Reiner Wein in Sachen Betriebsgefahr

Reiner Wein in Sachen Betriebsgefahr

Der BGH zur Halterhaftung

Schon den Römern war klar, dass im Wein die Wahrheit liegt und es Menschen entsprechend schwerfällt, unter Alkoholeinfluss Lügen zu verbreiten. Auf Hochprozentiges wird heutzutage bei der Wahrheitsfindung im Gerichtssaal zwar nicht zurückgegriffen, jedoch bedurfte es eines solchen Hilfsmittels im vorliegenden Fall auch gar nicht erst - Der Sachverhalt war weitestgehend unstreitig. Allein die rechtliche Einordnung des Ganzen machte den Gerichten gleich in drei Instanzen Umstände und bereitete möglicherweise Kopfschmerzen bis der BGH den Betroffenen zur Betriebsgefahr im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 7 I StVG reinen Wein einschenkte.

Ausgangslage

Die Klägerin beauftragte den Inhaber eines landwirtschaftlichen Lohnunternehmens damit, die Weinlese an ihrem Weinberg durchzuführen. Ein Mitarbeiter des Lohnunternehmers fuhr sodann mit einem Traubenvollernter an den Rebstöcken entlang und erntete insgesamt etwa 2,5 Tonnen Trauben. Bei den Arbeiten vernahmen sowohl die Klägerin als auch der Fahrer der Maschine einen Dieselgeruch. Als sie dem auf den Grund gingen, offenbarte sich ein Leck in der Dieselleitung des Traubenvollernters. Es kam, wie es kommen musste: Nach dem Pressen der Trauben und einer anschließenden chemisch-analytischen Untersuchung zeigte sich die Kontaminierung der Früchte mit dem Kraftstoff. Sodann erhob die Eigentümerin des Weinbergs Klage gegen den Lohnunternehmer, der gleichzeitig Halter des Fahrzeuges ist, und forderte unter anderem Schadensersatz in Höhe von 17.000 Euro für die Verunreinigung der Trauben.

Das Landgericht Trier sah keine Pflichtverletzung seitens des Beklagten und hielt ein sonstiges schuldhaftes Verhalten seinerseits ebenfalls für nicht gegeben. Dieser Wertung schlossen sich im Folgenden auch das OLG Koblenz und der BGH an, sodass sich die Fallfrage darauf verdichtet, ob ein Anspruch aus der Halterhaftung nach § 7 I StVG besteht.

Entscheidung des OLG Koblenz

Die Berufung der Klägerin vor dem OLG Koblenz hatte Erfolg: Ihr wurde die vollen 17.000 Euro zugesprochen. Ein Anspruch nach der Halterhaftung bestünde nach der Auffassung des Senates, da der als Arbeitsmaschine eingesetzte Traubenernter notwendigerweise einen stetigen Ortswechsel bei der Ernte vollziehe, sodass die der Arbeit immanente Bewegung zur Verwirklichung des Merkmals „bei dem Betrieb“ nach § 7 I StVG führe. Schließlich würden Menschen und Sachen hierdurch in verkehrstypischerweise den Gefahren ausgesetzt, für die der Halter nach § 7 I StVG generelle Verantwortung trage.

Ferner spiele es keine Rolle, dass sich das Schadensereignis auf einem Privatgelände zugetragen habe, da die Norm gerade keine Fortbewegung im Bereich einer öffentlichen Verkehrsfläche voraussetze. Schließlich sei auch der Ausschlussgrund des § 8 Nr. 3 StVG nicht einschlägig. Die Trauben seien nicht als beförderte Sachen anzusehen, weil der Erntevorgang eine vorübergehende Verbindung mit dem Fahrzeug zwangsläufig erfordere, wodurch allerdings kein Transportzweck im Sinne des § 8 Nr. 3 StVG verfolgt werden würde.

Entscheidung des BGH

Der BGH, der sich der Sache im Rahmen der Revision des Beklagten annahm, war von der Argumentation des OLG nicht überzeugt. Eine Kontaminierung der Trauben habe bereits nicht „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ im Sinne des § 7 I StVG stattgefunden.

Zwar sei dieses Haftungsmerkmal nach dem Schutzzweck der Norm wegen der erlaubten Eröffnung einer Gefahrenquelle weit auszulegen, jedoch müsse der Schadenseintritt „in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges“ stehen. Für Kraftfahrzeuge mit Arbeitsfunktion führt dies dazu, dass jedenfalls eine Verbindung zur Fortbewegungs- und der Transportfunktion dieser Maschine bestehen müsse. Hierbei käme es unter anderem auf den konkreten Einsatzbereich des Fahrzeuges sowie auf die weiteren Umstände des Einzelfalles an. Bei dieser Gelegenheit zieht der Senat den Vergleich zu Mähfahrzeugen auf Autobahnen sowie Streufahrzeugen, deren Einsatz gegenüber der streitgegenständlichen Maschine in einer deutlich größeren örtlichen Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfinde. Da das Kraftfahrzeug des Beklagten weder auf einer öffentlichen noch auf einer privaten Verkehrsfläche verwendet worden sei und seine Fortbewegung allein der Bestellung des landwirtschaftlich genutzten Weinberges dient, ordne sich die Transportfunktion der Funktion als Arbeitsmaschine unter. Im Ergebnis sei der Schadenverlauf somit nicht durch den Betrieb des Traubenvollernters geprägt worden.

Eine andere Wertung ergäbe sich auch nicht, wenn die Kontaminierung erst nach dem Erntevorgang bei einem nicht hinreichend dargelegten Transport zu einer Straße erfolgt wäre. In diesem Fall würde jedenfalls der Ausschlussgrund des § 8 Nr. 3 StVG eingreifen, weil zu diesem Zeitpunkt gleichwohl ein Befördern im Sinne des Ausschlussgrundes vorgelegen hätte.

Ausblick

Nicht nur Referendare dürften hier aufhorchen, weil der Verkehrsunfall in jeder erdenklichen Einbettung ein Dauerbrenner im zweiten Staatsexamen ist. Aus diesem Urteil lässt sich – natürlich bei entsprechender Anreicherung mit weiteren Problemen- eine Schadensersatzklausur erstellen, anhand derer die Prüflinge ihr Wissen zur Abgrenzung der (vermuteten) Verschuldenshaftung von der Gefährdungshaftung unter Beweis stellen können. Darüber hinaus lohnt sich einmal mehr ein gutes Systemverständnis sowie die Fähigkeit, aus dem Schutzzweck der Norm ihre Funktion herleiten zu können. Es sollte im Gedächtnis bleiben, dass der BGH seine Linie bestätigt, die er bereits hinsichtlich eines Schadensereignisses aufgrund eines zum Mähen einer Weidefläche genutzten Traktors fuhr: Ein Anspruch aus § 7 I StVG bestehe nicht, wenn die Maschine als reine Arbeitsmaschine eingesetzt wird, sodass die Zwecke der Fortbewegung und des Transports nach § 1 II StVG gerade keine relevante Rolle spielen.

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