
Sofern in einem Grundstücksübertragungsvertrag ein Anspruch des Veräußerers auf Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück als höchstpersönlich bezeichnet wird, stellt sich die Frage, ob eine Stellvertretung bei der Geltendmachung des Anspruchs dennoch möglich ist.
A. Sachverhalt
Die Kläger K übertrugen 2012 das Eigentum an ihrem Hausgrundstück unentgeltlich auf ihren Sohn und ließen sich im Gegenzug ein lebenslanges Wohnungsrecht an der Wohnung im Erdgeschoss einräumen. Der Sohn bewohnte mit seiner Familie, seiner Frau -der Beklagten B- und seinen Kindern, das 1. Obergschoss des Hauses. In dem Vertrag wurde unter der Überschrift „Rückauflassungsanspruch“ Folgendes vereinbart:
Der Veräußerer ist berechtigt, den Vertragsgrundbesitz vom Erwerber unentgeltlich zurückzuverlangen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen eintritt:
a) Der Erwerber vor dem Letztversterbenden der beiden Veräußerer verstirbt.
Der Anspruch ist höchstpersönlicher Natur und nur übertragbar und vererblich, wenn er vom Veräußerer zu Lebzeiten geltend gemacht wurde.
Der Anspruch kann nur mittels eingeschriebenem Brief binnen eines Jahres nach Kenntnis vom Vorliegen des Anspruchsgrundes geltend gemacht werden.
2021 verstarb der Sohn. Er wurde von B beerbt. Einen Monat nach dem Tod des Sohnes verlangte die Rechtsanwältin R als Stellvertreterin für K per eingeschriebenem Brief die Rückübereignung des Grundstücks.
K begehren von B die Rückübereignung des Grundstücks.
B. Entscheidung
K machen insofern einen entsprechenden vertraglich vereinbarten Rückübereignungsanspruch bezüglich des Grundstücks geltend.
I. §§ 311 I, 241 I BGB
K könnten von B die Rückübereignung des Grundstücks nach §§ 311 I, 241 I BGB verlangen.
Dann müsste der Anspruch zunächst entstanden sein. Das setzt einen im Rahmen des Grundstücksübertragungsvertrages vereinbarten vertraglichen Anspruchs auf Rückübereignung des Grundstücks voraus. Die K haben mit ihrem Sohn in dem notariell beurkundeten Grundstücksübertragungsvertrag für sich einen Rückübereignungsanspruch hinsichtlich des Grundstücks vereinbart für den Fall, dass ihr Sohn vor ihnen stirbt.
1. Aufschiebende Bedingung, § 158 I BGB
Hierbei könnte es sich um eine aufschiebende Bedingung nach § 158 I BGB handeln. Sofern ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen wird, so tritt nach dieser Vorschrift die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. Eine Bedingung ist ein zukünftiges, ungewisses, tatsächliches Ereignis. Ob der Sohn vor dem K stirbt, war ein zukünftiges, ungewisses und tatsächliches Ereignis. Dementsprechend stand der Rückübereignungsanspruch der K unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 158 I BGB. Mit dem Tod des Sohnes im Jahr 2021 zu Lebzeiten der K war die Bedingung eingetreten.
2. Form des § 311b I 1 BGB
Die erforderliche Form des Rückübereignungsanspruchs in notariell beurkundeter Form nach § 311b I 1 BGB wurde eingehalten.
Zwischenergebnis
Dementsprechend ist der Anspruch von K gegen B auf Rückübereignung des Grundstücks nach §§ 311 I, 241 I BGB entstanden. Der Anspruch ist nicht untergegangen.
II. Durchsetzbarkeit
Um durchsetzbar zu sein, müsste der Anspruch innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anspruchsgrundes geltend gemacht worden sein. Die Rechtsanwältin hat einen Monat nach dem Tod des Sohnes als Stellvertreterin für K per eingeschriebenem Brief die Rückübereignung des Grundstücks verlangt. Fraglich ist, ob dies wirksam war oder ob K den Anspruch hätten höchstpersönlich geltend machen müssen.
1. Höchstpersönlichkeit
Sofern in einem Grundstücksübertragungsvertrag ein Rückübereignungsanspruch als „höchstpersönlich“ bezeichnet wird, steht dies der Geltendmachung durch einen Stellvertreter grundsätzlich nicht entgegen. Allerdings kann
die Befugnis, sich bei rechtsgeschäftlichem Handeln durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen sein
Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Die rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungsmacht bezeichnet das Gesetz als Vollmacht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Befugnis, sich durch einen Bevollmächtigten bei der Abgabe einer Willenserklärung vertreten zu lassen, wird durch das Gesetz insbesondere dort ausgeschlossen, wo es auf die höchstpersönliche Abgabe der Willenserklärung ankommt. Solche Vertretungsverbote finden sich vor allem bei familien- und erbrechtlichen Rechtsgeschäften, etwa bei der Eheschließung (§ 1311 Satz 1 BGB), bei letztwilligen Verfügungen (§§ 2064, 2274, 2284 BGB), beim Erbverzicht (§ 2347 Satz 1 BGB) und beim Rücktritt vom Erbvertrag (§ 2296 Abs. 1 BGB) sowie etwa bei Erklärungen zu Vaterschaft, elterlicher Sorge und Adoption…
Die Befugnis, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, ist auch durch Rechtsgeschäft abdingbar…
Einen Ausschluss der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung enthält der Grundstücksübertragungsvertrag aber nicht.
a) Wortlaut
Schon der Wortlaut der Vereinbarung spricht gegen die Vereinbarung des Ausschlusses der Stellvertretung. Dabei muss unterschieden werden zwischen der Höchstpersönlichkeit eines Rechtsgeschäfts und der Höchstpersönlichkeit eines Anspruchs.
Während die Qualifizierung eines Rechtsgeschäfts als „höchstpersönlich“ zum Inhalt hat, dass die Willenserklärung persönlich abgegeben werden muss und die Stellvertretung durch einen Bevollmächtigten ausgeschlossen ist, hat die Bezeichnung eines Anspruchs als „höchstpersönlich“ regelmäßig keine auf die Stellvertretung bezogene Bedeutung.
Ein höchstpersönlicher Anspruch ist dadurch gekennzeichnet, dass er aufgrund seiner Natur oder der Natur des Rechtsverhältnisses nicht abtretbar ist (§ 399 Alt. 1 BGB; vgl. hierzu Senat, Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 9/09). Hierzu zählen etwa Unterhaltsansprüche nach Ehescheidung, Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern und Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts…
Der Umstand, dass ein höchstpersönlicher Anspruch nicht an einen Dritten abtretbar ist, ändert indes nichts daran, dass er für den Anspruchsinhaber durch einen von ihm bevollmächtigten Dritten, namentlich einen Rechtsanwalt, außergerichtlich und gerichtlich geltend gemacht werden kann.
Vorliegend ist der Rückübereignungsanspruch
nicht als (Gestaltungs-)Recht ausgestaltet, das erst durch seine Ausübung den Rückauflassungsanspruch entstehen lässt, sondern sollte dieser Anspruch mit dem Eintritt einer der im Vertrag genannten Bedingungen ohne weiteres entstehen und lediglich seine Durchsetzbarkeit an die Einhaltung einer bestimmten Form und Frist gebunden sein.
b) Objektive Interessenlage
Auch die objektive Interessenlage spricht dafür, dass die rechtsgeschäftliche Stellvertretung bei der Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs nicht ausgeschlossen ist. Auch wenn z.B. das Kind ein Interesse daran hat, dass die Eltern selbst entscheiden und vorher für sich abwägen, ob sie einen Rückforderungsanspruch geltend machen, ist diesem Interesse
aber weitgehend Rechnung getragen, wenn der Rückauflassungsanspruch - wie hier - vor seiner Geltendmachung nicht vererbbar und nicht übertragbar und damit grundsätzlich auch nicht pfändbar (§ 851 Abs. 1 ZPO) ist …
Zudem haben die Eltern aber auch im Übrigen ein Interesse daran, sich bei der Rückforderung vertreten zu lassen. Dies ergibt sich z.B.
für den Fall, dass ein Elternteil geschäftsunfähig wird und der andere Elternteil zusammen mit dem Betreuer die Rückforderung geltend machen muss, was ausgeschlossen wäre, wenn das Rückforderungsverlangen ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft wäre…
2. Geltendmachung gegenüber der Erbin des Erwerbers
Auch wenn in dem Vertrag vereinbart wurde, dass K von dem Erwerber die Rückübereignung des Grundstücks verlangen können, ist dies natürlich im Falle des Versterbens des Sohnes gegenüber der Erbin möglich, da sie als Rechtsnachfolgerin gem. §§ 1922 I, 1967 I BGB in die Rechtsposition des Sohnes eingetreten ist. Bei anderer Auslegung liefe die Regelung des Rückübereignungsanspruchs leer.
Denn diese lässt den Anspruch erst mit dem (Vor-)Versterben des Erwerbers entstehen, setzt also denklogisch voraus, dass der Anspruch auch (bzw. in dieser Konstellation nur) gegenüber dessen Erben besteht und geltend gemacht werden kann.
Ergebnis
K können von B die Rückübereignung des Grundstücks nach §§ 311 I, 241 I BGB verlangen.
C. Prüfungsrelevanz
Die Stellvertretung nach § 164 BGB ist ein Klassiker des Prüfungsrechts. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei insbesondere um die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der „höchstpersönlichen“ Geltendmachung eines vertraglich vereinbarten Rückübereignungsanspruchs bezüglich eines Grundstücks.
(BGH Urt. v. 06.12.2024 – V ZR 159/23)
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