Kann eine Spendenvereinbarung als mietvertragliche Vereinbarung übergehen?
Hat der Erwerber eines Geschäftshauses einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe, wenn er eine neben dem Mietvertrag vereinbarte Spendenzahlungen an die gemeinnützige Mieterin unterlässt und diese daraufhin keine Miete mehr zahlen kann? Oder handelt es sich um eine mietvertragliche Vereinbarung über die Miethöhe, die nach § 566 I BGB beim Verkauf auf den neuen Vermieter übergeht?
A. Vereinfachter Sachverhalt
Eine gemeinnützige Stiftung B betreibt in Frankfurt ein Museum. Sie hat mit ihrer Vermieterin V eine Vereinbarung, dass V vierteljährlich eine “Spende” zahlt, welche der vereinbarten Miete für ein viertel Jahr entspricht. V möchte die “Spende” von der Steuer absetzen. Steuerlich abzugsfähig sind derartige Spenden nach dem Bundesfinanzhof indes nur, wenn sie „kein Entgelt für eine bestimmte Leistung des Empfängers“ sind und „nicht in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dessen Leistung stehen”. Deshalb wird die Spendenvereinbarung getrennt vom Mietvertrag geregelt.
Die Stiftung B weist im Übrigen kein Vermögen auf, kann ihre Miete auf diese Weise aber über viele Jahre trotzdem tilgen. Die Mietzahlungen erfolgen vertragsgemäß monatlich in Höhe von 5000 €. Der Mietvertrag ist bis zum 30.06.2027 befristet.
Nach geraumer Zeit erwirbt die Immobiliengesellschaft K das Museumsgebäude von V. Der Kaufvertrag sieht gesondert von Regelungen zum Übergang des Mietverhältnisses vor, dass K auch die Spendenvereinbarung der ehemaligen Vermieterin V wirtschaftlich übernimmt. Dennoch zahlt K die Spenden nicht, weshalb die Museumsbetreiberin B für die Miete der Monate November und Dezember 2021 nicht mehr aufkommen kann und die Mietzahlungen ausbleiben. K erklärt daraufhin mit Schreiben vom 08.12.2021 die fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges seitens der B.
K fordert von B die Räumung und Herausgabe der Räumlichkeiten.
Zu recht?
B. Entscheidung
K könnte einen Anspruch gegen B auf Räumung und Herausgabe der Mietsache nach § 546 I BGB haben.
Voraussetzung ist, dass zwischen K und B ein Mietverhältnis bestand und dieses wirksam beendet wurde.
I. Mietverhältnis
Ursprünglich haben B und V einen Mietvertrag geschlossen. Indem K die Immobilie von V erwarb, trat K nach §§ 578 II 1, I, 566 I BGB anstelle der V als Vermieterin in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Somit bestand (oder besteht) ein Mietverhältnis zwischen B und K.
II. Wirksame Beendigung
Dieses Mietverhältnis müsste wirksam beendet sein. Da das Mietverhältnis in diesem Fall auf eine bestimmte Zeit besteht, ist eine Kündigung gemäß § 542 II Nr. 1 BGB nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich möglich.
K könnte den Mietvertrag außerordentlich fristlos nach § 543 BGB gekündigt haben. Dies setzt eine Kündigungserklärung und einen wichtigen Grund für die Kündigung voraus.
1. Kündigungserklärung
Mit Schreiben vom 08.12.2021 gab K gegenüber B eine Kündigungserklärung ab.
2. Wichtiger Grund
Nach § 543 I 1 BGB muss ein wichtiger Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung vorliegen. Was darunter zu verstehen ist, ist in § 543 I 2 BGB legal definiert. § 543 II BGB normiert vorrangig zu prüfende Beispiele für einen wichtigen Kündigungsgrund.
Hier könnte ein Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 II 1 Nr. 3 a) BGB vorliegen. B müsste sich zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung in Verzug mit zwei aufeinanderfolgenden Mieten befunden haben.
a) Fällige Forderung
Gemäß §§ 579 II, 556b I BGB war die Miete zu Beginn des Monats spätestens bis zum dritten Werktag zu entrichten. Mit Ablauf des 3. November bzw. 3. Dezember waren die Mietzahlungen also fällig.
b) Verzug
B müsste sich mit der Zahlung jedoch in Verzug befunden haben. Das setzt nach § 286 I BGB grundsätzlich eine Mahnung voraus. Eine solche war hier jedoch entbehrlich, da für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war, vgl. § 286 II Nr. 1 BGB. Nach § 286 IV BGB kommt der Schuldner jedoch nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
B ist nicht in Zahlungsverzug oder hat ihre Nichtzahlung zumindest nicht zu vertreten, wenn sie aufgrund der Spendenvereinbarung faktisch keine Miete schuldet. Voraussetzung ist, dass die zwischen V und B vereinbarte Spendenregelung auch zwischen K und B Wirkung entfaltet, dass diese wirksam ist und dass sich aus ihr ergibt, dass B faktisch keine Miete schuldet.
aa) Verpflichtung aus der Vereinbarung selbst
Insoweit
könnte zweifelhaft sein, ob die Spendenverpflichtung im Rechtssinne auf K übergehen und B ein einklagbares Forderungsrecht gegen die K erhalten sollte (§ 328 BGB), weil der Kaufvertrag die einschränkende Formulierung enthält, es werde vereinbart, dass „der Käufer wirtschaftlich die Spendenverpflichtung gegenüber der B (…) übernehme (…)”.
Stellte man isoliert auf die „Spendenverpflichtung“ ab, so bleibt offen, welche Bedeutung die „wirtschaftliche“ Übernahme dieser Obliegenheit oder Verpflichtung im Verhältnis zu B haben würde. Denn der Kaufvertrag selbst unterscheidet zwischen dieser Sonderregelung (…) einerseits und der Übernahme der Mietverträge anderseits, also dem Eintritt der K in alle Rechte und Pflichten aus den vorhandenen Mietverhältnissen im Sinne des § 566 BGB.
Aus der Spendenvereinbarung selbst kann B daher keine Rechte ableiten.
bb) Ausschluss der Zahlungsverpflichtung durch Spendenvereinbarung
Dennoch könnte die Spendenvereinbarung faktisch die Zahlungsverpflichtung der B ausschließen, wenn die Spendenvereinbarung gegenüber K Wirkung entfaltet.
Ein Übergang der Spendenvereinbarung auf K könnte sich aus §§ 578 II 1, I, 566 I BGB ergeben. Voraussetzung ist, dass
es sich vorliegend um eine Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien über die Zahlungsmodalitäten und die Miethöhe handelt. Der Grundstückserwerber tritt nach § 566 BGB zwar nur in solche Rechte und Pflichten ein, die sich aus dem Mietverhältnis ergeben (…), also in dem Mietvertrag selbst festgelegt sind oder auf einer Zusatzvereinbarung beruhen, die in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Mietvertrag steht (…). Vereinbarungen, die lediglich aus Anlass des Mietvertrages getroffen wurden oder in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihm stehen, reichen dagegen nicht (…).
Voraussetzung ist daher für den Übergang der Vereinbarung,
eine Rechtsbeziehung, die in § 535 ff. BGB geregelt ist oder typischerweise Inhalt von Mietverträgen wird und
dass es sich nicht um eine andere Abrede handelt,
die mit dem Mietvertrag lediglich in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht (…).
Hierfür ist die Spendenvereinbarung auszulegen. Dabei ist § 117 II BGB zu berücksichtigen. Nach § 117 II BGB finden bei Verdeckung eines Rechtsgeschäfts durch ein Scheingeschäft die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.
Vorliegend könnten die Parteien durch die Spendenvereinbarung verdeckt haben, dass faktisch keine Miete seitens der B geschuldet war.
Durch die als Spende deklarierte Zahlung sollte
die zunächst vereinnahmte Miete zurückgezahlt und damit die nach § 535 Abs. 2 BGB tatsächlich vereinbarte Miete um die Höhe der Spendenverpflichtung reduziert werden (…). Denn die Parteien konnten sich so die Gemeinnützigkeit der B zunutze machen, indem der tatsächlich nicht verlangte Mietanteil über die Deklaration als Spende einer steuerlichen Privilegierung zugefügt werden konnte. Zugleich konnte man sich die Besonderheiten des Vorsteuerabzugs zunutze machen (…).
Damit handelt es sich
um eine verdeckte Vereinbarung über die Miethöhe im Sinne des § 117 Abs. 2 BGB.
Die Auslegung des Mietvertrages und der späteren Vereinbarung ergibt im Hinblick auf § 117 Abs. 2 BGB, dass die getroffene Spendenvereinbarung nicht lediglich in einem bloßen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Vereinbarung des Mietverhältnisses steht.
Den Beteiligten ging es darum, durch die Vereinbarung einer ursprünglichen Miethöhe i.H.v. 5.000,00 € einerseits und die sodann getroffene Vereinbarung über die Leistung einer Spende andererseits sich besondere steuerliche Umstände, die mit der Abzugsfähigkeit von Spenden einhergehen, zunutze zu machen. Hierdurch war es erforderlich, eine gesonderte freiwillig und ohne formale Beziehung zu der Überlassung der Mietsache und Vereinbarung einer Miethöhe in einem Mietvertrag, aus dessen Erträgen die seinerzeitigen Vermieter Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern hatten, sich jeweils zunutze zu machen. Die Zuwendung an die B als Spende konnte als besondere Ausgabe berücksichtigt werden: (…)
Der Fiskus geht davon aus,
dass „Zuwendungen des Sponsors, die keine Betriebsausgaben sind“, „als Spenden“ nach § 10 b EStG „zu behandeln“ sind, „wenn sie zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke freiwillig oder aufgrund einer freiwillig eingegangenen Rechtspflicht erbracht werden, kein Entgelt für eine bestimmte Leistung des Empfängers sind und nicht in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dessen Leistung stehen“. (…)
Vor dem Hintergrund dass die Spende in Miethöhe oder die Zuwendung einer Spende um der B die Zahlung der Miete an die früheren Vermieter zu ermöglichen, in einer gesonderten Vereinbarung geregelt wurde, konnte vermieden werden, dass die nach dem oben dargelegten Voraussetzungen für eine Abzugsfähigkeit nach § 10b EStG von den zuständigen Steuerbehörden in Zweifel gezogen werden könnten, weil andernfalls die Tatbestandsvoraussetzung (s.o.), dass sie „kein Entgelt für eine bestimmte Leistung des Empfängers“ sein und „nicht in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dessen Leistung stehen” stehen dürfen, ggf. problematisch geworden wäre.
(…)Die insoweit beabsichtigte steuerliche Optimierung wäre im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verknüpfung mit dem Leistungsaustauschverhältnis nach § 535 BGB im Hinblick auf den streitgegenständlichen Mietvertrag bei einer unmissverständlichen Vereinbarung nicht möglich gewesen.
Damit ist
eine Übernahme einer mietrechtlichen Vereinbarung über die Höhe und Fälligkeit der Miete zwischen den früheren Vermietern und der B getroffen worden, die bereits gemäß § 566 Abs. 1 BGB im vollen Umfang auf die K übergegangen ist, weil es sich vorliegend um eine eindeutige Vereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien über die Zahlungsmodalitäten und die Miethöhe handelt. Damit handelt um eine Rechtsbeziehung, die in § 535 Abs. 2 BGB geregelt ist und typischerweise Inhalt von Mietverträgen wird und nicht um eine andere Abrede, die mit dem Mietvertrag lediglich in einem wirtschaftlichen Zusammenhang steht.
cc) Wirksamkeit der Spendenvereinbarung
Eine Nichtigkeit des verdeckten Geschäfts kann sich zwar aus den §§ 125, 134, 138 BGB ergeben. Das verdeckte Geschäft verstößt aber nicht bereits deshalb gegen ein gesetzliches Verbot, weil mit dem Scheingeschäft hier keine Steuerhinterziehung beabsichtigt wird, da die Steuerverkürzung nicht den Hauptzweck des Vertrags darstellt.
Diese Abrede ist daher wirksam.
dd) Faktischer Zahlungsausschluss
Durch die (…) Zahlung der Jahresspende i.H.v. 72.000,00 € schuldete die B aber faktisch gar keine Miete.
ee) Zwischenergebnis
Nach § 566 Abs. 1 BGB hat K durch den Verkauf und Übereignung der streitgegenständlichen Immobilie durch den Kaufvertrag (…) den Inhalt des Mietvertrages der früheren Vermieter in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für die Vereinbarung über die Miete, die als wirksame nachträgliche Sonderabrede die Mietzahlungspflicht für die streitgegenständlichen Monate entfallen ließ.
c) Zwischenergebnis
Aufgrund dieser von der K übernommenen sich auf die Miethöhe bezogenen Abrede (…) befand sich die B nicht in Rückstand mit der Mietzahlung für die Monate November und Dezember 2021. Selbst bei Bejahung eines Rückstandes hätte sie jedenfalls diesen Rückstand nicht zu vertreten und damit fehlte es an Verzug (§ 286 Abs. 4 BGB), weil die B zumindest im Hinblick auf die getroffenen Abreden (…) darauf vertraute und vertrauen durfte, dass ihr in Fortsetzung der Vereinbarung mit den früheren Vermietern auch seitens der K die entsprechenden Mittel zur Zahlung der Miete jeweils vierteljährlich zur Verfügung gestellt werden würden.
3. Ergebnis
Mangels Kündigungsgrunds konnte K den Vertrag nicht wirksam kündigen.
III. Ergebnis
Da K den Mietvertrag nicht wirksam kündigen konnte, hat K auch keinen Anspruch gegen B auf Räumung und Herausgabe der Mietsache.
C. Prüfungsrelevanz
Der Fall bietet sich sowohl für Fortgeschrittene als auch für Examenskandidaten an. Er prüft neben dem klassischen Schuldrecht AT und BT auch die Fähigkeit ab, diese bekannten Themen zu der bis dahin wahrscheinlich den meisten unbekannte Materie der Spendenvereinbarung in Bezug zu setzen. Sicher werden von Dir hier keine vertieften Kenntnisse des Einkommensteuergesetzes erwartet, doch gerade durch eine saubere Argumentation wirst Du hier punkten können. Den § 117 BGB kennst Du wahrscheinlich im Zusammenhang mit Immobilienkaufverträgen. Zur Reduzierung der Kaufnebenkosten neigen die Protagonisten in juristischen Klausuren dazu, die eigentliche Kaufpreissumme niedriger beurkunden zu lassen, womit der § 117 BGB ins Spiel kommt. Apropos, das Immobiliarsachenrecht solltest Du bei diesem Fall auch auf dem Zettel haben, schließlich bietet der zu Grunde liegende Verkauf des Gebäudes einen idealen Anknüpfungspunkt.
(OLG Frankfurt Urt. v. 07.11.2023, Az. 2 U 115/22)
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