
Beginnt die Verjährung eines Bauhandwerkersicherheitsanspruchs mit Verlangen oder mit Abschluss des Jahres?
Die Bauhandwerkersicherung ist seit dem 01.01.2018 in § 650f BGB geregelt. In der Entscheidung ging es noch um das alte Recht. Nach § 650f I 1 BGB kann der Unternehmer von dem Besteller Sicherheit i.H.v. 10 % der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung verlangen. Beginnt die Verjährung dann taggenau mit dem Zeitpunkt des Verlangens oder nach § 199 I BGB erst am Schluss des Jahres?
A. Sachverhalt
Die Klägerin K ist Unternehmerin und schloss mit der Beklagten B im Jahr 2015 einen Generalplanervertrag zur Erbringung von Planungsleistungen für den Umbau von Gewerbebebauung in zwei Wohngebäude für Studierende. Mit Schreiben vom 15.10.2018 forderte K von B eine Bauhandwerkersicherung i.H.v. 1.443.590,21 Euro. Ende Oktober kündigte B den Vertrag fristlos aus wichtigem Grund wegen vermeintlicher Pflichtverletzungen. Mit Klage vom 25.11.2021 verlangte K von B die Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. insgesamt 4.318.313,55 Euro (also die 1.443.590,21 Euro und zusätzlich 2.874.723,34 Euro). B hat daraufhin die Einrede der Verjährung erhoben.
K verlangt von B die Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. insgesamt 4.318.313,55 Euro.
B. Entscheidung
K verlangt von B die Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. insgesamt 4.318.313,55 Euro nach § 650f I 1 BGB.
I. Abgrenzung Werkvertrag, Architektenvertrag, Bauträgervertrag und Bauvertrag
Der Werkvertrag nach § 631 BGB ist, wenn es um Bauwerke geht, von einem Architektenvertrag nach § 650p BGB, einem Bauträgervertrag nach § 650u BGB und einem Bauvertrag nach § 650a BGB abzugrenzen. (Die Abgrenzung war nicht Gegenstand der Entscheidung.)
1. Allgemeines
Das Werkvertragsrecht ist in Untertitel in den §§ 631 f. BGB geregelt und ein spezieller Werkvertrag ist der Bauvertrag nach § 650a f. BGB. Eigenständige Vertragstypen sind daneben der in Untertitel 2 geregelte Architekten- und Ingenieurvertrag nach §§ 650p f. BGB und der im 3. Untertitel von § 650u BGB erfasste Bauträgervertrag.
2. Abgrenzung
Bei einem Werkvertrag nach § 631 BGB ist ein bestimmter Erfolg geschuldet wie z.B. ein Garagentor zu reparieren. Gem. § 650a I 1 BGB ist ein Bauvertrag ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Ein Bauträgervertrag ist hingegen nach § 650u I 1 BGB ein Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und der zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu übertragen. Bei einem Architekten- oder Ingenieurvertrag nach § 650p I BGB wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. K sollten aufgrund eines Generalplanervertrages Planungsleistungen für den Umbau von Gewerbebebauung in zwei Wohngebäude für Studierende erbringen. Damit handelt es sich um einen Architektenvertrag nach § 650p I BGB. Auf diesen findet nach § 650q I BGB auch unter anderem die Vorschrift des § 650f BGB (Bauhandwerkersicherung) Anwendung.
II. Entstehung Anspruch Bauhandwerkersicherung
Gem. § 650f I 1 BGB kann der Unternehmer von dem Besteller Sicherheit für die vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung, die mit 10 % des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Der Anspruch von K als Unternehmer gegen B als Besteller zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. insgesamt 4.318.313,55 Euro nach § 650f I 1 BGB ist entstanden.
III. Untergang
B hat keine Sicherheit geleistet. Somit ist der Anspruch nicht untergegangen.
IV. Durchsetzbarkeit
Der Anspruch ist jedoch nicht durchsetzbar, wenn er einredebehaftet ist und diese Einrede von B im Prozess erhoben wurde. Zu unterscheiden ist zwischen vorübergehenden (dilatorischen) Einreden wie z.B. dem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und dauerhaften (peremptorischen) Einreden wie beispielsweise der Verjährung nach § 214 I BGB. B hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f I 1 BGB könnte sich nach dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB oder der zehnjährigen Verjährungsfrist bei Rechten an einem Grundstück nach § 196 BGB richten.
1. Verjährung nach § 196 BGB
Gem. § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Insofern könnte die speziellere Norm des § 196 BGB die Grundnorm des § 195 BGB verdrängen. Allerdings
handelt es sich bei diesem Sicherungsanspruch nicht um einen Anspruch auf Begründung eines Rechts an einem Grundstück …
Folglich ist nicht die Vorschrift des § 196 BGB maßgeblich.
2. Verjährung nach § 195
Vielmehr richtet sich die Verjährung nach der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Fraglich ist jedoch, ob diese Frist mit dem Schluss des Jahres nach § 199 I BGB beginnt oder schon taggenau mit dem Verlangen auf Stellung der Bauhandwerkersicherung. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt
taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit. Das folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2, § 696 Satz 3 BGB auf diesen Anspruch. Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, findet daher keine Anwendung.
Es handelt sich bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f I 1 BGB um einen sogenannten verhaltenen Anspruch, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der Schuldner die Leistung nicht bewirken darf, bevor der Gläubiger sie verlangt und folglich Entstehung und Verlangen zeitlich auseinanderfallen können. Die Verjährung verhaltener Ansprüche beginnt aufgrund analoger Anwendung der §§ 604 V, 695 S. 2, 696 S. 3 BGB mit der Geltendmachung des Anspruchs. Dabei setzt eine Analogie
eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes und eine vergleichbare Interessenlage…
voraus.
a) Regelungslücke
Es gibt für den Anspruch aus § 650f I 1 BGB keine spezielle Regelung hinsichtlich des Verjährungsbeginns, sodass eine Regelungslücke gegeben ist.
b) Vergleichbare Interessenlage
Ferner ist eine vergleichbare Interessenlage gegeben.
Nach der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 1 BGB kommt es für den Verjährungsbeginn auf die Entstehung des Anspruchs an. Entstanden in diesem Sinne ist ein Anspruch, wenn er vom Gläubiger im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich die Fälligkeit, die dem Gläubiger im Falle eines Leistungsanspruchs die Möglichkeit einer Leistungsklage verschafft … Dies bedeutet bezogen auf verhaltene Ansprüche, dass zwar die Erfüllbarkeit der Forderung von der Geltendmachung durch den Gläubiger abhängt, nicht jedoch … die Entstehung beziehungsweise Fälligkeit des Anspruchs …
c) Planwidrigkeit
Des Weiteren ist von einer Planwidrigkeit der Regelungslücke auszugehen.
Ein unterschiedlicher Verjährungsbeginn für die Ansprüche nach § 604 Abs. 3, § 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB einerseits und für den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB andererseits entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Insbesondere kann aus dem Fehlen einer eigenen Regelung über den Verjährungsbeginn verhaltener Ansprüche im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs … nicht der Schluss gezogen werden, dass nur für die Ansprüche aus der Leihe (§ 604 Abs. 3 BGB) und der Verwahrung (§ 695 Satz 1, § 696 Satz 1 BGB) aufgrund der besonderen Regelungen in § 604 Abs. 5, § 695 Satz 2 und § 696 Satz 3 BGB die Verjährung abweichend von § 199 Abs. 1 BGB beginnen solle.
Zwischenergebnis
Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt schon taggenau mit dem Verlangen auf Stellung der Bauhandwerkersicherung.
3. Umfang der Verjährung
Fraglich ist jedoch, in welcher Höhe Verjährung eingetreten ist. Zwischen der Geltendmachung der Bauhandwerkersicherung i.H.v. 1.443.590,21 Euro vom 15.10. 2018 und der Klage vom 25.11.2021 liegen mehr als drei Jahre, sodass dieser Anspruch verjährt ist. Im Übrigen ist der Anspruch i.H.v. 2.874.723,34 Euro, welcher mit der Klage am 25.11.2021 geltend gemacht wurde, jedoch nicht verjährt.
Die Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung … beginnt nur in der jeweils geforderten Sicherheitshöhe taggenau mit Geltendmachung zu laufen, nicht jedoch einheitlich auch für die Sicherung der übrigen vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung.
Es
beginnt die Verjährungsfrist nur in der Höhe zu laufen, in der die Sicherheit verlangt wird. Dies folgt aus dem Wesen des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung als verhaltenem Anspruch. Nicht nur das “Ob”, sondern auch die Höhe der verlangten Sicherheit steht innerhalb der Grenzen … im Belieben des Unternehmers.
Ergebnis
K kann von B die Stellung einer Bauhandwerkersicherung i.H.v. insgesamt 4.318.313,55 Euro (also die 1.443.590,21 Euro und zusätzlich 2.874.723,34 Euro) gem. § 650f I 1 BGB verlangen. Dieser ist jedoch aufgrund der Verjährung i.H.v. 1.443.590,21 Euro nicht durchsetzbar.
C. Prüfungsrelevanz
Die Abgrenzung von verschiedenen Vertragstypen wie einem Werkvertrag nach § 631 BGB, einem Architektenvertrag nach § 650p BGB, einem Bauträgervertrag nach § 650u BGB und einem Bauvertrag nach § 650a BGB war keine Problematik des Falles, ließe sich aber ohne Weiteres in eine Klausur einbauen. Der BGH hat sich bei dem taggenauen Verjährungsbeginn bezüglich des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f I 1 BGB intensiv mit einer Analogie zu anderen Vorschriften auseinandergesetzt.
(BGH Urt. v. 21.11.2024 – VII ZR 245/23)
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