Haftet der Betreiber einer Autowaschanlage auf Schadensersatz bei Beschädigung eines Pkw trotz eines Ausschlusses der Haftung in den AGB?
Der Pkw des Klägers wurde in der Autowaschanlage der Beklagten beschädigt durch Abriss des Heckspoilers. In den AGB hat die Beklagte u.a. die Haftung für nicht ordnungsgemäß befestigte und nicht zur Serienausstattung gehörende Fahrzeugteile ausgeschlossen. Kann der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangen?
A. Sachverhalt
Der Kläger (K) fuhr mit seinem Pkw der Marke Land Rover in die Portalautowaschanlage der Beklagten (B) und stellte diesen dort ordnungsgemäß ab. Beim Waschvorgang wurde der Heckspoiler abgerissen. K macht als Schadenspositionen Folgendes geltend: Reparaturkosten i.H.v. 2.372,53 Euro, merkantiler Minderwert i.H.v. 200 Euro, Gutachterkosten i.H.v. 621,78 Euro, Auslagenpauschale i.H.v. 25 Euro und eine Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 119 Euro für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie Freistellung von den Rechtsanwaltskosten.
Folgende AGB waren u.a. auf einem Hinweisschild angebracht:
„Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.”
„Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!”.
K begehrt Schadensersatz.
B. Entscheidung
K macht insofern einen entsprechenden Schadensersatzanspruch gegen B geltend.
I. § 280 I 1 BGB
K könnte von B Schadensersatz i.H.v. 3.338,31 Euro zuzüglich der Freistellung von den Rechtsanwaltskosten nach § 280 I 1 BGB verlangen.
Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Werkvertrages nach § 631 BGB setzt voraus:
Werkvertrag, § 631 BGB
Pflichtverletzung
Verschulden
Schaden
Kausalität (zwischen Pflichtverletzung und Schaden)
1. Werkvertrag
Ein Werkvertrag zwischen der K und B über die Reinigung eines Pkw zu einem entsprechenden Preis (essentialia negotii) ist zustande gekommen, § 631 BGB.
2. Pflichtverletzung
B könnte eine leistungsbezogene Nebenpflicht, eine Schutzpflicht nach § 241 II BGB verletzt haben, wonach sie zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet ist. Insofern ist
das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren …. Ferner ist davon auszugehen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind und die auf den Werkvertrag bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers.
Danach ist
derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschanlage - schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der Betreiber einer Waschanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge seiner Kunden nicht beschädigt werden. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann.
Dabei ist es ausreichend, sofern
derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher genügt es, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Betreiber von Waschanlagen - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die dem Verkehrssicherungspflichtigen den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht.
3. Verschulden
Das Verschulden wird nach der negativen Formulierung des § 280 I 2 BGB grundsätzlich vermutet. Eine Exkulpation durch B ist nicht erfolgt. Zwar muss grundsätzlich der Gläubiger die Anspruchsvoraussetzungen und somit auch u.a. die Pflichtverletzung sowie das Verschulden des Schuldners beweisen.
In Abweichung von dieser regelmäßigen Beweislastverteilung ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sich der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 I 2 BGB hinaus - nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten hat, sondern er auch darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.
Vorliegend stammten die Ursachen der Beschädigung allein aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich der B, denn es kam zu dieser,
weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug wie dasjenige des Klägers mit einer serienmäßigen Ausstattung wie dem betroffenen Heckspoiler konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers.
B hat weder die Vermutung der Pflichtverletzung noch des Verschuldens widerlegt.
Sie hätte darlegen und beweisen müssen, dass sie die konstruktionsbedingte Inkompatibilität weder kannte noch kennen musste oder sie alles Erforderliche und Zumutbare unternommen hat, um das Einfahren eines Fahrzeugs in ihre Waschanlage zu verhindern, für das diese Anlage konstruktionsbedingt nicht geeignet ist.
4. Kein Ausschluss durch AGB
Bei den Klauseln auf dem Hinweisschild, wonach die Haftung für nicht ordnungsgemäß befestigte und nicht zur Serienausstattung gehörende Fahrzeugteile ausgeschlossen ist sowie die Haftung für Anbauteile und Heckspoiler ausgeschlossen ist, handelt es sich um AGB. Dies sind nach § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Insofern ist eine Erklärung des Verwenders gegeben, welche eine Regelung des Vertragsinhalts betrifft.
Allerdings wird dadurch die Haftung der B vorliegend nicht ausgeschlossen, denn der Ausschluss erfasst
ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.)” erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört (und ordnungsgemäß befestigt war), sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Kunden das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können.
Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!” einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Kunden schon nicht hinreichend klar, dass - gegebenenfalls - von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.
5. Schaden
Ferner müsste ein Schaden, also ein unfreiwilliges Vermögensopfer, entstanden sein. Nach § 249 I BGB kann grundsätzlich Naturalrestitution verlangt werden. Im Rahmen der von § 249 I BGB vorausgesetzten Differenzhypothese (= Differenz zwischen realer und hypothetischer Vermögenslage) kann der Differenzschaden als Schadensersatz gefordert werden. Nach § 249 II 1 BGB kann statt der Herstellung der dazu erforderliche Geldbetrag verlangt werden („Ersetzungsbefugnis“).
K kann insofern von B die Reparaturkosten i.H.v. 2.372,53 Euro, merkantilen Minderwert i.H.v. 200 Euro, Gutachterkosten i.H.v. 621,78 Euro, eine Auslagenpauschale i.H.v. 25 Euro und eine Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 119 Euro für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie Freistellung von den Rechtsanwaltskosten verlangen.
6. Kausalität
Die Pflichtverletzung war für den Schaden ursächlich, sodass die Kausalität gegeben ist.
Ergebnis
K kann von B Schadensersatz i.H.v. 3.338,31 Euro zuzüglich der Freistellung von den Rechtsanwaltskosten nach § 280 I 1 BGB verlangen.
II. § 823 I BGB
Ein Anspruch auf Schadensersatz steht K gegen B nicht nach § 823 I BGB zu mangels festgestellten Verschuldens. (Das wurde vom BGH nicht angesprochen).
C. Prüfungsrelevanz
Die Verletzung von Schutzpflichten und somit die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 280 BGB gehört zum üblichen Repertoire des Prüfungsrechts. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um Rücksichtnahmepflichten im Rahmen der Durchführung eines Werkvertrages.
Die Entscheidung ist prüfungsrelevant, da die Lösung eines entsprechenden Klausurfalles Kenntnisse der grundlegenden Strukturen des Zivilrechts erfordert und viele Themengebiete einbezogen werden können: Schadensersatzansprüche gem. § 280 I 1 BGB bei einem Werkvertrag nach § 631 BGB.
(BGH Urt. v. 21.11.2024 – VII ZR 39/24)
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