Likes auf Social Media können Zweifel an der Verfassungstreue begründen

Likes auf Social Media können Zweifel an der Verfassungstreue begründen

Entlassung eines Beamten wegen Likes auf Social Media

Scrollen, Swipen und Liken gehört längst in den Alltag jüngerer Menschen. Eine Verhaltensweise, die bei jeder Berufsgruppe anzutreffen ist, doch nicht immer folgenlos bleibt. Erneut durfte sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der rechten Gesinnung eines Polizeibeamten auseinandersetzen. Ob das Liken von Social Media Beiträgen aussagekräftig genug ist, um einen Kriminalkommissaranwärter aus seinem Beamtenverhältnis zu entlassen, musste das OVG Berlin-Brandenburg jüngst entscheiden.

Sachverhalt

Am 01.10.2020 wurde ein Polizeianwärter in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Vorbereitung auf den gehobenen Dienst der Kriminalpolizei berufen. Der Polizeianwärter führte einen inzwischen gelöschten Instagram-Account unter anderem mit den Angaben „German“, „Heimat“, „Treue um Treue“. Zudem folgte er diversen rechtsorientierten Instagram Seiten und Profilen und likte dort diverse Beiträge.

Am 13.04.2022 sprachen Beamte des Berliner Staatsschutzes den Anwärter in der Hochschule zur Durchführung einer Gefährderansprache an. Der Anwärter äußerte, dass es sich bei den gelikten Posts um Satire handle und er sich somit über verfassungsfeindliche Einstellungen habe lustig machen wollen. Er habe bezüglich gesellschaftlicher Themen überaus informiert und zudem politisch interessiert gewirkt. Auffällig sei, dass seine Ausdrucksweise sowie sein Wissen über beispielsweise nordische Mythologien oder den Heimatbegriff überdurchschnittlich ausgeprägt gewesen seien. Der Anwärter habe einen informierten und kontrollierten Eindruck ohne jugendlichen Leichtsinn oder Naivität vermittelt. Der Dienstherr zweifelte die charakterliche Eignung des Anwärters an, denn schließlich folgte er einigen Instagram-Seiten der Neuen Rechten und habe mehrfach seine Zustimmung zu deren Beiträgen ausgedrückt.

Im Juni 2022 hörte der Dienstherr den Anwärter daher zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe an. Der Polizeianwärter führte aus, dass sein Instagram-Konto nicht zu beanstanden sei. Der Dienstherr habe nur einzelne Aspekte herausgegriffen, ohne den Kontext zu betrachten. Bei den gelikten Posts handle es sich um satirische Beiträge. Schon von Hause aus sei er insbesondere mit der Geschichte des Holocausts vertraut gemacht worden. Sein Vater, über den er auf den Leitspruch „Treue um Treue“ aufmerksam geworden sei, sei bis 2004 Bundeswehrsoldat gewesen. Seine Eltern seien im öffentlichen Dienst tätig. Er sei sich seiner Treuepflicht als Beamter bewusst.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 2022 wurde der Anwärter aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen. Mit gesonderter Begründung wurde zudem die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Gegen den Entlassungsbescheid legte er Widerspruch ein. Zudem wendete sich der Anwärter mit einem Eilrechtsschutzantrag an das Verwaltungsgericht und beantragte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung seines bei Gericht fristgerecht eingegangenen Antrags führt der Antragssteller aus, der Antragsgegner habe eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände unterlassen. Insbesondere habe er die vorliegenden fachpraktischen Leistungsbewertungen und die Stellungnahme eines Kriminalhauptkommissars, der ihn in seinem Hauptpraktikum erlebte, nicht berücksichtigt.

Das VG Berlin erachtete den Antrag als zulässig und begründet.

Dagegen wendete sich der Dienstherr mit einer Beschwerde an das OVG, welches den Beschluss des VG Berlins änderte und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ablehnte.

Begründung des OVG

Der Antrag nach § 80 V S.1 Alt. 2 VwGO des Anwärters war nach Ansicht des OVGs zulässig, aber unbegründet.

Als Ermächtigungsgrundlage für den Entlassungsbescheid greift § 7 III PolLVO. Demnach ist, wer sich während des Vorbereitungsdienstes aufgrund der dienstlichen Leistungen, der Fähigkeiten oder der Persönlichkeit als nicht geeignet erweist oder bis zu dem in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung genannten Zeitpunkt die Fahrerlaubnis der Klasse B für Schaltgetriebe nicht nachweisen kann, aus dem Vorbereitungsdienst und dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen. Dem Dienstherrn steht hinsichtlich der Beurteilung der Verfassungstreue ein Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht überprüft, ob die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums missachtet worden sind, ob ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und ob allgemeine Wertmaßstäbe beachtet und sachfremde Erwägungen vermieden worden sind.

Nach § 33 I Satz 3 BeamtStG müssen Beamtinnen und Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Gemäß § 101 Satz 2 LBG haben Polizeivollzugskräfte das Ansehen der Polizei und Disziplin zu wahren und sich rückhaltlos für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzusetzen. Bei der Überprüfung der Treuepflicht reicht es regelmäßig aus, dass der Dienstherr die Zweifel auf feststellbare und festgestellte äußere Verhaltensweisen des Betroffenen von hinreichendem Gewicht stützt. Hierbei hat der Dienstherr die äußeren Verhaltensweisen nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen.

Das OVG ist der Auffassung, es sei nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner den Likes und dem Folgen der Instagram Accounts ein hinreichendes Gewicht beimesse und die Verfassungstreue anzweifele. Ein satirisches Interesse sieht das Gericht hier nicht. Der satirische Gehalt der genannten Instagram Seiten sei als gering zu erachten, denn die vom Antragsteller gelikten Beiträge enthalten Schmähungen und Verunglimpfungen von Moslems und würden Coronaschutzmaßnahmen mit der Judenverfolgung im Nationalsozialismus gleich setzen. Zudem würden auf den Profilen Hakenkreuze und Bilder von Adolf Hitler veröffentlicht.

Es sei gerade kein Beurteilungsfehler, dass die fachpraktische Leistungsbewertung nicht vom Dienstherrn in seiner Beurteilung miteinbezogen wurde, denn eine gute fachliche Leistung habe nach Auffassung des OVGs keine Aussagekraft über die Verfassungstreue. Zwar handle es sich bei dem Verhalten des Antragsstellers um eine Ausübung seiner Meinungsfreiheit, weil auch verfassungsfeindliche Meinungen in den Grenzen des Art 5 II GG vom Schutzbereich des Art. 5 I GG umfasst seien. Dies sei jedoch für die behördliche Maßnahme nicht von Bedeutung. Die Meinungsfreiheit sei mit der Pflicht zur Verfassungstreue gem. Art. 33 V GG abzuwägen. Hier überwiege die Verfassungstreue, da Art. 33 V GG es erlaubt, die Verfassungstreue von Beamten vorauszusetzen.

Ausblick:

Die Entlassung eines Beamten aus seinem Beamtenverhältnis ist im Examen ein Dauerbrenner. Der Sachverhalt hier unterscheidet sich jedoch von den bisherigen Entscheidungen zu rechtsradikalen Äußerungen in Chats, weil es sich bei den Likes nur um einen konkludenten Zuspruch und keine aktive Äußerung handelt. Das OVG war in seiner Entscheidung sehr klar und hält an seinen bisherigen Prinzipien auch bei passiveren Verhaltensweisen fest. Die Examenskandidaten sollten sich durch die „modernere“ Materie nicht verunsichern lassen. Dieser Fall eignet sich besonders gut um im Examen den Eilrechtsschutz nach § 80 V VwGO und eine umfassende Interessenabwägung abzuprüfen.

(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2023 – OVG 4 S 11.23)