Ihr persönlicher Bergführer auf Abwegen

Ihr persönlicher Bergführer auf Abwegen

Das LG München I zum Schadensersatz nach gemeinsamer Bergtour

Einmal in einem Helikopter fliegen? Das steht bei dem ein oder anderen ganz sicher auf der persönlichen Bucketlist. Ob die Wanderer, die sich kürzlich vor dem LG München I als Parteien dieses Rechtsstreits wieder trafen, auch zu der genannten Gruppe gehören, wird sich nicht mehr klären. Allerdings dürften sie sich ihre gemeinsame Bergtour ganz anders vorgestellt haben - So eine teure Aktion war definitiv nicht eingeplant.

Sachverhalt

Für die Klägerin und den Beklagten entwickelte sich die vermeintlich ungefährliche Wanderung durch die romantische Bergszenerie an der Rappenklammspitze im Karwendel zum Albtraum. Im November 2021 verabredeten sich die Klägerin und der Beklagte, der sich im Vorhinein in einem Chat als „ihr persönlicher Bergführer“ bezeichnete, zu einer Wandertour.

Als beide unterhalb des Gipfels ankamen, entschied die Klägerin, die nach eigenen Angaben eine „nicht sehr erfahrene Gelegenheitswanderin“ sei, dass ihr der Weg bis zur Bergspitze aufgrund von Fels und Eis zu gefährlich sei. Der Beklagte, der keine qualifizierte Alpinausbildung vorweisen kann, jedoch über einschlägige Erfahrungen als Wanderer, Bergsteiger und Skitourengeher verfügt, schlug ihr daraufhin eine Rundtour am Berg vor. Man entschied sich schließlich gemeinsam zu der besagten Rundwanderung, wobei man einen anderen Weg ins Tal einschlagen wollte als beim Aufstieg.

Dazu kam es indes aber nicht mehr: Weil sich die Wegfindung aufgrund von Schnee und fehlender Spuren anderer Wanderer als schwierig gestaltete, bewegten sie sich nicht etwa in Richtung Tal, sondern wanderten immer in etwa auf derselben Höhe umher. Trotz der nahenden Dämmerung setzte die Klägerin die Wanderung mit ihrem Begleiter weiter fort, ohne auf eine Umkehr zu bestehen. Als beide an eine Felswand gelangten, die die Klägerin nicht hinabsteigen wollte, riefen sie gemeinsam die Bergrettung. Mittels eines Helikopters wurden beide aus ihrer misslichen Lage schließlich befreit.

Als der erste Schock über die misslungene Wanderung verdaut war, erreichte die Klägerin die Rechnung der Flugrettung in Höhe von rund 8.500 Euro. Sie zahlte diese und beanspruchte schließlich von ihrem Begleiter die Erstattung des vollen Betrages.

Sie ist der Ansicht, es bestünde ein Gefälligkeitsvertrag zwischen den Parteien. Dementsprechend habe ihr Begleiter als faktischer Bergführer dafür Sorge tragen müssen, dass sie nicht unterkühle. Jedenfalls hafte er ihr zumindest aus unerlaubter Handlung.

Urteil des LG München I

Weil die Klägerin mit ihrer Argumentation nicht durchdringen konnte, wies die 27. Zivilkammer des Landgerichts die zulässige Klage ab. Das Gericht vermochte das Bestehen eines Gefälligkeitsvertrages bereits nicht zu erkennen. Da es sich um eine rein private, nicht kommerzielle Wandertour zweier Personen gehandelt habe, die freundschaftlich miteinander verbunden gewesen seien, läge allein eine übliche Gefälligkeit des täglichen Lebens vor. Dies beruhe darauf, dass nicht der Wille, sich rechtlich zu binden, sondern der soziale Kontakt im Vordergrund der Unternehmung gestanden habe. Insofern sei diese gemeinsame Freizeitaktivität nicht geeignet, eine vertragliche Haftung zu begründen, sodass es zunächst in der Eigenverantwortung jedes Alpinisten läge, sich um seine Sicherheit selbst zu sorgen. Hieran ändere auch die als Flirt aufzufassende Äußerung des Beklagten, er sei „ihr persönlicher Bergführer“ nichts. Auch bestehe ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht, weil der Beklagte für die Unterkühlung der Klägerin nicht rechtlich einzustehen habe.

Aus dem Umstand, dass der Beklagte das Heft des Handelns wegen seiner Erfahrungen beim Bergwandern in die Hand nahm, sei er nicht faktisch mit einem Bergführer einer Wandergruppe gleichzustellen. Damit sei es bei der klassischen Gefahrengemeinschaft verblieben, die eine Haftung seinerseits ausschließe.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bereits unterhalb des Gipfels deutlich machte, diesen wegen der dort herrschenden Verhältnisse nicht erklimmen zu wollen, zeigte sie ihre Kompetenz zur realistischen Einschätzung ihrer Fähigkeiten beim Bergwandern. Sie habe auch die Entscheidung, die Bergrettung zu alarmieren, nicht allein dem Beklagten überlassen, sondern diese vielmehr mit ihm gemeinsam getroffen. Folglich bliebe es bei der Eigenverantwortung der Klägerin, die eine deliktische Haftung des Beklagten ausscheide.

Fazit

Auch wenn sich die Parteien wohl offensichtlich trotz des biochemischen Effekts der Adrenalinausschüttung in der Gefahrensituation wohl nicht in einander verliebt haben, profitieren zumindest die Prüfungsämter von dem Fall: Das LG München I liefert mit dieser Entscheidung ein anschauliches Beispiel zur Abgrenzung der bloßen Gefälligkeit zum Gefälligkeitsvertrag. Dass sich diese Problematik mühelos in eine Klausur einbauen lässt, bei der im Folgenden die deliktische Haftung (durch Unterlassen) eine zentrale Rolle spielt, erklärt sich von selbst.

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