Eine Polizeihauptkommissarin aus Brandenburg stellte vor über 10 Jahren einen Antrag auf Befreiung von der Kennzeichnungspflicht. Sie durchlief mit diesem Anliegen alle Instanzen und rügte letztlich eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 1 I GG. Außerdem genüge die angegriffene Regelung insgesamt nicht dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 I und III GG. Das Bundesverfassungsgericht nahm aber die Entscheidung im letzten Jahr nicht an und beendete das Verfahren per Beschluss.
Wir haben zur Veranschaulichung daher in der Besprechung des Beschlusses des BVerfG auch auf das Urteil des BVerwG (Urteil vom 26.09.2019 - 2.C 33.18) Bezug genommen, da das BVerfG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (unzulässige Verfassungsbeschwerde). Das BVerfG musste deshalb die materiellen Gründe für die Verfassungsmäßigkeit der Pflicht, ein Namensschild zu tragen, nicht so darlegen, wie dies das BVerwG in seinem Urteil ausführlich getan hat.
A. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist Polizeihauptkommissarin im Land Brandenburg. Sie wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen die Verpflichtung zum Tragen eines Namensschildes an ihrer Dienstkleidung.
1. Gesetzliche Regelung im Brandenburgischen Polizeigesetz
Das Land Brandenburg hat mit Wirkung zum 1. Januar 2013 in § 9 II des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) geregelt, dass Polizeivollzugsbedienstete bei Amtshandlungen an ihrer Dienstkleidung ein Namensschild zu tragen haben (Siebentes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes vom 9. Juli 2011- GVBL I 10). Gemäß § 9 II S. 2 BbgPolG wird beim Einsatz geschlossener Einheiten das Namensschild durch eine geeignete Kennzeichnung ersetzt. Nach § 9 III BbgPolG gilt die Legitimationspflicht und die namentliche Kennzeichnung nicht, soweit der Zweck der Maßnahme oder Amtshandlung oder überwiegend schutzwürdige Belange des Polizeivollzugsbediensteten dadurch beeinträchtigt werden. § 9 IV BbgPolG enthält die Ermächtigung des für Inneres zuständigen Mitgliedes der Landesregierung, Inhalt, Umfang und Ausnahmen von diesen Verpflichtungen durch Verwaltungsvorschrift zu regeln. Nach Ziffer 4.3 der Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnungspflicht in der Fassung vom 7. November 2018 (ABl Nr. 48 S. 1187) heißt es: „Polizeivollzugsbedienstete können von der namentlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden, wenn aufgrund polizeilicher Erfahrung oder anderer konkreter Umstände zu erwarten ist, dass unter Nutzung der namentlichen Kennzeichnungspflicht außerdienstliche Daten über den Polizeivollzugsbediensteten erlangt werden sollen.“
Die Bf beantragte im Frühjahr 2013 die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht. Das Polizeipräsidium lehnte den Antrag am 30. Mai 2013 ab; der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15. August 2013 zurückgewiesen. Das VG Potsdam wies die Klage der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Polizeipräsidiums mit Urteil vom 8. Dezember 2015 ab (VG 3 K 3564.13). Die Berufung blieb vor dem OVG Berlin-Brandenburg erfolglos (Urteil vom 5. September 2018, OVG 4 -B 4.17). Die von der Bf eingelegte Revision wies das BVerwG mit Urteil vom 26. September 2019 zurück.
2. Urteil des BVerwG vom 26.09.2019 - 2. C 33.18
(Die nachfolgenden Randnummern beziehen sich auf das Urteil des BVerwG)
Das BVerwG hat die Revision aus folgenden Gründen zurückgewiesen:
a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit des § 9 II S. 1 BbgPolG
Rn 11 Die Verpflichtung zum Tragen eines Namensschildes sei verfassungsgemäß. Sie diene in erster Linie der Stärkung der Transparenz und der Bürgernähe der Arbeit der Polizei; der Polizeibedienstete sei so mit seinem Namen (Nachnamen) ansprechbar.
Rn 13 Das Land Brandenburg habe hierfür die Gesetzgebungskompetenz, die sich aus der Befugnis zur Regelung des Erscheinungsbildes von uniformierten Polizeivollzugsbeamten sowie aus der Befugnis zur Regelung des Polizeirechts ergebe.
b) Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Rn 14 § 9 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG greife in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein. Diese Regelung genüge dem Gesetzesvorbehalt, da der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen (einschließlich der Ausnahmetatbestände) selbst getroffen habe. Sie sei auch verhältnismäßig und verstoße weder gegen das Gebot der Gleichbehandlung noch gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
Rn 15 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse die Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, welche persönlichen Lebenssachverhalte er offenbaren wolle. Der Schutz erstrecke sich auf alle Informationen, die etwas über die Bezugsperson aussagen können (Name, Anschrift etc.).
Dieses Recht, in das die Verpflichtung zum Tragen eines Namensschildes an der Dienstkleidung eingreife, werde allerdings nicht schrankenlos gewährleistet.Rn 17 Es könne auf Grundlage eines Gesetzes beschränkt werden, sofern dies im überwiegenden Allgemeininteresse liege. Dabei müssen die Voraussetzungen sowie der Umfang der Beschränkung klar aus dem Gesetz hervorgehen und der Grundsatz der Verhältnis- mäßigkeit gewahrt bleiben. Je stärker die Maßnahme in die Privatsphäre eingreife, desto klarer und bestimmter müsse die gesetzliche Regelung sein. Das BVerwG sieht diese Anforderungen bei der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz BbgPolG gewahrt.
c) Ausnahmeregelung nach § 9 III BbgPolG
Rn 20 Auch die Ausnahmeregelung für das Tragen des Namensschildes genügt nach Auffassung des BVerwG dem Gebot der Normenklarheit. Sie soll nur greifen, wenn Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Privatsphäre vorliegen, die über die regelmäßigen Nachteile, die mit dem Tragen des Namensschildes verbunden sind, soweit hinausgehen, dass das öffentliche Interesse an der namentlichen Kennzeichnung zurückzutreten hat.
Rn 22 Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, eine detailliertere Regelung für die Ausnahme zu treffen; dies wäre angesichts der Vielgestaltigkeit der Fallkonstellationen auch kaum leistbar. Die nach § 9 Abs. 3 BbgPolG zu treffende Prognoseentscheidung sei für das Polizeirecht typisch. Das BVerwG hält es auch für unbedenklich, wenn der Gesetzgeber Inhalt, Umfang und Ausnahmen von den Verpflichtungen nach § 9 Abs. 2 BbgPolG in Verwaltungsvorschriften regelt ( § 9 Abs. 4 BbgPolG), solange diese nicht über die gesetzgeberische Regelung hinausgehen.
d) Verhältnismäßigkeit
Rn 34 Die Pflicht zum Tragen eines Namensschildes ist nach Ansicht des BVerwG auch verhältnismäßig angesichts des Zweckes des Gesetzes, die Transparenz der Arbeit der Polizei zu erhalten und zu stärken. Die Beeinträchtigung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung müsse der Polizeibedienstete insoweit hinnehmen; der Familienname sei kein Datum aus der engeren Privatsphäre. Die Befürchtung, der Bedienstete werde ohne jeden Anlass mit Vorwürfen überzogen, habe sich nach der Feststellung des OVG bisher nicht bestätigt.
Rn 32 Die Erleichterung von Straf- und disziplinarrechtlicher Aufklärung rechtswidrigen Verhaltens von Polizeivollzugsbediensteten sei ebenfalls ein legitimer Zweck. Nach alledem sei die Verpflichtung zum Tragen eines Namensschildes erforderlich und geboten, um den Gesetzeszweck zu erreichen. Der Bedienstete werde dadurch nicht in seiner Menschenwürde verletzt; das Gewicht des Eingriffs sei bei der Offenbarung des Familiennamens relativ gering.
e) Kein Verstoß gegen Art. 3 I GG und keine Verletzung der Fürsorgepflicht
Rn 36 Das BVerwG sieht keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wenn nur Bedienstete in Dienstkleidung (Polizeiuniform) zum Tragen eines Namensschildes verpflichtet werden, nicht aber sonstige Bedienstete im Verwaltungsbereich; letztere hätten keinen ständigen, unmittelbaren Kontakt zum Bürger.
Rn 40 Der Dienstherr verletzt mit der Verpflichtung zum Tragen eines Namensschildes auch nicht seine Fürsorgepflicht (hergebrachter Grundsatz des Beamtenrechts im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG). Dem Beamten entstünden dadurch keine unzumutbaren Nachteile.
f) Einsatz geschlossener Einheiten
Rn 42 § 9 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG genügt auch dann den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn beim Einsatz geschlossener Einheiten an der Dienstkleidung statt des Namensschildes eine geeignete Kennzeichnung zu tragen ist.
Rn 46 Zwar sei auch die Kennzeichnung ein personenbezogenes Datum, sodass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert werde. Bei der Kennzeichnung trete der gesetzliche Zweck der Förderung der Transparenz in den Hintergrund. Der Zweck sei hier die Sicherung der Aufklärbarkeit etwaiger Straftaten oder erheblicher Dienstpflichtverletzungen einzelner Polizeivollzugsbediensteter.
Rn 51 Diese gesetzliche Kennzeichnungspflicht trägt auch der Rechtsprechung des EGMR Rechnung (mit Nachweisen).
Rn 55/57 Die Pflicht sei auch angemessen, da der Eingriff relativ gering sei und die Kennzeichnung keinen unmittelbaren Schluss auf die Person ermögliche. Das öffentliche Interesse, Straftaten oder erhebliche Dienstpflichtverletzungen bei Angehörigen geschlossener Einheiten aufklären zu können, sei gewichtiger als der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, zumal ein Angehöriger einer geschlossenen Einheit wegen seiner Ausrüstung regelmäßig schwer zu identifizieren sei.
Rn 60/61 Die Kennzeichnungspflicht ist nach Ansicht des BVerwG auch vereinbar mit der Richtlinie der EU 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten.
3. Verfassungsbeschwerde
(Die nachfolgenden Randnummern beziehen sich auf den Beschluss des BVerfG)
Rn 14 Die Bf hat am 19. Dezember 2019 Vb erhoben und die Verletzung von Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG gerügt. Ihre Vb bezieht sich nach ihrer Begründung allein auf die namentliche Kennzeichnungspflicht gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG und umfasst nicht mehr die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer geeigneten Kennzeichnung beim Einsatz geschlossener Einheiten (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG). Sie trägt vor, die angegriffenen Entscheidungen und § 9 Abs. 2-4 BbgPolG verletzten sie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG.
Rn 17/19 Die namentliche Kennzeichnungspflicht reiche in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung hinein, die vom Gesetz erzwungene Preisgabe des Familiennamens verstoße zudem gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Kennzeichnung mit einer Dienstnummer sei für eine effektive Strafermittlung ausreichend und stelle ein milderes Mittel dar. Die namentliche Kennzeichnung berge für Polizei- vollzugsbedienstete und ihr soziales Umfeld ein mögliches Gefahrenpotential.
Rn 20 Die Regelung des Gesetzgebers zur namentlichen Kennzeichnung genüge auch nicht dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot von Art. 20 Abs.1 und Abs. 3 GG, da der Gesetzgeber die Gruppe der Beamten, die von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen seien, nicht selbst geregelt habe, sondern dies Verwaltungsvorschriften überlassen habe.
II. Gründe
Rn 21 Das BVerfG hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen der § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorlagen. Das BVerfG ist der Ansicht, dass der Verfassungsbeschwerde weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukomme, noch sie zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Bf angezeigt sei, da die Vb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Vb ist nicht hinreichend substanziiert begründet und deshalb unzulässig.
1. Erfordernisse der Begründung nach § 92 BVerfGG
Rn 22 Das BVerfG betont, dass sich die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Vortrag der Bf ergeben müsse. Bei einer Vb gegen eine gerichtliche Entscheidung erfordere dies eine ins Einzelne gehende argumentative Befassung mit der angegriffenen Entscheidung und ihrer tragenden Begründungslinien. Diesen materiellen Substanziierungsanforderungen werde die Vb soweit sie sich gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums vom 30. Mai 2013 und dem Widerspruchsbescheid vom 15. August 2013, das Urteil des VG Potsdam (8. Dezember 2015) und das Urteil des OVG Berlin- Brandenburg vom 5. September 2018 richte, nicht gerecht. Die Bf gehe nicht inhaltlich auf die genannten Entscheidungen ein. Die Vb sei auch nicht hinreichend substanziiert begründet soweit sie sich gegen das Urteil des BVerwG wende.
2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Rn 25 Das BVerfG betont in Übereinstimmung mit dem Urteil des BVerwG, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch die Befugnis des Einzelnen enthält, selbst zu entscheiden, welche persönlichen Lebenssachverhalte er im Rahmen der informationellen Selbstbestimmung offenbaren will.
Rn 26 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werde jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Jenseits des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung könne es auf Grundlage eines Gesetzes beschränkt werden, sofern das im Allgemeininteresse liege. Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen müssten dabei klar aus dem Gesetz hervorgehen und auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsse beachtet werden. Dies allgemeinen Grundsätze gelten auch im Beamtenrecht.
3. Keine substanziierte Begründung durch die Beschwerdeführerin
a) Verhältnismäßigkeit
Rn 29 Der Kern des Vortrags der Bf, sie werde durch die namentliche Kennzeichnungspflicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde nicht beachtet, genügt nach Ansicht des BVerfG nicht, um die Voraussetzungen für eine Verfassungsbeschwerde zu erfüllen. Ihr Vorbringen, es würde eine Dienstnummer ausreichen, um den Zweck des Gesetzes zu erfüllen, verkenne, dass der Gesetzgeber mit der namentlichen Kennzeichnung die Bürgernähe der Polizei fördern wolle (siehe auch BVerwG aaO, S. 2 und 3 dieser Besprechung).
b) Gefahrenrisiko
Rn 3 Der Vortrag, dass erst im Nachhinein durch „googeln“ des Namens und weiterer Recherchen ein Gefahr für sie entstehen könne, sei zu pauschal und entbehre jeglicher realitätsnahen Darstellung.
Rn 33 Gegen die Feststellung des OVG, wonach eine Zunahme von Angriffen gegen Polizeivollzugsbedienstete nach Einführung des Namensschildes nicht festzustellen sei, hätte die Bf sowohl im Verfahren vor dem OVG als auch im Rahmen der Revision durch Verfahrensrügen vorgehen müssen, was sie nicht getan habe. Sie setze sich auch nicht mit der Statistik des Bundeskriminalamtes „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten“ auseinander.
c) Auskunftssperre
Rn 35 Die Rüge der Bf zu den Ausführungen des BVerwG über die Möglichkeit einer Auskunftssperre in Melderecht (§ 51 BMG) oder einer Übermittlungssperre nach § 41 StVG verkenne, dass sie als Bf eine solche Sperre selbst beantragen könne. Das Gleiche gelte für die Möglichkeit, sich im Internet hinsichtlich der Bekanntgabe weiterer Daten selbst zu schützen (Löschung persönlicher Daten). Diese Aspekte würden in der Verfassungsbeschwerde völlig ausgeblendet.
d) Grundsatz der Normenklarheit und –bestimmtheit (Art. 20 I und III GG)
Rn 37 Das BVerfG rügt, dass die Bf lediglich die Unbestimmtheit der Ausnahmeregelung moniert habe (§ 9 Abs. 3 BbgPolG) ohne sich mit den Argumenten des BverwG hierzu und der Frage auseinanderzusetzen, ob sich eine Konkretisierung der Kennzeichnungspflicht in Bezug auf spezielle Polizeieinheiten überhaupt auf der Ebene eines Gesetzes sinnvoll vornehmen ließe. Das Gleiche gelte für die Aussage des BVerwG, angesichts der Vielgestaltigkeit der denkbaren Fallkonstellationen könne vom Gesetzgeber eine detaillierte Regelung nicht verlangt werden.
Rn 38 Letztlich sei die Verfassungsbeschwerde auch unzulässig, soweit sich diese mittelbar gegen § 9 Abs. 2-4 BbgPolG und die Verwaltungsvorschrift „ Kennzeichnungspflicht“ wende, da die Verfassungsbeschwerde hierzu keinen gesonderten Vortrag enthalte.
Fazit
Beide Entscheidungen stellen klar, dass der Gesetzgeber die Polizeivollzugsbediensteten zum Tragen ihres Namens verpflichten darf, sofern hierfür ein öffentliches Interesse vorliegt. Der Gesetzgeber muss den damit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen in einem Gesetz regeln und die Voraussetzungen und den Umfang der Einschränkung gesetzlich festlegen und das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten. Auch die Ausnahmemöglichkeiten muss er im Gesetz festlegen, ohne allerdings jede mögliche Fallkonstellation im Detail regeln zu müssen. Dies darf bei einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung der Regierung im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift überlassen werden.
Es ist bemerkenswert, dass das BVerfG bei der Frage der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde (§ 93a II BVerfGG) strenge Anforderungen an die Begründungspflicht (§ 92 BVerfGG) stellt und eine eingehende, argumentative Befassung mit den angegriffenen Entscheidungen und deren Begründung verlangt. Ein lediglich pauschaler Vortrag (z.B. Rüge der Verhältnismäßigkeit, Eingriff in das Persönlichkeitsrecht etc.) reicht für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nicht aus.
(Urteil des BVerwG vom 26.09.2019 – 2 C 33.18 und Beschluss des BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats) vom 4.11.2022 – 2 BvR 2202/19)
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