
OLG Bremen zur Anwendung von § 242 BGB als Auskunftsanspruch
Der Kläger hat einen Wohnwagen gekauft und den Kaufpreis durch Inzahlunggabe seines Wohnmobils geleistet. Dieses wurde von der Beklagten verkauft. Kann der Kläger nach Erklärung von Rücktritt und Anfechtung von der Beklagten Auskunft über den Weiterveräußerungspreis verlangen?
A. Sachverhalt
Der Kläger (K) nimmt die Beklagte (B) im Rahmen einer Stufenklage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Wohnwagen in Anspruch. In der vorliegenden 1. Stufe begehrt K Auskunft, um in der 2. Stufe den Zahlungsanspruch beziffern zu können.
2022 kaufte K von B einen Wohnwagen für 63.500 Euro. Er gab sein Wohnmobil in Zahlung mit einem ermittelten und festgesetzten Wert i.H.v. 75.000 Euro. Dementsprechend zahlte B an K einen Betrag i.H.v. 11.500 Euro aus.
Der Kläger behauptete in der Folge diverse Mängel am Wohnwagen und erklärte….. am 22.02.2023 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 12.05.2023 erklärte der Kläger die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.
Im Laufe des Jahres 2023 veräußerte die Beklagte das in Zahlung gegebene Wohnmobil des Klägers, ohne den hierfür erlangten Erlös mitzuteilen.
Die Voraussetzungen für Rücktritt und Anfechtung wurden von K lediglich behauptet, aber nicht dargelegt und bewiesen.
K begehrt von B Auskunft,
zu welchem Preis sie das Wohnmobil, das der Kläger bei ihr in Zahlung gegeben hatte, veräußert hat.
B. Entscheidung
K macht insofern einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen B geltend.
I. Keine vertraglichen Auskunftsansprüche
K und B haben keinen Auskunftsanspruch des K gegen B hinsichtlich eines Weiterveräußerungspreises für das Wohnmobil vereinbart. Sie haben dies weder als Teil des Kaufvertrages nach § 433 BGB getan, noch im Rahmen eines gesonderten Vertrages eigener Art (sui generis) nach §§ 311 I, 241 I BGB.
II. Kein spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch
Im Kaufrecht nach den §§ 433 f. BGB befindet sich auch kein spezialgesetzlicher Auskunftsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer für den Weiterveräußerungspreis eines in Zahlung gegebenen Gegenstandes. Auch aus den besonderen Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts nach §§ 474 f. BGB, welche grundsätzlich anwendbar wären, da K als Verbraucher nach § 13 BGB von B als Unternehmer nach § 14 I BGB eine Ware gem. § 241a I BGB –den Wohnwagen– gekauft hat, ergibt sich kein Auskunftsanspruch.
III. § 242 BGB
K könnte von B jedoch Auskunft über den Weiterveräußerungspreis des Wohnmobils aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB verlangen.
1. Voraussetzungen
Ein solcher Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben nach § 242 BGB setzt voraus, dass
die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen ….
Dabei setzt der Anspruch
nicht notwendigerweise die Existenz eines Hauptanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner voraus, auf welchen der Auskunftsanspruch bezogen ist, sondern es kann insbesondere im Rahmen einer vertraglichen Sonderbeziehung die zumindest wahrscheinliche Existenz eines solchen Hauptanspruchs genügen …. Insbesondere gilt, dass dann, wenn die begehrte Auskunft einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen soll, dieser nicht bereits dem Grund nach feststehen muss, sondern schon der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung ausreicht …. Nach diesen Grundsätzen ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt worden, dass ein Auskunftsanspruch auch hinsichtlich des Umfangs des erlangten Ersatzes zur Geltendmachung eines Anspruchs aus § 285 BGB bestehen kann …
2. Darlegung und Beweis der Voraussetzungen
Grundsätzlich muss der Auskunftsfordernde allerdings die Voraussetzungen seines Hauptanspruchs, also die Voraussetzungen für den Rücktritt und/oder die Anfechtung darlegen und beweisen. Es wird insofern vorausgesetzt,
dass der Auskunftsfordernde jedenfalls die weiteren Voraussetzungen eines solchen Anspruchs auf Herausgabe des stellvertretenden commodums - abgesehen von der Höhe des erlangten Ersatzes - darlegen und gegebenenfalls beweisen kann …, wobei der Auskunftsfordernde auch für die Erlangung eines Ersatzes an sich darlegungs- und beweisbelastet ist ….
Daraus ergibt sich, dass kein Auskunftsanspruch besteht,
wenn der Auskunftsfordernde nicht die Voraussetzungen dafür darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, überhaupt zur Herausgabe eines bestimmten Gegenstands - hier als Folge der geltend gemachten Rückabwicklung des Kaufvertrags auf der Grundlage der vom Kläger erklärten Anfechtung bzw. des Rücktritts - berechtigt zu sein. Hinsichtlich dieser weiteren Voraussetzungen des geltend zu machenden Hauptanspruchs, hier der Voraussetzungen der Erklärung einer Anfechtung oder eines Rücktritts, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die weiteren Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB gegeben wären, dass sich der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen befände und der Verpflichtete in der Lage wäre, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen.
Dementsprechend muss zunächst im Rahmen einer Beweisaufnahme geklärt werden, ob die Voraussetzungen für die Anfechtung oder den Rücktritt gegeben sind.
3. Kein Ausschluss des Auskunftsanspruchs bezüglich § 285 BGB
Ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach § 242 BGB ist jedoch nicht hinsichtlich § 285 BGB im Rahmen eines Rücktritts mit der Folge eines Rückgewährschuldverhältnisses nach § 346 I BGB ausgeschlossen.
Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass die Regelungen zur Verpflichtung des Rückgewährschuldners zur Leistung von Wertersatz bei Unmöglichkeit der Herausgabe des zurückzugewährenden Gegenstandes nach § 346 Abs. 2 S. 1 BGB und die Berechnung des Wertersatzes anhand der im Vertrag bestimmten Gegenleistung nach § 346 Abs. 2 S. 2 BGB eine abschließende Regelung der Folgen der Unmöglichkeit der Rückgewähr der empfangenen Leistung im Rückgewährschuldverhältnis darstellten und der § 285 BGB daher keine Anwendung finden könne …
Insofern hat der BGH für die Gesetzeslage vor der Schuldrechtsreform (also vor dem 01.01.2002) entschieden,
dass der Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden commodums auch im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses nach erklärtem Rücktritt vom Vertrag Anwendung findet …. Dagegen hat der Bundesgerichtshof für die Gesetzeslage nach der Schuldrechtsreform die Anwendbarkeit des § 285 BGB n.F. auf Rückgewähransprüche nach § 346 Abs. 1 BGB offengelassen und - allerdings obiter - die Argumente gegen eine solche Anwendung des § 285 BGB als beachtlich bezeichnet.
Nach Auffassung des OLG Bremen ist § 285 BGB auf im Rahmen eines Rückabwicklungsverhältnisses nach § 346 I BGB anwendbar. Zum einen spricht hierfür die Absicht des Reformgesetzgebers, dass er insofern keine Änderung der Rechtslage herbeiführen wollte.
Zudem wird in den §§ 346 f. BGB die Situation der Unmöglichkeit der Erfüllung der ursprünglichen Herausgabeverpflichtung nur im Hinblick auf den Ausschluss von Herausgabe oder Rückgewähr behandelt, ohne dass hier - anders als beispielsweise nach § 818 Abs. 1 BGB - die Frage der Möglichkeit eines stattdessen erfolgenden Abstellens auf eine Vorteilserlangung zur Anspruchsbemessung angesprochen würde, sodass auch der Norm insoweit keine Absicht der abschließenden Regelung zu entnehmen ist. Der von der Gegenauffassung herangezogene Vergleich zum Bereicherungsrecht verkennt zudem, dass auch dort ein Rückgriff auf § 285 BGB über den in §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB enthaltenen Verweis in Situationen einer fehlenden Schutzwürdigkeit des Bereicherungsschuldners möglich ist - eine solche fehlende Schutzwürdigkeit kann aber auch bezüglich des Schuldners eines Rückgewähranspruchs nach § 346 Abs. 1 BGB angenommen werden…. Dass die Anwendung des § 285 BGB - insoweit weitergehend als ein auf den objektiven Wert begrenzter Nutzungsersatz - dann im Ergebnis zur Pflicht zur Herausgabe auch eines den Wert des geschuldeten Gegenstandes übersteigenden Mehrerlöses (lucrum ex negotiatione) führen kann, begründet wiederum deswegen keinen Wertungswiderspruch, weil bereits aus den vorstehenden Gründen ein Rückgewährschuldner nach § 346 Abs. 1 BGB auch dann als ebenso wenig schutzwürdig anzusehen ist wie ein verschärft haftender Bereicherungsschuldner nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB, wenn er von der konkreten Ausübung des vertraglichen oder gesetzlichen Rücktrittsrechts noch keine Kenntnis hat.
Zwischenergebnis
Folglich ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung nach § 242 BGB nicht hinsichtlich § 285 BGB im Rahmen eines Rücktritts mit der Folge eines Rückgewährschuldverhältnisses nach § 346 I BGB ausgeschlossen.
Ergebnis
K kann von B Auskunft über den Weiterveräußerungspreis des Wohnmobils aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB verlangen, wenn er die Voraussetzungen für die Anfechtung oder den Rücktritt darlegt und beweist.
C. Prüfungsrelevanz
Die Prüfung eines Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB gehört zum üblichen Repertoire des Prüfungsrechts. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um eine Auskunft bezüglich des Weiterveräußerungspreises nach erklärtem Rücktritt.
Die Entscheidung ist prüfungsrelevant, da die Lösung eines entsprechenden Klausurfalles Kenntnisse der grundlegenden Strukturen des Zivilrechts erfordert und viele Themengebiete einbezogen werden können: Kaufvertrag nach § 433 BGB, Rücktritt nach § 346 BGB, Anfechtung nach § 142 BGB, stellvertretendes commodum nach § 285 BGB.
(OLG Bremen Urt. v. 16.10.2024 – 1 U 18/24)
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