BGH zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld

BGH zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld

Kann der Erwerber eines mit einer Sicherungsgrundschuld bereits belasteten Grundstücks Einreden nach § 1192 Ia BGB geltend machen?

Nach § 1192 Ia BGB kann der Eigentümer bei einer Sicherungsgrundschuld auch Einreden aus dem Sicherungsvertrag erheben. Ist dies aber auch der Fall, wenn das von ihm erworbene Grundstück zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits mit einer Sicherungsgrundschuld belastet war?

A. Sachverhalt

Der Kläger (K) veräußerte 1999 sein mit einem Hotel bebauten Grundstück an die P-GbR. 2003 bestellte diese zugunsten der H-Bank zwecks Sicherung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs eine Grundschuld i.H.v. 2 Mio. Euro nebst 15 % Zinsen. Einige Monate später wurde zugunsten des K eine Rückauflassungsvormerkung aufgrund eines Rückabwicklungsanspruchs gegen die P-GbR im Grundbuch eingetragen. 2008 sollten die Darlehensverbindlichkeiten bei der H-Bank umgeschuldet werden. Die D-Bank gewährte der P-GmbH ein entsprechendes Darlehen und nach dem Sicherungsvertrag sicherte die Grundschuld nun alle Ansprüche der D-Bank. Diese tilgte die Kredite bei der H-Bank und diese trat die Grundschuld an die D-Bank ab. 2009 wurde der Rechtsstreit zwischen K und der P-GbR rechtskräftig entschieden und die P-GbR verurteilt, das Grundstück frei von der Grundschuld an den K herauszugeben. 2010 wurde K wieder als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. 2011 kündigte die D-Bank das Darlehen und schloss 2013 mit der P-GmbH und der V-GmbH einen Schuldübernahmevertrag. Die V-GmbH war die Übernehmerin. Einen Teil der Darlehensschuld i.H.v. 500.000 Euro veräußerte die D-GmbH an die Beklagte (B), welcher auch die Grundschuld in dieser Höhe abgetreten wurde. Dies wurde 2014 im Grundbuch eingetragen. 2015 erhielt B eine vollstreckbare Ausfertigung über 500.000 Euro. Aus diesem Titel betreibt B die Zwangsversteigerung und -verwaltung des Hotelgrundstücks. Dagegen wendet sich K unter anderem mit der Vollstreckungsgegenklage.

B. Entscheidung

K begehrt die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde i.H.v. 500.000 Euro nach § 767 I ZPO unzulässig ist.

Die zulässige Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie begründet ist. Das setzt zunächst entsprechende materiell-rechtliche Einwendungen nach § 767 I ZPO voraus. B betreibt die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde nach § 794 I Nr. 5 ZPO. Insofern findet über § 795 S. 1 ZPO auch die Vorschrift des § 767 ZPO entsprechende Anwendung.

I. Materiell-rechtliche Einwendungen

K könnte einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld haben und dies könnte er gegebenenfalls einredeweise der B nach §§ 1192 Ia, 1169 BGB entgegenhalten.

1. Allgemeines

Sofern ein Grundstückseigentümer eine Sicherungsgrundschuld bestellt hat, hat er

aus dem Sicherungsvertrag gegen den Sicherungsnehmer einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Abtretung, auf Verzicht oder auf Aufhebung des nicht (mehr) valutierten Teils der Grundschuld hat. Mit diesem Anspruch erlangt der Besteller der Sicherungsgrundschuld zugleich auch die Einreden nach §§ 1169, 1192 BGB, durch die die Geltendmachung der Grundschuld dauernd ausgeschlossen wird …. Grundlage für den Anspruch gegen den Grundschuldgläubiger auf Übertragung bzw. Abtretung oder Verzicht (§§ 1168, 1192 BGB) oder Aufhebung (§§ 875, 1183, 1192 BGB) des nicht valutierten Teils der Grundschuld ist der Sicherungsvertrag.

2. Anspruch auf Rückgewähr Grundschuld aus Sicherungsvertrag

Dementsprechend kann die Vollstreckungsgegenklage nur erfolgreich sein, sofern K aus dem Sicherungsvertrag

einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld hat und er die Einrede gem. §§ 1192 Ia, 1169 BGB der Bekl. als Zessionarin der Sicherungsgrundschuld entgegensetzen kann (§§ 767 I, 794 I Nr. 5, 795 ZPO).

Allerdings steht K aus dem Sicherungsvertrag von 2003 kein entsprechender Rückgewähranspruch zu.

Er war nicht Partei der Sicherungsabrede. … Jedenfalls hat die P-GbR die Grundschuld bestellt und war dazu als damalige Eigentümerin dinglich berechtigt. Ihre Eigentümerstellung war entgegen der Ansicht des BerGer. im Verhältnis zu dem Kl. nicht nur formal. Sie konnte trotz der Annahme eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses in dem Urteil des BGH vom 7.2.2003 die Grundschuld bestellen und diese zur Sicherung von Verbindlichkeiten der V-GbR zur Verfügung stellen. Dass sie sich dadurch möglicherweise Schadensersatzansprüchen aus dem Rückgewährschuldverhältnis aussetzte, hat mit der dinglichen Berechtigung nichts zu tun. Die Grundschuldbestellung ist auch wirksam. Das BerGer. verneint eine Nichtigkeit der Grundschuldbestellung im Jahr 2003 unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB § 138 Absatz I BGB wegen eines kollusiven Zusammenwirkens der P-GbR und der Landesbank S.

Aber auch der P-GbR steht kein solcher Rückgewähranspruch zu, der gegebenenfalls auf K übergegangen sein könnte. Aber selbst wenn dieser entstanden wäre, wäre er

jedenfalls dadurch erfüllt worden, dass die H-AG die Grundschuld in Umsetzung der Umschuldungsvereinbarungen am 17.9.2008 an die D-AG abgetreten hat.

Zudem kann B auch nicht Schuldnerin eines Rückgewähranspruchs sein. Dies ergibt sich auch nicht aus § 1192 Ia S.1, 1. Hs. BGB. Danach können bei einer Sicherungsgrundschuld Einreden, die dem Eigentümer aufgrund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen Gläubiger gegen die Grundschuld zustehen oder sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld entgegengesetzt werden. Als die Grundschuld bestellt wurde, war K jedoch nicht Eigentümer des Grundstücks und er war auch nicht der Sicherungsgeber.

Er hat vielmehr das Eigentum an dem Grundstück belastet mit der von der P-GbR bestellten Sicherungsgrundschuld zurückerlangt. Im Verhältnis zu ihm hat die Grundschuld keinen Bezug zu einer gesicherten Forderung (sog. isolierte Grundschuld …). Die Vorschrift des § 1192 Ia BGB findet auf den Erwerber eines bereits mit einer Sicherungsgrundschuld belasteten Grundstücks keine Anwendung; er kann aus dem Wegfall des Sicherungszwecks nur dann eine Einrede herleiten, wenn der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld an ihn abgetreten wurde oder er in den Sicherungsvertrag eingetreten ist.

3. Stillschweigende Abtretung Rückgewähranspruch

Zwar kommt auch eine stillschweigende Abtretung eines etwaigen Rückgewähranspruchs im Rahmen einer Grundstücksrückübertragung in Betracht. Jedoch wäre dieser etwaige Anspruch

zu keinem Zeitpunkt fällig geworden; jedenfalls wäre er im Rahmen der Umschuldung 2008 erfüllt worden.

4. Vormerkungswidrige Verfügung nach § 883 II BGB

Möglicherweise könnte jedoch eine relative Unwirksamkeit nach § 883 II 1 BGB vorliegen. Danach ist eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde.

Verfügungen iSd § 883 II BGB sind alle Rechtsgeschäfte, durch die ein bestehendes Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder inhaltlich geändert wird …. Eine Grundschuldbestellung stellt zwar eine Verfügung iSd § 883 II BGB dar. Die Sicherungsgrundschuld ist hier aber, wie das BerGer. richtig sieht, nicht vormerkungswidrig, weil sie bereits 2003 und damit vor der Vormerkung in das Grundbuch eingetragen worden ist. Sie ist daher vorrangig (§ 883 III BGB). Vor einer Revalutierung einer vorrangigen Sicherungsgrundschuld ist der Eigentümer nicht nach § 883 II BGB geschützt. Auch die Änderung der auf eine vorrangige Grundschuld bezogenen Sicherungsvereinbarung ist keine vormerkungswidrige Verfügung iSv § 883 II BGB. Sie hat keine dingliche Wirkung, sondern betrifft allein das Treuhandverhältnis zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer.

Eine analoge Anwendung des § 883 II BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dafür fehlt es schon an einem vergleichbaren Sachverhalt.

Eine entsprechende Anwendbarkeit von § 883 II BGB auf den obligatorischen Vertrag über die Vermietung eines Grundstücks hat der BGH verneint …. Für die Sicherungsabrede gilt das erst recht. Die Änderung der Sicherungsabrede ist mit der Neubestellung der Grundschuld nicht vergleichbar, und zwar auch dann nicht, wenn der Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsgebers – woran es hier ohnehin fehlt (vgl. Rn. 13) – bereits entstanden war. Sie ist rein schuldrechtlicher Natur und kann den Erwerb des Eigentums nicht gem. § 883 II BGB vereiteln oder beeinträchtigen.

K hat also keinen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld und dementsprechend kann er auch nichts einredeweise der B nach §§ 1192 Ia, 1169 BGB entgegenhalten.

5. Erlöschen Grundschuld nach § 418 I 2 BGB

Möglicherweise ist jedoch die Grundschuld aufgrund der Schuldübernahme nach § 418 I 2 BGB erloschen. Dann wäre eine Eigentümergrundschuld nach §§ 1177 I, 1168 I BGB entstanden. Zwar findet § 418 I 2 BGB auf die Sicherungsgrundschuld im Wege der Analogie grundsätzlich Anwendung. Aber

Der Normzweck des § 418 I 2 BGB greift aber nicht ein, wenn der Eigentümer das mit der Grundschuld belastete Grundstück erworben hat, ohne in die Sicherungsabrede einzutreten. Dann hat er kein schützenswertes Vertrauen in die Person des Schuldners gehegt. Nach einer auf die gesicherte Forderung bezogenen Schuldübernahme geht eine Sicherungsgrundschuld nicht auf den Eigentümer über, der das bereits belastete Grundstück erworben hat und nicht Partei der Sicherungsabrede ist. So ist es hier. Der Kl. hat sein Grundstück veräußert und die Sicherungsgrundschuld wurde ohne sein Zutun von dem Erwerber, der P-GbR, bestellt. Im Verhältnis zu dem Kl., der das Eigentum an dem Grundstück belastet mit der Grundschuld zurückerlangt hat, handelt es sich um eine isolierte Grundschuld. Für diese gilt § 418 I 2 BGB nicht.

Somit stehen K keine materiell-rechtlichen Einwände nach § 767 I ZPO zu. Die Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet und hat damit keine Aussicht auf Erfolg.

Ergebnis

K begehrt zu Unrecht die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde i.H.v. 500.000 Euro nach § 767 I ZPO unzulässig ist.

C. Prüfungsrelevanz

Ab und zu ist auch im ersten juristischen Staatsexamen die Vollstreckungsgegenklage in ihren Grundzügen Prüfungsgegenstand. Im Kern der Prüfung geht es dann immer um die materiell-rechtlichen Einwendungen.

Die Entscheidung ist sehr prüfungsrelevant, da sie die Möglichkeit bietet, das Prozessrecht mit dem materiellen Recht zu kombinieren. Dabei bedarf es einer genauen Prüfung des § 1192 Ia BGB, ob Einreden aus dem Sicherungsvertrag gegen die Sicherungsgrundschuld geltend gemacht werden können. Zudem kann am Rande noch die Vormerkung mit § 883 II BGB und die Schuldübernahme nach § 418 I 2 BGB einbezogen werden. In der Originalentscheidung ging es zudem noch um die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO und die Titelherausgabe nach § 371 BGB analog.

(BGH Urt. v. 20.10.2023 – V ZR 9/22)

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