Wer soll das bezahlen?

Wer soll das bezahlen?

VG Berlin zu den Gebühren für das Ablösen von Klimaklebern

Seit dem vergangenen Jahr handelt es sich um ein allseits bekanntes Bild - Demonstrierende kleben auf öffentlichen Straßen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen und ihrem Protest bezüglich der deutschen Klimapolitik Ausdruck zu verleihen. Dabei werden die zuständigen Beamten mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert. Wenn das erste rein physische Problem, nämlich die Trennung der Verbindung zwischen Kleber und Straßenbelag, mit Speiseöl, Spülmittel oder Nagellackentfernern gelöst ist, folgt daraus notwendigerweise die Frage, wer den Polizeieinsatz bezahlen soll? In diesem Zusammenhang hatte sich das VG Berlin nach einem Eilantrag eines Klimaklebers kürzlich mit einem Gebührenbescheid zu befassen.

Sachverhalt

Der Antragsteller klebte sich im Juni 2022 mit weiteren anderen Personen auf einer Berliner Straßenkreuzung fest. Nachdem die herbeigerufenen Polizeibeamten erfolglos zum Verlassen der Fahrbahn aufgefordert hatten, lösten sie die Klebeverbindung und trugen ihn von der Fahrbahn.

Mit Bescheid vom 13.04.2023 erhob die Polizei Berlin dafür eine Gebühr von 241 Euro. Dabei stützte sie sich auf die Tarifstelle 8 der Anlage zur Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen (PolBenGebO). Dieser Gebührentatbestand sieht vor, dass von dem Gebührenschuldner für die unmittelbare Ausführung von Maßnahmen und Ersatzvornahmen zur Gefahrenabwehr für Personen, Sachen oder Tiere gemäß §§ 14, 15 und 36 der Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) je Einsatzfall die Gebühr von 241 Euro zu fordern ist.

Zur Begründung hieß es in dem Bescheid, der Antragsteller habe den Straßenverkehr durch seine Sitzblockade erhebliche behindert, weswegen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgelegen habe.

Hiergegen wendete sich der Antragsteller nach erfolglosem Widerspruchsverfahren mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin, über die noch nicht entschieden wurde. Zusätzlich stellte er einen Eilantrag gegen den kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Gebührenbescheid.

Beschluss des VG Berlin

Die 1. Kammer des VG Berlin sah die Voraussetzung der Tarifstelle 8 nicht als gegeben an. Es habe sich nämlich weder um eine unmittelbare Ausführung noch um eine Ersatzvornahme gehandelt.

Nach Ansicht des Gerichts sei die Entfernung des Antragstellers von der Straße gegen seinen Willen und nicht lediglich ohne seinen Willen erfolgt, wie dies für das Merkmal der unmittelbaren Ausführung einer polizeilichen Maßnahme zu fordern sei.

Nach dem VwVfG käme eine Ersatzvornahme zudem nur bei einer vertretbaren Handlung in Betracht, die von einem anderen vorgenommen werden könne. Da sich der Antragsteller nur selbst von der Straße habe entfernen können, läge schon keine vertretbare Handlung vor.

Ferner argumentierte die Kammer, dass die Ausführung der Maßnahme jedenfalls nicht zur Gefahrenabwehr von Personen, Sachen oder Tiere stattgefunden habe, sondern allein dem Zweck gedient habe, den ungehinderten Straßenverkehr zu ermöglichen. Mithin könne die Tarifstelle 8 als Ermächtigungsgrundlage für den Gebührenbescheid auch aus diesem Grund nicht herangezogen werden.

Folglich hatte der Eilantrag des Klimaklebers Erfolg und die Behörde muss ihm den gezahlten Betrag nun zurückerstatten. Da gegen den Beschluss noch Beschwerde vor dem OVG Berlin-Brandenburg eingelegt werden kann (§ 146 IV VwGO), bleibt abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Jedenfalls werden sich die Schwierigkeiten bei der Erhebung von Gebühren in Berlin wegen der Notwendigkeit einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage, die sich nach Art. 20 III GG bereits aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergibt, vermutlich nicht so schnell auflösen wie die Klebeverbindungen der Klimakleber beim Berlin-Marathon.

Ausblick

Der Beschluss des VG Berlin macht auf ein neues juristisches Problemfeld in Hinblick auf die Klimakleber aufmerksam, sodass nicht mehr nur die Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH und die Rechtfertigungsgründe geeignet sind, die Herzen der Prüfungsämter in diesem Kontext höher schlagen zu lassen. Damit eine potenzielle Klausur aus diesem Bereich nicht zum Endgegner wird, sei die Wiederholung der Grundsätze zur Ersatzvornahme und die allzeit unbeliebte Schachtelprüfung der Rechtmäßigkeit eines Kostenbescheids dringend empfohlen.