Betriebsstörung schon bei 1. E-Mail

Betriebsstörung schon bei 1. E-Mail

Einmal war einmal zu viel

Bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt es sich um ein Rahmenrecht des § 823 I BGB, welches im Wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägt und weiterentwickelt wird. Prüflinge haben diesen Anspruch nicht immer sofort auf dem Schirm und übersehen ihn gerne mal. Das OLG Dresden bietet den Prüfungsämtern nun neuen Klausurstoff mit seiner aktuellen Entscheidung vom 24.06.2024 (Az. 4 U 168/23). Das Gericht musste sich damit befassen, ob schon die einmalige Zusendung einer Werbe-E-Mail einen Eingriff in dieses Rahmenrecht darstellt. Im Mittelpunkt dieses Falles stehen die Vorschriften aus dem UWG. Auch wenn Dir das UWG regulär, wenn überhaupt, frühestens in Deinen Schwerpunktbereichsvorlesungen über den Weg läuft, können diese Vorschriften für Dich im Gewand des § 823 I BGB schon deutlich früher relevant werden.

Was ist passiert?

Die Beklagte, die Inhaberin eines Unternehmens ist, schickte der Klägerin per E-Mail unaufgefordert eine Sponsoringanfrage für ihre Veranstaltung zu. Die Klägerin, die ein Getränkeunternehmen betreibt, sollte die Veranstaltung der Beklagten mit kostenlosen Getränken unterstützen. Im Gegenzug bot die Beklagte an, Werbemittel der Klägerin auf der Veranstaltung aufzustellen. Die Klägerin sah sich aufgrund der unerwünschten E-Mail in ihren Betriebsabläufen derart gestört, dass sie die Beklagte auf Unterlassung der Zusendung weiterer solcher E-Mails in Anspruch nahm und Klage vor dem Landgericht Leipzig erhob. Gleichzeitig beantragte die Beklagte vor dem Landgericht festzustellen, dass die Zusendung der E-Mail rechtmäßig war. Das Verfahren landete schließlich vor dem OLG Dresden, weil die Beklagte in Berufung ging.

Rechtlicher Hintergrund

Das OLG Dresden verurteilte die Beklagte, es künftig zu unterlassen, der Klägerin Sponsoringanfragen per E-Mail zu zusenden.

Laut dem Berufungsgericht fällt die streitgegenständliche E-Mail unter den Begriff der Werbung gemäß § 7 II Nr. 2 UWG und stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 I BGB dar:

„Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung (…) elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt…“

Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen seien die Maßstäbe des UWG auch im Rahmen der Prüfung des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 I BGB heranzuziehen. Die E-Mail der Beklagten sei auf Absatzförderung der eigenen Dienstleistung gerichtet, denn die Klägerin sollte ihre Getränke kostenlos zur Verfügung stellen, um so die Veranstaltung der Beklagten zu fördern und zu unterstützen. Das Angebot seitens der Beklagten, im Gegenzug Werbemittel aufstellen zu können, lässt den Werbecharakter der E-Mail nicht entfallen. Insbesondere stellt das Gegenangebot keine adäquate Bezahlung dar. Außerdem habe die Beklagte in der E-Mail mehrfach das Wort „Sponsoring“ verwendet, welches im allgemeinen Sprachgebrauch die kostenfreie Unterstützung für fremde Zwecke bezeichne.

Da es sich bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 I BGB um ein Rahmenrecht handelt, kann die Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht wie sonst üblich bei § 823 I BGB indiziert werden, sondern muss durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen positiv festgestellt werden. Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Abwägung fiel zulasten der Beklagten aus. Im Mittelpunkt dieser Abwägung steht die Wertung aus den Vorschriften § 7 I UWG: „Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.“ sowie § 7 II Nr. 2 UWG, der klarstellt, dass „stets eine unzumutbare Belästigung“ vorliegt. Hieran hat sich das Berufungsgericht orientiert. Zwar handele es sich bei einer einmaligen E-Mail nur um eine geringfügige Beeinträchtigung im Betriebsablauf, aber trotzdem musste sich die Klägerin gedanklich mit dem Anliegen beschäftigen und die E-Mail sichten. Wäre im Umkehrschluss die Sponsorensuche verbunden mit einem allgemeinen Angebot per E-Mail zulässig, bestehe die Gefahr, dass es zu einer häufigen Versendung solcher E-Mails komme und diese Werbeart um sich greife, so das OLG. Dies sei darauf zurückzuführen, dass es sich hierbei um eine billige, schnelle und arbeitssparende Versendungsmöglichkeit handele. Darüber hinaus habe die Klägerin in die Zusendung solcher E-Mails auch nicht eingewilligt. Die Veröffentlichung der eigenen E-Mail-Adresse auf der Homepage stelle auch keine „Generaleinwilligung“ in den Erhalt solcher E-Mails dar. Die Veröffentlichung der Adresse richte sich hauptsächlich an Endkunden, zu der die Beklagte nicht zähle.

Die für den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 I 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr liege auch vor, weil sich diese aus der bereits erfolgten erstmaligen Zusendung ergebe.

Prüfungsrelevanz

Der Anspruch aus § 823 I BGB ist sehr facettenreich und kann Dir in Deiner juristischen Laufbahn in unterschiedlichen Prüfungskonstellationen begegnen. Beliebt ist die Verknüpfung von § 823 BGB mit einer Verkehrssicherungspflichtverletzung oder die Verletzung der von § 823 I BGB geschützten Rahmenrechte. In beiden Fällen gestaltet sich die Prüfung von § 823 BGB etwas umfangreicher. Bei der Prüfung von einer etwaigen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht solltest Du Dir bewusst machen, dass Du innerhalb des Prüfungspunktes „Verletzungshandlung“ in der Regel auf ein Unterlassen abstellen musst. Das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht sollte dann von Dir detailliert herausgearbeitet werden. Merke Dir, dass eine Verkehrssicherungspflicht nur besteht, wenn der Schädiger eine Gefahrenquelle geschaffen hat bzw. dafür einstehen muss.

Für die Prüfung der Rahmenrechte solltest Du auf dem Schirm haben, dass zur Feststellung der „Rechtswidrigkeit“ eine umfassende Abwägung der jeweiligen Interessen erfolgen muss und diese nicht indiziert werden darf.

§ 823 BGB bietet sich daher ideal für einen Rundflug durch unsere gesamte Rechtsordnung an. Der Einstieg erfolgt dann über die Standardvorschrift des Deliktsrechts. Die eigentlichen Prüfungs- und Wertungsmaßstäbe werden dann aus dem Spezialgesetz gezogen. In diesen Fällen erwarten die Prüfungsämter kein Hintergrundwissen von Dir. Vielmehr sollst Du in solchen Klausuren zeigen, dass Du in der Lage bist, mit fremden Gesetzen umzugehen und die Wertungen in Deine Argumentation einzubauen. Vergiss nicht, dass Dir die spezielleren Normen oft vom Wortlaut schon einiges vorgeben können wie z.B. das UWG, worauf Du dann gut aufbauen kannst.

Resümee

Du siehst also, dass unter § 7 UWG nahezu jegliche Werbe-E-Mail ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung fällt und zu einem rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb führt. Dazu gehören beispielsweise auch die Versendung von unverlangten Kundenzufriedenheitsbefragungen per E-Mail oder der Hinweis in der Signatur einer Autoresponder-E-Mail auf eine kostenlose App.

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