„Digital Native“ gesucht

„Digital Native“ gesucht

Arbeitsgericht Heilbronn zum Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot in einer Stellenausschreibung

Vielleicht erinnerst Du Dich noch an den Englischunterricht aus der Oberstufe und die „Digital Natives“? Ab jetzt kann Dich diese Thematik auch im Jurastudium ereilen. Ein international tätiges Unternehmen wollte einen solchen „Digital Native“ einstellen, ein Bewerber mit Mitte 50 sah sich darin für sein Alter diskriminiert. Stellt die Bezeichnung „Digital Native“ einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar?

Was genau war geschehen?

Geklagt hatte ein 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist, der sich auf die Stelle des Manager Corporate Communication (m/w/d) bei einem international tätigen Sportartikelunternehmen beworben hatte. In der Stellenausschreibung fand sich folgende Passage: „Wir lieben: (…) Darüber hinaus verstehst Du Dich als Organisationstalent, das Projekte souverän führt – auch im Change. Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause.“ Doch der Bewerber erhielt eine Jobabsage. Daraufhin verlangte er von den Unternehmen eine Entschädigungszahlung in Höhe von 37.500 Euro. Nachdem das Unternehmen die Zahlung verweigert hatte, erhob der Bewerber Klage beim Arbeitsgericht Heilbronn. Dabei trug er vor, er erfülle alle Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle und durch die Absage habe er eine Altersdiskriminierung erfahren. „Digital Native“ deute auf gewünschte Bewerber:innen aus einer Generation hin, die in das Internetzeitalter hineingeboren sei. Im Umkehrschluss seien alle Jahrgänge vor 1980 dementsprechend von der Einstellung faktisch ausgeschlossen. Damit habe das Unternehmen direkt auf das Alter abgestellt und den sog. „Digital Immigrants“ keine Chance zugestanden. Folgt das Arbeitsgericht Heilbronn dieser Argumentation und sieht hierin einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?

Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht Heilbronn sieht die Klage als teilweise begründet an. Dem Bewerber stehe eine Entschädigungszahlung aus § 15 II AGG zu, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Das Gericht hielt einen Betrag von 1,5 Bruttomonatsgehältern für angemessen an, also 7.500 Euro. Die Jobabsage habe den Bewerber unmittelbar benachteiligt im Sinne von § 3 I AGG. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren, als der letztlich von der Beklagten eingestellte Bewerber.

Des Weiteren liege hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 I AGG vor. Schließlich sei das Alter explizit in § 1 AGG als mögliche Benachteiligungsquelle genannt. Allerdings müsse zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem Benachteiligungsgrund auch ein kausaler Zusammenhang bestehen. Hier greife dafür die Beweislastumkehr aus § 22 AGG ein, wonach die Klagepartei nur Indizien für eine Benachteiligung beweisen muss. Sodann trage der andere die Beweislast dafür, dass kein Verstoß vorgelegen habe. Nach § 11 AGG darf bereits bei der Ausschreibung eines Arbeitsplatzes kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegen. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Heilbronn stellt die Formulierung „Digital Native“ ein Indiz für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot bei der Stellenausschreibung dar. Der Begriff „Digital Native“ weise im gängigen Sprachgebrauch eine generationsbezogene Konnotation auf. Sodann sei es dem Unternehmen nicht gelungen, diese Vermutung für eine Benachteiligung zu widerlegen. Insbesondere sei nicht überzeugend, dass der Bewerber für die konkrete Stellenausschreibung überqualifiziert sei, weil schon gar nichts hinsichtlich der anderen Bewerber vorgetragen worden sei. Zuletzt stehe dem Entschädigungsanspruch auch nicht § 242 BGB entgegen. Dass dem Bewerber die Ernsthaftigkeit bei der Bewerbung gefehlt habe, weil seine Familie in Berlin lebe, und die Stelle aber in Heilbronn, greife nicht durch. Der Kläger habe überzeugend dargelegt , dass er bereits in Frankfurt lebe und seinen Lebensmittelschwerpunkt aus familiären Gründen zukünftig nach Süddeutschland verlegen wolle.

Prüfungsrelevanz

Zwar handelt es sich beim AGG nicht um eines der zentralen Gesetze auf dem Weg zum Examen, so spielt es aber doch für das Arbeitsrecht eine wichtige Rolle und kann unter Angabe der relevanten Normen wohl ohne Weiteres zum Gegenstand einer Klausur werden. Falls Du in Deiner Klausur also auf das AGG stoßen solltest, musst Du keinesfalls den Kopf in den Sand stecken, sondern ganz im Gegenteil dies als eine Chance ansehen. Denn das AGG stellt kein Hexenwerk dar, sondern ist sogar durchaus übersichtlich aufgebaut und enthält viele Legaldefinitionen. Da das Prüfungsamt hier in der Regel kein Spezialwissen von Dir erwartet, kannst Du Dich bereits durch eine systematische und strukturierte Prüfung hervorheben.

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