BGB
- Zweite Übereinkunft
a) Einigung (+)
b) Zweite Übereinkunft
-> § 125 S. 1, 311b I 1 BGB (+)
III. Ausübung des Vorkaufsrechts durch S (+)
-> Formlos möglich, § 464 I 2 BGB
IV. Einhaltung der Ausübungsfrist, § 469 II BGB
-> 2 Monate ab Mitteilung (+); Arg.: bei Unwirksamkeit des ersten Kaufvertrages ist der zweite Kaufvertrag maßgeblich (a.A. vertretbar)
II. Anspruch nicht erloschen
-> Unmöglichkeit, § 275 I BGB wegen Übereignung des Grundstücks an F, §§ 873, 925 BGB
Einigung (+)
Eintragung des F (+)
Einigsein zum Zeitpunkt der Eintragung (+)
Berechtigung (+)
Relative Unwirksamkeit der Übereignung gegenüber S, §§ 1098 II, 883 II BGB
-> Voraussetzung: Dingliches Vorkaufsrecht, §§ 1094 ff. BGB
a) Einigung (+)
b) Eintragung (+)
c) Einigsein zum Zeitpunkt der Eintragung (+)
d) Berechtigung (+)
e) Rechtsfolge: Relative Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen, § 883 II BGB
III. Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Ergebnis: (+)
B. S gegen F auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, §§ 1098 II, 888 BGB
I. Eintragung des F (+)
II. Dingliches Vorkaufsrecht des S (+)
III. Ergebnis: (+)
Frage 2: S gegen V auf Übereignung der Heizkörper, § 433 I 1 BGB
I. Anspruch entstanden
-> Voraussetzung: Erstreckung des Vorkaufsrechts auch auf Zubehörstücke
-> Im Zweifel: (+), § 1096 BGB
-> Zubehör, § 97 BGB
Bewegliche Sachen (+)
Kein Bestandteil
Bzgl. des eingebauten Heizkörpers (+); Arg.: nur Scheinbestandteil, § 95 I, II BGB (a.A. vertretbar)
Bzgl. der 5 nicht eingebauten Heizkörper: (+)
- Räumliches Verhältnis zur Hauptsache
Hier: Alle Heizkörper auf dem Grundstück
- Wirtschaftliche Zweckbestimmung
Hier: Bewohnbarkeit des Hauses
- Verkehrsanschauung
Hier: Heizung gehört zum Haus
- Einfluss des Eigentumsvorbehalts
- Hier: Kein Einfluss; Arg.: Eigentumsvorbehalt ändert nichts an der schuldrechtlichen Verpflichtung, das Eigentum zu übertragen
II. Anspruch nicht erloschen
-> Unmöglichkeit, § 275 I BGB (-); Arg.: V zwar nur Anwartschaftsberechtigter und nicht Eigentümer, aber Eigentumsübertragung gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB, abgesichert durch §§ 1098 II, 883 II BGB, noch möglich
III. Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Ergebnis: (+)
Frage 3: F gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises, § 812 I 2 1. Fall BGB
I. Etwas erlangt
Hier: Kaufpreis
II. Durch Leistung
Hier: Zahlung zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit aus dem Grundstückskaufvertrag
III. Wegfall des Rechtsgrundes
Hier: Durch Ausübung des Vorkaufsrechts ist S in die Position des Käufers F getreten
IV. Rechtsfolge: Herausgabe
-> Wertersatz, § 818 II BGB
V. Kein Ausschluss
Hier: Beim dinglichen Vorkaufsrecht kann der berichtigte Kaufpreis nicht herausverlangt werden, § 1102 2. Hs. BGB
- Eventuelle Korrektur über § 242 BGB (-); Arg.: Sachenrecht zwingendes Recht
VI. Ergebnis: (-)
Abwandlung: Vereinbarung eines Preislimits von 100.000 Euro
Die Vereinbarung eines Preislimits im Verhältnis V und S ist im Rahmen eines Vorkaufsrechts schuldrechtlich möglich; Arg.: Vertragsfreiheit im Schuldrecht. Im Sachenrecht führt dies zur Unwirksamkeit; Arg.: Sachenrecht ist zwingendes Recht (a.A. vertretbar). Für die gestellten Fragen bedeutete dies:
Frage 1: Der Anspruch S gegen V auf Übereignung scheitert aufgrund der wirksamen Übereignung an F an der dadurch eingetretenen Unmöglichkeit, § 275 I BGB.
Frage 2: Der Anspruch des S gegen V auf Übereignung der Heizkörper scheitert aus selbigem Grund.
Frage 3: Der Anspruch des F gegen den V aus Rückzahlung des Kaufpreises ist nicht ausgeschlossen; Arg.: Bei einem bloß schuldrechtlichen Vorkaufsrecht gilt der Ausschlussgrund des § 1102 2. Hs. BGB systematisch nicht.
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