
Kann ein Bankkunde die Rückzahlung von Bankentgelten auch nach Jahren widerspruchsloser Zahlung verlangen?
Kann sich ein Bankkunde auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel berufen und rechtsgrundlos gezahlte Kontoführungsentgelte gemäß § 812 I 1, 1. Alt. BGB zurückverlangen, wenn er die von der Bank rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt hat?
A. Sachverhalt
Der Kläger K hatte bei der beklagten Sparkasse B ein Girokonto, welches zunächst kostenlos geführt wurde. B hat sodann Bankentgelte für die Kontoführung erhoben und K darauf schriftlich hingewiesen. Nach den AGB der B
galt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigte (… = Zustimmungsfiktionsklausel).
K hat der Erhebung der Bankentgelte nicht aktiv zugestimmt. B hat diese von dem Konto des K abgebucht. Drei Jahre später hat er widersprochen und verlangt die Rückzahlung der Bankentgelte für die letzten drei Jahre i.H.v. 192,00 Euro.
K nimmt B auf Rückzahlung der geleisteten Bankentgelte in Anspruch.
B. Entscheidung
K macht insofern einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch geltend.
I. § 812 I 1, 1. Alt. BGB
(Vertragliche, vertragsähnliche, dingliche oder deliktische Ansprüche kommen nicht in Betracht.) Es könnte ein bereicherungsrechtlicher Anspruch bestehen. Ein Anspruch aufgrund der Leistungskondiktion nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB (condictio indebiti) setzt voraus:
etwas erlangt
durch Leistung
ohne Rechtsgrund
Dementsprechend müsste B etwas durch die Leistung von K ohne Rechtsgrund erlangt haben.
1. Etwas erlangt
Dann müsste B etwas erlangt haben. Erlangen bedeutet Bereicherung und eine Bereicherung liegt vor, wenn ein irgendwie gearteter Vermögensvorteil (z.B. Eigentum, Besitz, Forderungsinhaberschaft, Befreiung von einer Verbindlichkeit) feststellbar ist. B hat einen Betrag i.H.v. 192,00 Euro auf ihr Konto abgebucht. Damit hat sie etwas erlangt.
2. durch Leistung
Dies müsste durch Leistung von K erfolgt sein. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zur Erfüllung einer bestehenden oder vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit. Die monatlichen Abbuchungen der Bankentgelte erfolgten zur Erfüllung einer vermeintlich bestehenden Verbindlichkeit aufgrund des geänderten nunmehr kostenpflichtigen Kontoführungsmodells. Zwar hat K nicht die Abbuchungen vorgenommen sondern B selbst. Dies ist jedoch nur erfolgt, da K ursprünglich einen Bankvertrag mit B geschlossen hat.
3. ohne Rechtsgrund
Ferner müsste dies ohne Rechtsgrund (sine causa) erfolgt sein. Dies ist der Fall, sofern die Erhebung der Bankentgelte nicht wirksam vertraglich vereinbart wurde.
a) Keine übereinstimmenden Willenserklärungen
B und K haben keine übereinstimmenden Willenserklärungen zur Erhebung von Bankengelten für die Kontoführung vereinbart. Zwar dürfte die Mitteilung von B als entsprechendes Angebot zu werten sein, welches K auch zugegangen ist nach § 130 I 1 BGB. B hat jedoch nicht aktiv dieses Angebot angenommen, sondern überhaupt nichts erklärt. Und Schweigen stellt im Rechtsverkehr grundsätzlich kein rechtswirksames Handeln dar, sodass darin keine Annahme liegt.
b) Keine wirksame Zustimmungsfiktionsklausel
Fraglich ist, ob durch die AGB aufgrund der Zustimmungsfiktionsklausel, ein Vertrag über die Erhebung von Bankentgelten für die Kontoführung wirksam zustande gekommen ist. Bei einer Zustimmungsfiktionsklausel gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt.
aa) AGB
Bei der Klausel, wonach K Bankentgelte für die Kontoführung zahlen muss, müsste es sich um AGB handeln. Dies sind nach § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dies setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, welche eine Regelung des Vertragsinhalts betrifft. Somit handelt es sich hierbei um AGB.
bb) Einbeziehung nach § 305 II BGB
Die AGB wurden wirksam einbezogen durch den entsprechenden ausdrücklichen Hinweis der B sowie die Möglichkeit der Kenntnisnahme nach § 305 II BGB.
cc) Keine Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 5 BGB
Eine Unwirksamkeit der Klausel ist nicht nach § 308 Nr. 5 BGB gegeben. Diese Norm ist nur einschlägig bei Erklärungen im Rahmen der Vertragsdurchführung, nicht jedoch beim Vertragsschluss selbst. (Hierauf ist der BGH auch nicht eingegangen.)
dd) Unwirksamkeit nach § 307 I 1, II Nr. 1 BGB
Die Klausel könnte eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 II Nr. 1 BGB darstellen, sofern sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist und damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam sein.
Grundsätzlich ist zur Änderung eines Schuldverhältnisses nach § 311 I BGB
ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich. Der Änderungsvertrag kommt wie jeder Vertrag durch den Austausch korrespondierender Willenserklärungen nach den §§ 145 ff. BGB zustande. Ob ein schlüssiges Verhalten wie die Nutzung des Girokontos nach der Ankündigung geänderter Entgeltbedingungen als Willenserklärung mit dem Inhalt zu werten ist, dass der Kläger den geänderten Bedingungen zustimmt, richtet sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Hiernach kommt es darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsempfängers zu verstehen ist.
Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Zahlungsdienstnutzers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essentieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben …, wie etwa der gesetzliche Anspruch aus § 31 ZKG auf Abschluss eines Basiskontovertrags zeigt; seine Nutzung allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Usancen des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.
K hat den AGB der B nicht aktiv zugestimmt. Damit ist kein entsprechender Änderungsvertrag hinsichtlich der Erhebung von Bankentgelten bezüglich der Kontoführung vereinbart worden nach § 311 I BGB.
Eine solche Vereinbarung ist auch nicht durch die Zustimmungsfiktion zustande gekommen. Vielmehr sind die
von einer Bank für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierte Zustimmungsfiktionsklauseln im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Entgeltabreden, die im Wege einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel getroffen werden sollten, sind in Ermangelung einer wirksamen Einigung nach §§ 145 ff. BGB unwirksam. Dementsprechend kann der Kläger Entgelte nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückfordern, die er auf unwirksame Abreden in diesem Sinne geleistet hat.
Dementsprechend ist die Zustimmungsfiktionsklausel nach § 307 I 1, II Nr. 1 BGB unwirksam.
Ergebnis
Somit verstößt die Klausel gegen § 307 II Nr. 1 BGB und ist damit nach § 307 I 1 BGB unwirksam.
c) Keine ergänzende Vertragsauslegung
Ferner ist keine Vereinbarung zur Zahlung von Bankentgelten durch eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung zustande gekommen. Insofern ist die Rechtsprechung zur sog. Dreijahreslösung bei Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen nicht übertragbar.
Nach der Dreijahreslösung kann ein Kunde die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, die auf unwirksame Preisanpassungsklauseln in Energielieferungsverträgen gestützt sind, nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Jedoch wird der Vertrag selbst durch
die Zustimmungsfiktionsklausel - anders als durch Preisanpassungsklauseln - nicht bestimmt. Die durch den Wegfall der Zustimmungsfiktionsklausel entstandene Vertragslücke ist auch nicht wie die mit der unwirksamen Preisanpassungsklausel verbundene Vertragslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, sondern gemäß § 306 Abs. 2 BGB durch das dispositive Gesetzesrecht, das mit den § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB konkrete materiell-rechtliche Regelungen zur konsensualen Änderung eines Vertrags zur Verfügung stellt. Danach hat die Zustimmung zu einer von der Bank oder Sparkasse angetragenen Vertragsänderung, die durch die unwirksame Zustimmungsfiktionsklausel fingiert werden sollte, durch eine Willenserklärung des Kunden zu erfolgen. Eine dreijährige Frist, binnen derer der Bankkunde die Erhebung von unwirksamen Bankentgelten beanstandet haben muss, um nicht an das von der Bank oder Sparkasse Angetragene gebunden zu sein, sieht das nach § 306 Abs. 2 BGB maßgebende dispositive Gesetzesrecht demgegenüber nicht vor.
Zwischenergebnis
Dementsprechend ist kein Vertrag über die Erhebung von Bankentgelten für die Kontoführung zustande gekommen. B hat somit etwas durch Leistung des K ohne Rechtsgrund erlangt.
Ergebnis
K hat gegen B einen Rückzahlungsanspruch wegen gezahlter Bankentgelte i.H.v. 192,00 Euro nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB.
C. Prüfungsrelevanz
Das Bereicherungsrecht nach § 812 I 1, 1. Alt. BGB ist nicht selten Gegenstand von Prüfungsklausuren. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um die Frage, ob ein Bankkunde die Rückzahlung von Bankentgelten für die Kontoführung verlangen kann, wenn er der Erhebung der Gebühren nicht aktiv zugestimmt hat.
Die Prüfungsrelevanz der Entscheidung ergibt sich daraus, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch in Kombination mit AGB zu prüfen ist und noch auf die Besonderheiten der ergänzenden Vertragsauslegung einzugehen ist.
(BGH Urt. v. 19.11.2024 – XI ZR 139/23)
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