Problem - Reichweite des Gesetzesvorbehalts

Problem - Reichweite des Gesetzesvorbehalts

Im Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Teil des Rechtsstaatsprinzips kann sich das Problem der Reichweite des Gesetzesvorbehalts stellen. Die Reichweite des Gesetzesvorbehalts betrifft die Frage, für welches Verhalten die Verwaltung eine Ermächtigungsgrundlage benötigt.

I. Eingriffsverwaltung

Im Rahmen der Eingriffsverwaltung, wenn also die Verwaltung in den Schutzbereich eines Grundrechts des Bürgers eingreift, ist stets eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich. Beispiel: Die Verwaltung erlässt eine Abrissverfügung. Dies betrifft den Schutzbereich des Art. 14 GG, mithin das Eigentum des betroffenen Bürgers. Der Gesetzesvorbehalt bestimmt, dass in diesen Fällen eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Eine solche könnte sich beispielsweise aus der Landesbauordnung ergeben.

II. Mittelbare Eingriffe

Problematisch ist jedoch die Reichweite des Gesetzesvorbehalts im Falle der mittelbaren Eingriffe, insbesondere im Rahmen der Warnungsfälle. Beispiel: Der Bundesgesundheitsminister warnt vor dem Verzehr von Glykolwein und benennt eine Region, in der einige Weinbauer verbotenerweise ihren Wein mit Glykol panschen. A ist auch Weinbauer in dieser Region, stellt seinen Wein jedoch nach den Regeln der Kunst her. Folge der Warnung ist, dass niemand mehr Wein aus dieser Region kauft. Bei Finalität wird auch in diesen Fällen die Reichweite des Gesetzvorbehalts zu dem Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage führen. Dies gilt somit, wenn es dem Minister darauf ankommt, die Weinbauern vom Markt zu drängen. Ist nur Intensität gegeben, wird überwiegend angenommen, dass nach der Reichweite des Gesetzesvorbehalts keine Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist. Dies wird mit der mangelnden Vorhersehbarkeit begründet. Würde die Reichweite des Gesetzesvorbehalts bei jedem staatlichen, mittelbaren Eingriff das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage auslösen, hätte dies weitreichende Folgen. Beispiel 1: Der staatliche Wetterdienst gibt eine Schlechtwetterprognose für das kommende Wochenende ab. A ist Betreiber eines Ausflugslokals und lebt davon, dass an schönen Wochenenden viele Leute kommen. An diesen Tagen erzielt er seinen Hauptgewinn. Aufgrund der Wettervorhersage disponieren viele Familien um, obwohl das Wetter sich am Wochenende von seiner schönsten Seite zeigt. Die Gäste bleiben aus. Hier würde aus der Reichweite des Gesetzesvorbehalts normalerweise folgen, dass eine Ermächtigungsgrundlage notwendig ist. Beispiel 2: Der Bundesaußenminister äußert sich kritisch über die Afghanistanpolitik der USA. Die Vereinigten Staaten reagieren verschnupft und verhängen ein Handelsembargo. Erfasst wird auch die Branche, in der A tätig ist, sodass er seinen Laden dicht machen kann. Hier bräuchte der Außenminister aufgrund der Reichweite des Gesetzesvorbehalts grundsätzlich auch eine Ermächtigungsgrundlage. Da häufig jedoch nicht vorhersehbar sein dürfte, welche Folgen das staatliche Handeln hat, muss die Reichweite des Gesetzesvorbehalts in den Fällen der bloßen Intensität begrenzt werden.

III. Leistungsverwaltung

Zuletzt ist die Reichweite des Gesetzesvorbehalts im Rahmen der Leistungsverwaltung umstritten. Beispiele: Stipendiumsbewilligung, Unternehmenssubventionierung.

1. Eine Ansicht

Eine Ansicht verlangt nach ihrer Interpretation der Reichweite des Gesetzesvorbehalts auch bei der Leistungsverwaltung eine Ermächtigungsgrundlage, in der die einzelnen Vergabebedingungen geregelt sind. Argumentiert wird damit, dass die Leistungsverwaltung nicht neutral sei. Des einen Freud sei des anderen Leid. Erhalte ein Unternehmen eine Subvention, habe der Konkurrent das Nachsehen, da er regulär am Markt operieren müsse und aufgrund der Anpassung seiner Preise Verluste erleide. Wenn die Leistungsverwaltung zumindest mittelbar Eingriffe vornehme bzw. Nachteile begründe, müssten für die Leistungsverwaltung die gleichen Grundsätze wie für die Eingriffsverwaltung gelten, insbesondere der Vorbehalt des Gesetzes.

2. Andere Ansicht (h.M.)

Die herrschende Meinung fordert hingegen eine Beschränkung der Reichweite des Gesetzesvorbehalts und verneint daher das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage im Rahmen der Leistungsverwaltung. Es genüge vielmehr, die Mittel im Haushaltsplan bereitzustellen. Dies wird mit der Praktikabilität begründet. Grundsätzlich beschwerte man sich, es gebe zu viele Gesetze in Deutschland. Bedürfe es für jede kleine Leistung eines förmlichen Gesetzes, bräuchte man statt 600 Abgeordneten vielmehr 6000 Abgeordnete, um für jede Leistung ein Gesetz zu verabschieden. Im Übrigen greife zusätzlich der Vorrang des Gesetzes. Dies bedeutet, dass die Leistungsverwaltung auch ohne Ermächtigungsgrundlage an Gesetz und Recht gebunden sei, insbesondere an den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG.

 

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