Erhitzte Gemüter unter Anwälten

Erhitzte Gemüter unter Anwälten

Sind Ausdrücke wie „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ unter Anwälten zulässig?

Bei Gerichtsverfahren kommt es nicht selten vor, dass sich die Gemüter im Gerichtssaal erhitzen. Nicht nur die Mandantschaft, sondern auch die Anwälte selbst sind vor diesem Phänomen nicht gefeit. Im hier vorliegenden Fall war eine Anwältin derart erbost, dass sie über den gegnerischen Anwalt auf ihrer Website sehr polarisierend berichtet hat.

Worum geht es?

Die Beschwerdeführerin trat in einem familiengerichtlichen Verfahren als Verfahrensbeistand in einer nichtöffentlichen Sitzung auf. Im Nachgang berichtete sie auf ihrer Website von dem Verfahren und bezeichnete dort einen anderen Anwalt als „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“. Hiergegen erwirkte er im Eilverfahren eine einstweilige Verfügung. Diese untersagte es der Klägerin, den Anwalt wie oben genannt, zu betiteln und Schriftstücke aus familiengerichtlichen Verfahren zu veröffentlichen sowie Dritte dazu zu animieren, dem Rechtsanwalt negative online Bewertungen zu hinterlassen. Insoweit wurde von den Zivilgerichten eine Beleidigung nach § 185 StGB bejaht.

Dagegen legte die Klägerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

Entscheidung des Gerichts

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genüge nicht den Anforderungen der §§ 23 I Hs. 1, § 92 BVerfGG, weil der Grundsatz der Subsidiarität missachtet worden sei.

Der Grundsatz der Subsidiarität sieht vor, dass der Rechtsweg zuvor erschöpft werden muss. Das bedeutet, dass die Beschwerdeführerin jede ihr zur Verfügung stehende Rechtsschutzmöglichkeit vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde hätte nutzen müssen. Bei einer erfolgreichen einstweiligen Verfügung hätte die Beschwerdeführerin vorrangig zur Verfassungsbeschwerde gem. § 926 I ZPO einen Antrag auf Fristsetzung zur Erhebung der Klage in der Hauptsache durch den Verfügungskläger stellen können. Würde er dieser Fristsetzung nicht nachkommen, könnte die Beschwerdeführerin das Aufhebungsverfahren nach § 926 II ZPO.

Das Gericht ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde lasse dennoch eine Rechtsverletzung i.S.d. § 90 I BVerfGG erkennen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es bei jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen erforderlich, ihren Sinn zutreffend zu erfassen. Die Zivilgerichte hätten den Kontext der Äußerungen der Klägerin auf ihrer Website nicht erörtert und auch eine Abwägung zwischen der persönlichen Ehre des Verfügungsklägers und dem Recht auf freie Meinungsäußerung der Beschwerdeführerin fehle.

Es sei auch mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zudem unvereinbar, die Annahme eines Beleidigungstatbestandes ausschließlich darauf zu stützen, die Bezeichnungen „fetter Anwalt“ und „Rumpelstilzchen“ seien Werturteile mit ehrverletzendem Charakter. Eine Abwägung widerstreitender grundrechtlicher Interessen sei nicht ersichtlich.

Die Ausgangsgerichte hätten zuvor in Erwägung ziehen müssen, dass es beim sogenannten „Kampf um das Recht“ im Rahmen von Auseinandersetzungen rechtlicher Natur zulässig sei starke und eindringliche Ausdrücke zu nutzen, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.

Ausblick

Dieser Fall ist nicht nur für Studenten, sondern auch für Referendare interessant. Hier kannst Du Dein Wissen im einstweiligen Rechtsschutz unter Beweis stellen, obwohl die Klausur im Gewand einer Verfassungsbeschwerde gekleidet ist. Ein Rechtsgebiet übergreifender Fall, den Du gut bewerkstelligen kannst, wenn Du die entsprechenden Lerneinheiten wiederholst.