
Kann eine Vormerkung auch einen künftigen Anspruch sichern?
Sofern eine Vormerkung einen künftigen Anspruch sichert, welcher sich aus einem befristeten Vertragsangebot ergibt, entfaltet diese im Falle der Verlängerung der ursprünglichen Annahmefrist auch Sicherungswirkung bis zu diesem Zeitpunkt.
Eine Vormerkung kann nach § 883 I 2 BGB auch einen künftigen Anspruch sichern. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich der Anspruch auf Auflassung aus einem befristeten Vertragsangebot ergibt. Falls diese Frist verlängert wird, stellt sich die Frage, ob die Vormerkung als akzessorisches Recht mit dem Ablauf der zunächst gesetzten Annahmefrist erlischt oder bis zu dem Ablauf der nachträglich verlängerten Annahmefrist fortbesteht.
A. Sachverhalt
Die Klägerin (K) verlangt von der Beklagten (B) die Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch. Der Ehemann von K, sie lebten in einem Güterstand der Gütergemeinschaft, übertrug ohne Zustimmung der K 2013 eine Eigentumswohnung in München an seinen Sohn aus einer früheren Ehe. Der Sohn wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Sohn wiederum bot seiner Ehefrau, der B, in notariell beurkundeter Form unwiderruflich die unentgeltliche Übertragung der Eigentumswohnung an und setzte hierfür eine Frist zur Annahme bis zum 31.12.2016. Zur Sicherung dieses Eigentumsübertragungsanspruchs bewilligte er ihr auch eine Vormerkung, welche 2014 in das Grundbuch eingetragen wurde. Am 07.10.2016 wurde ein Widerspruch gegen die Eigentümerstellung des Ehemannes der B im Grundbuch eingetragen. Am 18.10.2016 verlängerte dieser die Annahmefrist in notariell beurkundeter Form bis zum 31.12.2026.
K verlangt von B die Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch.
B. Entscheidung
K macht gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch geltend.
Anspruchsgrundlagen
Vertragliche, vertragsähnliche und deliktische Ansprüche kommen nicht in Betracht, wohl aber dingliche und bereicherungsrechtliche. (Es lagen Auslandselemente vor, sodass der BGH sich mit Fragen des Internationalen Zivilverfahrensrechts und Internationalen Privatrechts befassen musste, welche vorliegend aber nicht thematisiert werden.)
I. Dinglicher Anspruch aus § 894 BGB
K könnte gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch haben nach § 894 BGB.
Der Anspruch aus § 894 BGB richtet sich dabei auf Erteilung der im Grundbuchverfahren nach § 19 GBO formell-rechtlich erforderlichen Bewilligung zur Berichtigung des Grundbuchs.
Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind:
Grundbuch unrichtig
Anspruchsgegner ist formell Verpflichteter
Anspruchssteller ist materiell Berechtigter
Grundbuch unrichtig
Zunächst müsste das Grundbuch unrichtig sein. Das bedeutet, dass die formelle und materielle Rechtslage auseinanderfallen müssen. Formell ist B als Vormerkungsberechtigte eingetragen. Dementsprechend ist das Grundbuch unrichtig, wenn die Vormerkung für B nicht besteht.
1. Kein Erwerb vom Berechtigten
B hat die Vormerkung von ihrem Ehemann nicht als Berechtigtem nach §§ 883 I, 885 BGB erworben. Die Voraussetzungen eines solchen Ersterwerbs der Vormerkung sind:
Schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung, § 883 I BGB
Bewilligung des Betroffenen oder e.V., § 885 I 1 BGB
Eintragung, § 883 I BGB
Berechtigung des Betroffenen, § 885 I 1 BGB.
Jedenfalls ist die letzte Voraussetzung nicht erfüllt. K lebte mit ihrem Ehemann in einem Güterstand der Gütergemeinschaft. Demnach befanden sich alle Gegenstände im Gesamtgut der Ehegatten und es konnte keiner alleine über einzelne Gegenstände verfügen. Es bestand somit für den Ehemann der K eine absolute Verfügungsbeschränkung (vgl. wie bei der Gütergemeinschaft deutschen Rechts nach § 1419 I 1. Hs. BGB). Folglich konnte der Ehemann der K das Eigentum an der Wohnung nicht vom Berechtigten erwerben nach §§ 873 I 1. Alt., 925 I 1, 2 BGB, § 4 II 1 WEG. Ferner war aufgrund des Vorliegens einer absoluten Verfügungsbeschränkung ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums nach § 892 I 1 BGB ausgeschlossen. Der Ehemann der B war dementsprechend Nichtberechtigter.
2. Erwerb vom Nichtberechtigten
B könnte die Vormerkung von ihrem Ehemann B als Nichtberechtigtem im Rahmen eines gutgläubigen Ersterwerbs der Vormerkung erworben haben. Das setzt zunächst wiederum voraus einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung, § 883 I BGB, die Bewilligung des Betroffenen oder eine einstweilige Verfügung, § 885 I 1 BGB, die Eintragung nach § 883 I BGB sowie die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 I 1 BGB analog.
a) Schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Rechtsänderung, § 883 I BGB
Ein schuldrechtlicher Anspruch der B gegenüber ihrem Ehemann bestand aufgrund des entsprechenden befristeten Vertragsangebots, da auch künftige Ansprüche nach § 883 I 2 BGB vormerkungsfähig sind.
Vormerkungsschutz genießen künftige Ansprüche dabei jedenfalls dann, wenn bereits der Rechtsboden für ihre Entstehung durch ein rechtsverbindliches Angebot soweit vorbereitet ist, dass die Entstehung des Anspruchs nur noch vom Willen des künftigen Berechtigten abhängt …. Dies war hier der Fall. Das bis zum 31. Dezember 2016 befristete Angebot auf Übereignung des Wohnungseigentums war unwiderruflich. Die Entstehung des Auflassungsanspruchs hing damit nur noch von der Entscheidung der Beklagten ab, das Angebot anzunehmen.
b) Bewilligung des Betroffenen nach § 885 I 1, 2. Alt. BGB
Ferner hat der Ehemann der B ihr eine entsprechende Bewilligung nach § 885 I 1, 2. Alt. BGB erteilt.
c) Eintragung, § 883 I BGB
Die Vormerkung zugunsten von B ist 2014 im Grundbuch eingetragen worden, § 883 I BGB.
d) Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 I 1 BGB analog
Ferner müssten die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 I 1 BGB analog vorliegen. Es bedarf einer analogen Anwendung, da die Vormerkung kein dingliches Recht darstellt, sondern ein Sicherungsmittel eigener Art ist. Ein dingliches Recht vermittelt dem Inhaber des Rechts eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück. Dies fehlt bei der Vormerkung. Allerdings entfaltet die Vormerkung eine quasidingliche Sicherung, vgl. § 883 II BGB. Insofern ist eine analoge Anwendung des § 892 BGB geboten. (Es hätte auch eine Anwendung des § 893 BGB bzw. eine analoge Anwendung des § 893 BGB erörtert werden können, da die Vormerkung keine Verfügung über das Grundstück darstellt.). Die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs nach § 892 I 1 BGB sind:
Grundbuch unrichtig
Legitimation des Verfügenden
rechtsgeschäftlicher Erwerb eines dinglichen Grundstücksrechts erstrebt
Verkehrsgeschäft
Gutgläubigkeit
Kein Widerspruch
aa) Unrichtigkeit des Grundbuchs
Das Grundbuch war aufgrund der Eintragung des Ehemannes der B als Eigentümer unrichtig (s.o.).
bb) Legitimation des Verfügenden
Seine Legitimation als Verfügender ergab sich allerdings aus seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch, § 891 I BGB.
cc) Rechtsgeschäftlicher Erwerb eines dinglichen Grundstücksrechts erstrebt
Der rechtsgeschäftliche Erwerb eines dinglichen Grundstücksrechts war erstrebt. Es lagen alle Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs vor, mit Ausnahme der Berechtigung des Ehemannes der B.
dd) Verkehrsgeschäft
Ferner liegt ein Verkehrsgeschäft vor, da keine Personenidentität bei den Beteiligten vorlag.
ee) Gutgläubigkeit
Ferner müsste B gutgläubig gewesen sein hinsichtlich des Nichtbestehens einer Verfügungsbeschränkung. Dabei schadet nur positive Kenntnis.
Dabei kommt es, wenn die Vormerkung - wie hier - einen künftigen Anspruch sichert, für die Frage der Gutgläubigkeit nicht (erst) auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs an; vielmehr bestimmt sich der für die Gutgläubigkeit maßgebliche Zeitpunkt nach den auch sonst geltenden allgemeinen Grundsätzen …. In der Regel ist daher auf den Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs abzustellen. Liegen alle Entstehungsvoraussetzungen der Vormerkung mit Ausnahme der Grundbucheintragung vor, kommt es entsprechend § 892 Abs. 2 1. Alt. BGB auf den Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrags an ….
Zu diesem Zeitpunkt war B gutgläubig.
ff) Kein Widerspruch
Zudem dürfte kein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen worden sein. 2014 war dieser noch nicht eingetragen.
Zwischenergebnis
Somit hat B von ihrem Ehemann die Vormerkung gutgläubig erworben nach § 892 I 1 BGB analog.
e) Kein Erlöschen der Vormerkung
Die Vormerkung ist auch nicht erloschen. Bei der Vormerkung handelt es sich um
ein streng akzessorisches Sicherungsmittel eigener Art. Sie erlischt, wenn der gesicherte Anspruch nicht mehr besteht … oder der gesicherte Anspruch unter Aufhebung des alten neu begründet wird ….
Richtigerweise entfaltet eine Vormerkung, die einen sich aus einem befristeten Vertragsangebot ergebenden künftigen Anspruch sichert, bei rechtzeitiger Verlängerung der ursprünglichen Annahmefrist Sicherungswirkung bis zum Ablauf der verlängerten Annahmefrist.
Durch die Verlängerung der Annahmefrist bleibt der künftige Anspruch selbst unverändert; es wird weder ein neuer künftiger Anspruch begründet noch wird der künftige Anspruch um zusätzliche Entstehungsvoraussetzungen erweitert…
Zwischenergebnis
Das Grundbuch ist nicht unrichtig, sondern richtig.
Ergebnis
K hat gegen B keinen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch nach § 894 BGB.
II. § 816 I 2 i.V.m. I 1 BGB
K könnte aber gegen B keinen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch nach § 816 I 2 i.V.m. I 1 BGB haben.
Die Voraussetzungen der unentgeltlichen Verfügung eines Nichtberechtigten, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, sind gegeben. Der Ehemann der B war Nichtberechtigter (s.o.) und der Vormerkungserwerb war gegenüber der Berechtigten K wirksam, da B die Vormerkung gutgläubig erworben hat (s.o.).
Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Bewilligung einer Vormerkung um eine Verfügung im Rechtssinne handelt; jedenfalls rechtfertigen es die materiell-rechtlichen Wirkungen der Bewilligung, sie einer Verfügung über ein Recht gleichzustellen, sobald die Vormerkung eingetragen wird …§ 816 Abs.1 BGB dient insbesondere dem Ausgleich von Rechtsverschiebungen, die aufgrund der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb eintreten …, und richtet sich auf deren Rückgängigmachung …. Hat der Anspruchsgegner durch gutgläubigen Erwerb ein dingliches Recht erlangt, kann der Gläubiger – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nach § 816 Abs.1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BGB die Aufhebung dieses Rechts verlangen …. Ist das Erlangte eine Vormerkung, ist der Schuldner aus § 816 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BGB zur Zustimmung zur Löschung der Vormerkung in Form der grundbuchrechtlichen Bewilligung gemäß § GBO § 19 GBO verpflichtet. Denn mit einer solchen Bewilligung kann der Gläubiger die Vormerkung beseitigen.
Ergebnis
K hat gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung im Grundbuch nach § 816 I 2 i.V.m. I 1 BGB.
C. Prüfungsrelevanz
Als Anspruchsgrundlage für die Zustimmung zur Löschung einer Vormerkung kommt nicht nur der dingliche Anspruch aus § 894 BGB in Betracht, sondern auch das Bereicherungsrecht nach § 816 BGB oder gegebenenfalls nach § 812 BGB.
Die Entscheidung ist sehr prüfungsrelevant, da der Eigentumserwerb an einer Immobilie in Kombination mit einer absoluten Verfügungsbeschränkung sowie der gutgläubige Ersterwerb der Vormerkung abgeprüft werden kann und die Vorschriften des Bereicherungsrechts nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
(BGH Urt. v. 08.03.2024 – V ZR 176/22)
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