BGH zur Zueignungsabsicht bei Diebstahl und Raub

BGH zur Zueignungsabsicht bei Diebstahl und Raub

Nimmt ein Täter nach vorheriger Gewaltanwendung einem Opfer dessen Handy weg, dann liegt die Bejahung des Raubes gem. § 249 StGB nahe. Lässt sich allerdings nicht mit der erforderlichen Gewissheit aufklären, was der Täter nach Ergreifen des Handys mit diesem vorhatte, dann muss die Zueignungsabsicht verneint werden. Mit einem solchen Fall musste sich erneut der BGH befassen.

A. Sachverhalt

A hatte sich mit dem Opfer O überworfen, was zur Folge hatte, dass sich beide wechselseitig über eine Internetplattform beleidigten. A plante nunmehr, O eine Abreibung zu verpassen, ihn einzuschüchtern und zu erniedrigen und ihm sein Mobiltelefon wegzunehmen, damit er sich über einen gewissen Zeitraum hinweg nicht mehr abfällig über A äußern könne.

Entsprechend suchte er zusammen mit dem Mitangeklagten B den O in seinem Zimmer auf. Beide schlugen auf O mit der flachen Hand an verschiedenen Stellen seines Körpers ein, zudem wurde er durch B mit einem Wurfdolch und der Ankündigung, man werde O die Zunge herausschneiden, bedroht. Während B den O festhielt, griff A in die Hosentasche des O und nahm das Handy an sich. Anschließend entfernten sich beide Täter. Was danach mit dem Handy geschah, ließ sich nicht mehr aufklären.

B. Entscheidung

Das LG Augsburg verurteilte A wegen besonders schwerem Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der BGH (Beschl. v. 03.04.2024 – 1 StR 75/24) hob die Verurteilung wegen besonders schwerem Raub auf.

Problematisch ist vorliegend die Zueignungsabsicht. Wir starten aber zunächst mit der Prüfung des objektiven Tatbestands. Da B den Wurfdolch verwendete und O festhielt, während A das Handy an sich nahm, kommt eine mittäterschaftliche Verwirklichung des Delikts in Betracht.

Strafbarkeit gem. §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 25 II StGB

I. Objektiver Tatbestand

Das Handy stand im Eigentum des O und war damit für A eine fremde bewegliche Sache.

Den Gewahrsam an der Sache hat A aufgehoben, indem er O das Handy aus der Hosentasche zog und anschließend mit diesem das Zimmer verließ. Darin liegt eine Wegnahme gegen den Willen des O.

Das Einschlagen auf O stellt eine körperliche Gewaltanwendung dar. Darüber hinaus liegt in dem Festhalten des O eine weitere Gewaltanwendung.

Indem B dem O zudem den Wurfdolch vorhielt und ihm erklärte, man werde ihm die Zunge herausschneiden, bedrohte er ihn darüber hinaus mit einem empfindlichen Übel für Leib und Leben und verwendete zugleich gem. § 250 II Nr. 1 StGB eine Waffe.

Die Handlungen des B können A über § 25 II StGB zugerechnet werden. Sie wurden im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans ausgeführt. Darüber hinaus vermittelten die eigenen Handlungen des A diesem im Zusammenwirken mit B auch Tatherrschaft.

Die Gewaltanwendungen und Drohungen sollten zwar vor allem den O einschüchtern und demütigen und ihn davon abhalten, Beleidigungen über die Internetplattform auszusprechen. Sie dienten aber auch der Wegnahme des Handys. Vor allem das Festhalten des O stand im subjektiv finalen Zusammenhang mit der Wegnahme.

Der objektive Tatbestand ist damit verwirklicht.

II. Subjektiver Tatbestand

A handelte zunächst mit Wissen und Wollen und damit vorsätzlich gem. § 15 StGB.

Er müsste zudem aber auch in der Absicht gehandelt haben, sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen. Diese Absicht kann sich zum einen auf die Sache ihrer Substanz nach, aber auch auf den in der Sache verkörperten Wert richten. Zu unterscheiden sind die Enteignungs- und die Aneignungskomponente. Zum einen muss sich der Vorsatz des Täters auf die dauerhafte Verdrängung des Eigentümers aus seiner wirtschaftlichen Position richten, wobei dolus eventualis ausreicht. Zum anderen muss der Täter beabsichtigen, sich oder einen Dritten wirtschaftlich an die Stelle des Eigentümers zu setzen. Hierzu bedarf es dolus directus ersten Grades.

Zu den Voraussetzungen der Zueignungsabsicht führt der BGH Folgendes aus:

„Die Zueignungsabsicht setzt voraus, dass der Täter im Zeitpunkt der Wegnahme die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder einen Dritten erlangen und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem eines Dritten „einverleiben“ will. Der Täter muss mithin neben der dauernden Enteignung des Berechtigten, für die bedingter Vorsatz genügt, die Aneignung der Sache beabsichtigen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass er diese auf Dauer behalten will. Jedoch muss er die – wenn auch möglicherweise nur vorübergehende – Aneignung zum Wegnahmezeitpunkt mit unbedingtem Willen erstreben. Andernfalls handelt es sich lediglich um eine Sachentziehung, die – auch wenn der bisherige Eigentümer damit dauerhaft aus seiner Position verdrängt wird – keine Form der Aneignung ist. Deshalb ist eine Aneignungsabsicht zu verneinen, wenn der Täter die Sache – ohne sie behalten zu wollen – an sich bringt, um sie sogleich zu beschädigen oder wegzuwerfen oder gar zu zerstören.“

In den Fällen des Wegwerfens, Beschädigens oder Zerstörens kann sich ein Täter gem. § 303 StGB strafbar machen. Die Aneignungskomponente grenzt mithin den Diebstahl oder Raub von der Sachbeschädigung ab.

Beabsichtigt der Täter während der Tatbegehung die spätere Entsorgung der Sache, dann kommt es darauf an, wie er in der Zwischenzeit mit der Sache verfahren möchte. Dazu führt der BGH Folgendes aus:

„Ob bei einer der geplanten Entsorgung vorausgehenden Nutzung der entwendeten Sache diese dem Vermögen des Täters zugeführt werden soll, ist letztendlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Dabei ist jeweils insbesondere von Bedeutung, ob er in irgendeiner Weise im weitesten Sinne wirtschaftlich von dem Gebrauch profitieren und aus der Nutzung mittelbar oder unmittelbar einen irgendwie gearteten wirtschaftlichen oder jedenfalls materiellen Vorteil ziehen will. … Wenn der Täter neben der Aneignung mit der Wegnahme ein weiteres Ziel erstrebt, steht dies der Annahme der Zueignungsabsicht nicht entgegen.“

Nach Auffassung des BGH hatte das Landgericht an dieser Stelle keine tragfähige Begründung für die Aneignungskomponente geliefert. Lässt sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beweisen, dass der Täter die Sache mittelbar oder unmittelbar wirtschaftlich nutzen wollte, dann muss nach dem Grundsatz in-dubio-pro-reo davon ausgegangen werden, dass er die Sache wegnahm, um sie alsdann wegzuwerfen oder zu zerstören. Hierfür spricht vorliegend vor allem die primäre Intention des A, O von weiteren Kommentaren abzuhalten. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass A das Handy wirtschaftlich nutzen wollte.

Eine Strafbarkeit wegen Raub scheidet damit aus.

Der BGH hat sich anschließend darüber Gedanken gemacht, ob nicht eine schwere räuberische Erpressung verwirklicht sein könnte. Da für den BGH das Dulden einer Wegnahme als abgenötigtes Opferverhalten ausreicht, eine Vermögensverfügung also nicht erforderlich ist, ist der objektive Tatbestand verwirklicht. Problematisch ist erneut der subjektive Tatbestand. Dieser setzt eine Bereicherungsabsicht voraus. Diese Absicht hat der BGH vorliegend verneint und Folgendes ausgeführt:

„Bei fehlender Zueignungsabsicht kann die Strafvorschrift der räuberischen Erpressung angewendet werden. Dazu müssten die Angeklagten in der Absicht gehandelt haben, sich oder einen Dritten zu bereichern. Der bloße Besitz einer Sache ist aber nur dann ein Vermögensvorteil, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt. … Die erforderliche Bereicherungsabsicht fehlt auch dann, wenn es dem Täter beim Abpressen eines Mobiltelefons nur darum geht, dem Opfer einen Denkzettel zu verpassen … oder es zu isolieren.“

Da es A hier primär darum ging, dem O die Nutzung des Handys unmöglich zu machen, nicht aber um den Besitz am Handy, kann eine auf Bereicherung ausgelegte Absicht nicht angenommen werden.

C. Prüfungsrelevanz

Die „Handy-Fälle“ beschäftigen den BGH regelmäßig, weswegen sie ebenso regelmäßig Gegenstand Deiner Klausur sind. Häufig geht es um die Abgrenzung Trickdiebstahl - Sachbetrug oder wie hier um die Abgrenzung Raub - räuberische Erpressung, welche in einer Klausur ausführlicher dargestellt werden müsste. Eine Vermögensverfügung des O ist hier nicht gegeben, sodass die h.Lit. gar nicht zur Prüfung des subjektiven Tatbestandes kommen würde. Den Streit würdest Du bei § 249 StGB im Rahmen der Wegnahme darstellen. Da hier beide Auffassungen zum selben Ergebnis gelangen, könnte man den Streitentscheid offenlassen. Eine nachfolgende Prüfung der räuberischen Erpressung macht aber nur dann Sinn, wenn man diese mit dem BGH als Auffangtatbestand ansieht. Gleichwohl kannst Du in einer Klausur die räuberische Erpressung anprüfen, beim abgenötigten Opferverhalten deutlich machen, dass dieses nur nach der Auffassung des BGH die Anforderungen erfüllt und dann darauf hinweisen, dass letztlich aber auch eine Strafbarkeit aus §§ 253, 255 StGB nicht in Betracht kommt, da dem Täter die erforderliche Bereicherungsabsicht fehlt.

(BGH Beschl. v. 03.04.2024 – 1 StR 75/24)

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