Das OLG Frankfurt zur Suchfunktion der DB
Die Navigator-App der Deutschen Bahn hat fast jeder Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln auf seinem Smartphone. Eine ihrer wichtigsten Funktionen bildet die Suche nach passenden Zügen, wobei die Option „schnellste Verbindungen anzeigen“ voreingestellt ist. Während man sich als Verbraucher kaum die Mühe macht, die Ergebnisse der Suchfunktion nachzuprüfen, ist der Konkurrenz der Deutschen Bahn dabei ein Detail aufgefallen, was sie veranlasste, ihre Rivalin wegen eines Verstoßes gegen das UWG gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen.
Sachverhalt
Die Konkurrentin der Deutschen Bahn im Schienenpersonenfernverkehr wendete sich mit ihrem Antrag konkret gegen die Gestaltung und Funktionsweise der Suchoption. Sowohl in der App als auch auf ihrer Internetseite verwendete die DB eine Suchmaske, bei der der Algorithmus unter der Standardeinstellung „schnellste Verbindungen anzeigen“ regelmäßig drei Verbindungen zur Auswahl stellte. Der Algorithmus ermittelte hierbei zunächst ausgehend von der gewählten Abfahrtszeit die absolut schnellste Verbindung aus. Als nächstes folgten die Verbindungen, die nach der absolut schnellsten Verbindung starteten. Insofern fand eine zeitliche Vorwärtssuche statt, die dazu führte, dass potenziell schnellere Verbindungen, die vor der absolut schnellsten Verbindung starteten, keine Berücksichtigung fanden.
Was zugegebenermaßen verwirrend klingt, lässt sich anhand eines Extrembeispiels besser darstellen: Angenommen, ein Zug fährt um 12:00 Uhr am Startbahnhof ab und kommt um 13:00 Uhr am Zielbahnhof an. Dies ist die schnellste Verbindung und als solche wird die Verbindung auch angezeigt. Eine andere Verbindung, die gleichzeitig mit der genannten um 13:00 Uhr ankommt, allerdings 1 Minute vor dieser um 11:59 Uhr losfährt, wäre mit der Gesamtfahrtdauer von 61 Minuten am zweitschnellsten. Eine dritte Verbindung, die eine Minute nach der schnellsten Verbindung um 12:01 Uhr abfährt, aber für die Strecke volle zwei Stunden benötigt, wäre damit die drittschnellste.
Der Algorithmus der DB zeigt allerdings die zweite Verbindung nicht an, sondern springt direkt zur dritten Verbindung, weil diese nach der schnellsten Verbindung startet. Selbiges gilt für die Suche nach der Ankunftszeit, nur dass der Algorithmus dabei rückwärts suchte. Dies führte dazu, dass den Nutzern der Suchmaske eine später abfahrende Verbindung der Konkurrentin nicht angezeigt wurde, obwohl die Ankunftszeit der Verbindung näher an der ausgewählten Ankunftszeit lag.
Das LG Frankfurt wies den Antrag zurück, wogegen sich die Antragstellerin mit der Beschwerde richtete.
Entscheidung des OLG Frankfurt
Anders als die Vorinstanz sahen die Richter des OLG Frankfurt in der Ausgestaltung der Funktion unter Berücksichtigung der Beschreibung eine Irreführung im Sinne der §§ 8 III Nr. 1, 5 I UWG. Dementsprechend hatte die Beschwerde Erfolg und der Deutschen Bahn wurde im Wege der einstweiligen Verfügung unter Festsetzung eines Ordnungsgeldes verboten, die Suchfunktion in der genannten Ausgestaltung weiter so anzuwenden, dass gewisse Züge mit kürzer Gesamtfahrtdauer nicht angezeigt werden.
Nach § 5 I UWG handelt derjenige unlauter, der eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Hiergegen kann sich auch ein Mitbewerber bzw. eine Mitbewerberin im Wege eines Unterlassungsanspruches nach § 8 III Nr. 1 UWG wehren.
Eine Irreführung nach § 5 I UWG wird nach der Rechtsprechung des BGH bejaht, wenn das erzeugte Verständnis mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Insofern sei der Gesamteindruck der anvisierten Verkehrskreise maßgeblich. Anhand dieser Definition entwickelte das OLG zunächst die Erwartungen der Verbraucher. Da ausdrücklich mit „schnellste Verbindungen anzeigen“ der Plural verwendet worden sei, ergäbe sich unmissverständlich, dass die Kunden die (in der Regel) schnellsten drei Verbindungen erwarten dürfte und nicht die schnellste Verbindung und weitere zwei Verbindungen, die zeitlich danach abfahren. Dies ergäbe sich zusätzlich daraus, dass das wesentliche Ziel eines Passagiers bei der Nutzung der Suchmaske in dem möglichst schnellen Transport vom Start- zum Zielpunkt liegen dürfte.
Zudem suggeriere die selbst durchgeführte Sucheingabe mit den eigens gewählten Parametern aus Start, Ziel, Datum, Ankunft- und Abfahrtszeit den Verbrauchern, dass die angezeigten Verbindungen zu diesen Daten gehörten. Konkret erwecke man bei der Eingabe einer bestimmten Abfahrtszeit die Erwartung, es würden diejenigen Verbindungen angezeigt, die zeitlich möglichst nah an der genannten Abfahrtszeit lägen und den Kunden dabei zum frühestmöglichen Zeitpunkt an seinen Zielbahnhof verbringen. Andersherum, also bei Auswahl einer bestimmten Ankunftszeit werde die Annahme hervorgerufen, die gezeigten Verbindungen stellten solche dar, die möglichst schnell das gewählt Zeil erreichen und das zu einer Ankunftszeit, die möglichst dicht an der gewählten liegen würde.
Im zweiten Schritt ermittelte das OLG, dass die tatsächlichen Verhältnisse von dem erweckten Verständnis abweichen, weil die jeweils als zweite und dritte angezeigte Verbindungen nicht die nächstschnelleren hinsichtlich der Gesamtdauer darstellten, sondern lediglich die zeitlich auf die schnellste Verbindung folgenden schnellsten Verbindungen seien. Wie am oben geschilderten Beispiel aufgezeigt, können sich aus diesem Umstand drastische zeitliche Unterschiede ergeben.
Auch der Hinweis der Antragsgegnerin, eine Abschaltung der Funktion „schnellste Verbindungen anzeigen“ würde gegebenenfalls zur Nennung weiterer Verbindungen führen, eigne sich nicht, die Fehlvorstellung der Kunden aufzulösen. Schließlich erwarte man nicht, dass die Abwahl der streitbefangenen Suchfunktion zur Anzeige einer schnelleren Verbindung führen könne, wenn schon die Option zur Suche nach der den „schnellsten Verbindungen“ extra angewählt worden sei.
Zudem handele es sich auch um eine Handlung mit wettbewerbsrechtlicher Relevanz i.S.d. § 5 I UWG, da der Kunde aufgrund seiner Fehlvorstellung zur Buchung einer Verbindung veranlasst werden könne und eine Recherche nach besser passenden Alternativen seinerseits faktisch unterbunden werde. Die notwendige Wiederholungsgefahr läge ebenfalls vor.
Fazit
Wie der Fall zeigt, spielt der gekonnte Umgang mit Fehlvorstellungen in der Praxis auch fernab des Anfechtungsrechts eine Rolle. Insofern zeigt das OLG auf, wie man anhand seines juristischen Handwerkszeugs mit stringenter Argumentation und gezielter Auslegung, auch außerhalb des Kernprüfungsstoffes zu einer stringenten Lösung kommt. Dass diese auch bei der DB auf Zustimmung stößt, ist nicht zu erwarten. Da es sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt, bildet der Beschluss des OLG Frankfurt jedenfalls den vorläufigen Endpunkt dieser Auseinandersetzung.
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