Aktuelles aus der Rechtsprechung zur Halterhaftung nach § 7 StVG

Aktuelles aus der Rechtsprechung zur Halterhaftung nach § 7 StVG

Neues vom OLG Celle zum Tragen von Schutzkleidung beim Motorradfahren

Das OLG Celle musste sich jüngst damit auseinandersetzen, wie sich das Nichttragen von Motorradschutzkleidung im Rahmen eines Verkehrsunfalls auswirkt. Kann dies ein Mitverschulden nach § 254 I BGB begründen? Wie so oft lautet die Antwort auch hier: Es kommt auf den Einzelfall an.

Was ist passiert?

Der Kläger in diesem Rechtsstreit ist ein verletzter Motorradfahrer, der außer einem Helm keine weitere Schutzkleidung trug. Bei dem Versuch, ein landwirtschaftliches Fahrzeug zu überholen, wurde der Kläger verletzt, weil der Fahrer plötzlich vor ihm ausscherte. Beim Tragen von weiterer Schutzkleidung, insbesondere einer Motorradhose, wären die Verletzungen bei dem Kläger nicht derart schwer eingetreten.

Rechtliche Einordnung

Materiell-rechtlich stand hier der Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 7 I StVG im Urteil des OLG Celle (Urt. v. 13.3.2024 – 14 U 122/23) im Vordergrund. Das Gericht schrieb dem klagenden Motorradfahrer kein anspruchskürzendes Mitverschulden gemäß § 254 I BGB zu und gab der Klage statt. Seine Entscheidung begründete es damit, dass für die Beurteilung des Mitverschuldens nach § 254 I BGB maßgeblich sei, inwieweit ein allgemeines Verkehrsbewusstsein zum Tragen von Schutzkleidung bestehe. Auch wenn eine gesetzliche Regelung fehle, führe dieser Umstand nicht automatisch zur Ablehnung eines möglichen Mitverschuldens. Hier spiele die berühmte Einzelfallbetrachtung eine Rolle. Das Gericht sieht den Maßstab darin, ob der Verletzte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Das Gericht berücksichtigte hier, dass im Jahr 2021 nur 24,6 % der Motorradfahrer eine komplette Schutzkleidung trugen. Daher könne man nicht von einem allgemeinen Verkehrsbewusstsein für das Tragen von Motorradschutzkleidung ausgehen.

Prüfungsrelevanz

Der Anspruch aus § 7 I StVG ist sowohl im ersten als auch im zweiten Examen ein beliebtes Prüfungsthema. Die Halterhaftung ist von einer zahlreichen Kasuistik geprägt und beschäftigt OLG und BGH regelmäßig.

Es lohnt sich daher, dass Du Dir die jeweiligen Prüfungspunkte noch einmal genauer anschaust und die aktuelle Rechtsprechung hierzu kennst. Insbesondere der Prüfungspunkt „bei Betrieb eines Kfz“ stellt die Rechtsprechung immer wieder vor neue Fragen. So hat der BGH vor kurzem in seiner Entscheidung vom 27.2.2024 (Az. VI ZR 80/23) seine „Traubenvollernter Entscheidung I“ aus dem Jahr 2023 bestätigt und erneut festgestellt, dass die Verunreinigung von Trauben bei der Ernte durch Hydrauliköl nicht dem Betrieb des Traubenvollernters zuzurechnen sei. Der Traubenvollernter sei hauptsächlich als Arbeitsmaschine eingesetzt worden und gerade nicht in der Funktion als Fortbewegungs- und Transportmittel.

Auch zum Prüfungspunkt Schaden hat das OLG Schleswig im April diesen Jahres eine klausurrelevante Entscheidung getroffen. In seinem Urteil vom 16.4.2024 (Az. 7 U 109/23) hat es zum ersatzfähigen Schaden entschieden, dass die Anschaffung eines Übergangsfahrzeugs bei einer sehr langen Reparaturdauer ausnahmsweise zur Schadensminderungspflicht zählen und zur Anspruchskürzung führen könne. Das Gericht sprach dem Kläger daher nur einen anteiligen Nutzungsausfallschaden zu. Sei erkennbar, dass die geplante Reparaturdauer nicht realistisch sei und deutlich mehr Zeit in Anspruch nehme als geplant, ergebe sich laut dem OLG hieraus die Obliegenheit, die Schadensausweitung wegen Nutzungsausfall so gut wie möglich einzudämmen. Stelle sich dabei heraus, dass die Anmietung eines Übergangsfahrzeuges kostengünstiger sei, zähle die Anmietung unter die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 I BGB. Gut zu wissen ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Kläger in diesem Fall das Wissen der Werkstatt bezüglich der Reparaturverzögerung gemäß § 166 BGB analog zurechnen lassen musste.

Resümee

Ein Anspruch aus § 7 I StVG kann Dir bereits in den Scheinklausuren vom Hauptstudium über den Weg laufen. Im ersten und zweiten Examen sind es sogar richtige Dauerbrenner. Deine rechtliche Würdigung solltest Du immer anhand des allgemeinen Verkehrsbewusstseins vornehmen und stets berücksichtigen, unter welchen Umständen sich der jeweilige Unfall ereignet hat. Gerade hier können schon minimale Unterschiede zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen. Auch an eine mögliche Anspruchskürzung aus § 254 I BGB solltest Du in solchen Fällen immer denken.

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