Das AG Hannover zum Reisemangel bei dauerhaft „reservierten“ Liegen am Pool
Das Klischeedenken ist gerade in Bezug auf das Urlaubsverhalten von Reisenden aus verschiedenen Nationalitäten weit verbreitet: Niederländer verreisen angeblich nur mit dem Wohnwagen, die Engländer feiern vermeintlich exzessiv. Gerade die Deutschen sind bekannt für ihren interessanten Modegeschmack (Stichwort: Socken in den Sandalen), aber auch für das Reservieren von Liegen am Pool. Letzteres Verhalten scheint jedoch auch international verbreitet zu sein, da es einem Griechenlandreisenden derart den Urlaub vermieste, dass er seinen Reiseveranstalter vor dem AG Hannover gerichtlich in Anspruch nahm.
Sachverhalt
Der spätere Kläger verbrachte mit seiner Familie eine Pauschalreise auf Rhodos für die er über 5000 Euro zahlte. Als er sich morgens auf den Weg an die Pools machte, fand er von den 500 Sonnenliegen fast täglich ab 9:00 Uhr nur belegte, mit Handtüchern „reservierte“ oder solche mit Defekten vor. Obwohl die ausgeschilderten Verhaltensregeln des Hotels das Freihalten der Sonnenliegen mit Handtüchern für den Fall verbieten, dass diese länger als 30 Minuten nicht genutzt werden, hielten sich viele Reisende offensichtlich nicht daran. Der Kläger und seine Familie, die beim Sonnenbaden selbst nur regelkonformes Verhalten an den Tag legten, konnten trotz wiederholter Rügen nicht auf die Unterstützung des Hotelpersonals bauen: Weder die Hotelleitung noch die Mitarbeiter reagierten hierauf.
Der Familienvater wollte sich dies nicht bieten lassen, forderte den Reiseveranstalter zur Rückzahlung von ungefähr 800 Euro auf und erhob schließlich Klage beim AG Hannover.
Da es sich nach Auffassung des Reiseveranstalters in dem morgendlichen Freihalten der Liegen durch Handtücher um keinen Reisemangel, sondern um ein „friedliches Wettrennen um die begehrten Plätze am Pool mit dem besseren Ende für den sprichwörtlichen frühen Vogel“ handele, verweigerte er die Zahlung. Er könne nicht ausschließen, dass allein der Kläger und seine Familie die ausgeschilderte Regel befolgt habe. Ferner gab er zu bedenken, dass die Reisenden nicht mit Sanktionen konfrontiert worden wären, wenn sie sich selbst eine Liege durch ein Handtuch gesichert hätten.
Urteil des AG Hannover
Das Gericht gab der zulässigen Klage in Höhe von etwa 322 Euro statt, was einer Reisepreisminderung um etwa 15 % der betroffenen Tagespreise seit der erstmaligen Mängelanzeige nach § 651m I BGB entspricht.
Auch wenn die Bereitstellung einer Liege pro Reisenden nicht gefordert werden könne, läge dennoch ein Reisemangel i.S.d. § 651i III BGB vor. Dieser beruhe vielmehr auf dem Umstand, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen der Auslastung der Unterkunft und den zur Verfügung stehenden, faktisch nutzbaren Liegen bei der Griechenlandreise des Klägers nicht bestanden habe. Dagegen, dass andere Reisende die Sonnenliegen entgegen der Hotelregel mit Handtüchern freihielten, müsse der Beklagte einschreiten, weil sich für ihn als Reiseveranstalter eine Handlungspflicht aus dem Reisevertrag ergäbe.
Entgegen der Argumentation des Beklagten könne vom reisenden Kläger gerade nicht verlangt werden, sich selbst regelwidrig zu verhalten bzw. die fremden Handtücher eigenmächtig von den Liegestühlen zu entfernen. Dadurch würde er sich in eine unzumutbare Konfliktsituation mit den übrigen Urlaubern begeben, auf die sich der Kläger nicht habe einlassen müssen.
Ausblick
Die Besonderheiten des Reisevertragsrechts sowie die negativen Emotionen, die durch eine nicht erwartungsgemäß verlaufende Reise bei den Reisenden geweckt werden, führen immer wieder zu medienwirksamen Rechtsstreitigkeiten. Früher oder später finden sich diese Entscheidungen in den Fragestellungen der Klausuren und Hausarbeiten wieder. Auch wenn diese Vertragsart gegenüber den Klassikern des Kauf-, Dienst- und Werkvertrages exotischer ist, solltest Du hier keinesfalls auf Lücke lernen.
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