Stalking durch Bluetooth-Tracker

Stalking durch Bluetooth-Tracker

Hamburg und Bayern wollen Strafbarkeitslücke schließen

Bayern und Hamburg fordern mehr Schutz vor heimlicher Überwachung und Stalking mit Bluetooth- und GPS-Trackern. Am 10. November wollen die beiden Bundesländer deshalb einen Antrag bei der Justizministerkonferenz einbringen, damit der Staat seinen Schutzpflichten nachkomme und das Strafrecht dahingehend verschärfe.

Worum geht es?

Normalerweise werden sogenannte Airtags oder Smarttags im Alltag dazu verwendet, um verlorene Gegenstände via Bluetooth- oder GPS-Tracking wieder ausfindig zu machen. Sie sind meistens nicht größer als eine Münze und können daher problemlos an Schlüsseln, Koffern, Kleidungsstücken oder an Autos angebracht werden, um diese bei Verlust zu orten, indem sie sich via Ultra-Breitband-Technologie mit einem Smartphone oder Tablet verbinden. In letzter Zeit wurde aber vermehrt bekannt, dass die kleinen Geräte auch dazu genutzt werden, Personen zu verfolgen und zu überwachen. Das SWR-Investigativformat “Vollbild” berichtete zum Beispiel, dass es immer häufiger zu Fällen komme, in denen Stalker die kleinen Tracker in den Autos oder in den Kleidungsstücken ihrer Opfer versteckt hatten. Und auch Jurist:innen warnen zunehmend vor einer Gesetzeslücke. Das Problem, das sich hier für Stalking-Opfer zusätzlich stellt: Diese Form des Stalkings ist bisher nicht rechtssicher erfasst. Bayern und Hamburg wollen deshalb dagegen vorgehen und haben eine entsprechende Initiative bei der diesjährigen Herbstkonferenz der Justizminister angekündigt, die das Strafrecht verschärfen und Stalking-Opfern besseren Schutz bieten soll.

Missbräuchliche und kriminelle Nutzung

Seit 2021 sind die neuartigen Bluetooth-Tracker auf dem Markt, die den Nutzer:innen die Suche nach leicht verlegbaren Gegenständen erleichtern sollen. Zur Lokalisierung der Tags über größere Distanzen können auch die Lokalisierungsdienste der Hersteller, wie zum Beispiel “Wo ist?” von Apple oder “SmartThings Find” von Samsung genutzt werden, die potentiell alle Bluetooth-fähigen Geräte des Herstellers zu einem großen Suchnetzwerk verbinden. Auch Google plant diesen Service einzuführen: Allein im Falle von Apple sind potentiell mehrere 100 Millionen Geräte im Netzwerk.

Nur kurze Zeit nach Einführung dieser Technologie sind missbräuchliche und kriminelle Nutzungen bekannt geworden. So wurden zum Beispiel Autos mit AirTags versehen, um günstige Orte zum Diebstahl zu finden. Insbesondere weisen Opferschutzverbände auf das Gefahrenpotential durch Stalking hin. In den meisten bisher bekannten Fällen wird den Opfern, zumeist Frauen, unbemerkt ein Tracker untergeschoben, um Wege und Aufenthaltsorte am eigenen Smartphone leicht nachverfolgen zu können. Zudem können auf diese Art auch geheim gehaltene Standorte von Frauenhäusern oder Schutzwohnungen aufgespürt werden.

Die Anbieter haben zwar zwischenzeitlich reagiert, sodass zum Beispiel Apple-Smartphones mittlerweile erkennen und warnen können, wenn sich ein fremdes AirTag in der Nähe befindet. Und auch auf Android-Geräten kann eine entsprechende Software installiert werden. Diese Lösungen stehen jedoch in der Kritik, weil die Warnmeldungen oft erst nach Stunden erscheinen und es dann vielleicht schon für die Opfer zu spät sein kann. Darüber hinaus müssen die Opfer dann zwingend über ein Smartphone verfügen, die Gefahr schnell genug erkennen und eigenständig Gegenmaßnahmen einleiten.

Anti-Stalking-Gesetz gerade erst im Jahr 2021 verschärft

Hamburgs Justizsenatorin erklärte daher, dass auch bei sinnvollen Technologien nicht die Gefahren außer Acht gelassen werden sollten, die durch deren Missbrauch entstehen. Auch der bayerische Justizminister sieht den Staat hier in der Pflicht, potentielle Opfer durch eine Verschärfung des Strafrechts gegen solche Übergriffe ausreichend zu schützen. Denn als der Gesetzgeber im Jahr 2021 das Anti-Stalking-Gesetz verschärfte, um auch Cyberstalking zu ahnden, sind die Bluetooth-Tracker gerade erst auf den Markt gelangt. Nachstellung ist zwar seit dem gemäß § 238 StGB (sog. Stalking-Paragraf) strafbar. Der Tatbestand des § 238 StGB ist jedoch nur dann erfüllt, wenn der Täter eine Person wiederholt auf eine Weise verfolgt, anruft, belästigt oder bedroht, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Der spezifische Fall des Stalkings mit AirTags wurde zum damaligen Zeitpunkt aber noch nicht berücksichtigt, da der Gesetzgeber nur die Fälle antizipiert hat, in denen ein Gerät des Opfers infiltriert wird. Bayerns Justizminister Eisenreich hat schon damals im Gesetzgebungsverfahren auf diese Schutzlücke hingewiesen und hat sich dafür ausgesprochen, das Gesetz entsprechend nachzuschärfen. Das Bundesjustizministerium sah hingegen keinen Handlungsbedarf, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Gerichtsentscheidungen zu Bluetooth-Trackern oder vergleichbaren Produkten bekannt gewesen seien.

Das Problem heute: Im juristischen Sinn stellt die Verfolgung mittels Tracker keinen Eingriff in die Freiheit der persönlichen Lebensgestaltung im Sinne des § 238 StGB dar, weil der Fall eines untergeschobenen Gerätes nicht berücksichtigt wurde. Auch die informationelle Selbstbestimmung aus §§ 201 ff. StGB greift hier nicht, da keine Infiltration eines technischen Gerätes vorliegt.

Außerhalb des Strafrechts stellt noch § 42 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die unangemessene Erhebung, Nutzung und Weitergabe fremder personenbezogener Daten unter Strafe. Die Regelung spielt in der Praxis aber aufgrund ihres unklaren Anwendungsbereichs und ihrer unbestimmten Voraussetzungen kaum eine Rolle.

Mittlerweile Sammelklagen gegen Apple

Das Missbrauchspotential ist mittlerweile zu groß geworden und diesen Umstand sollen die Hersteller selbst zu verantworten haben, da sie es schlichtweg versäumten, entsprechende Schutzvorrichtungen von Beginn an einzubauen: Dass die nützlichen Smarttags auch für kriminelle Zwecke verwendet werden könnten, hätte von Anfang an berücksichtigt werden müssen. Apple und Samsung haben zwar versprochen nachzubessern und haben bereits erste Schutzfunktionen implementiert, diese lassen sich aber bisher noch zu leicht aushebeln. Gegen Apple läuft in den USA bereits eine Sammelklage von Stalking-Opfern, der sich immer mehr Betroffene anschließen.

Bayern und Hamburg fordern in ihrem Antrag den Bundesjustizminister deshalb auf, das Strafrecht zu überarbeiten und für einen konsequenten Opferschutz nachzuschärfen.