Ein Twitterpost mit Konsequenzen

Ein Twitterpost mit Konsequenzen

OVG Nordrhein-Westfalen zur Rechtmäßigkeit eines Widerrufs eines Lehrauftrags

Erneut durfte sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit einem Social Media Post befassen. In diesem Fall ging es um den Widerruf eines Lehrauftrags. Ob der entsprechende Post eine solch drastische Konsequenz rechtfertigt, hatte jüngst das nordrhein-westfälische OVG zu entscheiden.

Worum geht es?

Die Antragsstellerin ist eine verbeamtete Lehrerin in NRW. Nebenamtlich arbeitet sie als Lehrbeauftragte an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) NRW. Am 20. Mai 2023 verfasste sie folgenden Post auf Twitter:

„Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land. #Polizeiproblem.“

Mit Bescheid vom 23.05.2023 wurde ihr Lehrauftrag widerrufen. Dagegen erhob die Antragsstellerin zunächst Klage und beantragte, den Widerrufsbescheid aufzuheben. Zudem stellte sie einen Eilrechtsschutzantrag. Sie ist der Auffassung, ihr Post habe nicht gegen das Zurückhaltungs- oder Mäßigungsgebot verstoßen. Ihr Post sei nicht pauschalierend oder amtspflichtwidrig.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Antragsstellerin habe sich nachträglich als nicht geeignet i.S.d. § 21 FHGöD erwiesen. Diese Annahme leitet er aus dem Twitterpost der Antragstellerin vom 20.05.2023, der nicht vorgelegten Nebentätigkeitsgenehmigung und den Posts rund um den 27.06.2023, in welchen sie sich öffentlich zum Anhörungsschreiben des Antragsgegners geäußert hat, ab.

Das VG Gelsenkirchen hat mit Bescheid vom 05.09.2023 dem Antrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt. Dagegen reichte das Land NRW Beschwerde beim nordrhein-westfälischen OVG ein, jedoch ohne Erfolg.

Entscheidung des Gerichts

Die zulässige Beschwerde, deren Prüfungsumfang sich nach § 146 IV S. 6 VwGO richtet, hat keinen Erfolg. Das OVG ist der Auffassung, dass das VG zu Recht die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt habe, denn der Widerruf sei nach der summarischen Prüfung rechtswidrig. Wie schon das VG festgestellt habe, sei der Eilrechtsschutzantrag zulässig und begründet. Die formellen Anforderungen des § 80 III VwGO seien erfüllt.

Im Rahmen der nach § 80 V VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiege das Aussetzungsinteresse gegenüber dem Vollzugsinteresse. Der Widerruf des Lehrauftrags richtet sich nach 49 II S. 1 Nr. 3 VwVfG.

Gem. § 21 FHGöD kann mit der Wahrnehmung von Lehraufgaben betraut werden, wer nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den Anforderungen der Fachhochschule entspricht. Aufgrund nachträglich eingetretener Umstände kann anhand dieses Maßstabs der Lehrauftrag im Nachhinein widerrufen werden. Hierzu muss eine Gesamtabwägung aller Umstände vorgenommen werden.

Das Gericht ist der Meinung, der Twitterpost vom 23.05.2023 und auch die Posts rund um den 27.06.2023 könnten Zweifel an der Eignung aufkommen lassen, da sie die notwendige Sensibilität vermissen ließen und das Vertrauensverhältnis zum Antragsgegner beeinträchtigen könnten. Letztendlich müsse die Nichteignung im Rahmen einer Gesamtwürdigung ermittelt werden, was bedeutet, dass auch die Umstände, die für die Antragsstellerin sprechen, miteinbezogen werden müssten. Eine solche Gesamtabwägung habe der Antragsgegner nicht vorgenommen. Für die Eignung der Antragsstellerin sprächen die guten Leistungen, welche aus den Evaluierungsbögen hervorgingen. Dies habe der Antragsgegner in seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt. Weiterhin habe der Antragsgegner nicht beachtet, dass es in der Vergangenheit keinen Anlass zu Beanstandungen der Antragsstellerin gegeben habe.

Die fehlende Nebentätigkeitsbescheinigung könne ebenfalls nicht als Argument für die Nichteignung der Antragsstellerin herangezogen werden. Es handle sich hierbei um eine sachfremde Erwägung. Die fehlende Nebentätigkeitsbescheinigung stelle eine dienstliche Pflichtverletzung gegenüber der dienstvorgesetzten Stelle dar und sei höchstens disziplinarisch zu ahnden. Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei es aber auch noch möglich gewesen, die Nebentätigkeitsbescheinigung bis zum Beginn des Lehrauftrags einzuholen. Der Widerruf könne daher nicht auf dieses Argument gestützt werden.

Ausblick

Der Fall behandelt die klassischen Themen des Verwaltungsrechts, nämlich den Eilrechtsschutz nach § 80 V VwGO und den Widerruf nach § 49 VwVfG. Beide Themen sind Dauerbrenner in Klausuren. Du solltest den Fall zum Anlass nehmen und beide Themen wiederholen.