Fristlose Kündigung wegen Äußerung in WhatsApp-Gruppe

Fristlose Kündigung wegen Äußerung in WhatsApp-Gruppe

Können Beleidigungen in WhatsApp-Gruppen einen Kündigungsgrund darstellen, wenn sie bekannt werden? Oder genießen solche Nachrichten besondere Vertraulichkeit? Die Parteien streiten hier über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gem. § 626 I BGB.

Worum geht es?

Der gekündigte Arbeitnehmer war bei einem Luftverkehrsunternehmen in Niedersachsen mit etwa 2.100 Mitarbeitenden als Gruppenleiter für Lagerlogistik tätig. Seit 2014 gehörte er einer WhatsApp-Gruppe mit fünf anderen Arbeitnehmenden an. Im November 2020 wurde ein weiterer Kollege in diese Chatgruppe aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet, zwei miteinander verwandt. Neben privaten Themen äußerte sich der gekündigte Arbeitnehmer in der Chatgruppe in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und andere Arbeitskollegen. Als es eines Tages zu Gesprächen über einen Arbeitsplatzkonflikt gekommen war, zeigte eines der Gruppenmitglieder den Gesprächsverlauf der Chatgruppe einem anderen Mitarbeiter, der den Chatverlauf auf sein Smartphone kopierte und dem Betriebsrat zeigte. Der Betriebsratsvorsitzende informierte daraufhin den Personalleiter über das Bestehen der WhatsApp-Gruppe und berichtete vom Inhalt der dort stattfindenden Gespräche. Außerdem übersandte er ihm ein 316-seitiges Word-Dokument mit sämtlichem Inhalt des Chatverlaufs aus dem Zeitraum vom 19. November 2020 bis 17. Januar 2021. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos gem. § 626 I BGB.

Schutz wegen Vertraulichkeit der Kommunikation?

Der gekündigte Arbeitnehmer wehrte sich hiergegen mit einer Kündigungsschutzklage (§§ 13 I, 4 KSchG). Er war der Ansicht, dass der Inhalt der Gespräche in der Chatgruppe vom Arbeitgeber nicht hätte verwendet werden dürfen. Sie dürften auch im Rechtsstreit nicht verwendet werden, da es sich um einen rein privaten Austausch gehandelt habe. Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in der Berufungsinstanz gaben der Klage des Arbeitnehmers statt und erklärten die Kündigung für unzulässig. Die Gerichte schlossen sich der Argumentation des gekündigten Arbeitnehmers an und waren ebenfalls der Meinung, dass die Äußerungen in der Chatgruppe eine Kündigung nicht rechtfertigen würden, da sie in einem privaten Raum gefallen seien und daher im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Kommunikation besonders schützenswert seien. Der Betriebsfrieden sei dadurch nicht beeinträchtigt worden.

Das LAG Niedersachsen führte dabei aus, dass die Äußerungen des Arbeitnehmers zwar grundsätzlich geeignet seien, eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 BGB zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall seien sie aber Bestandteil einer vertraulichen Kommunikation zwischen den Gruppenteilnehmern und genössen als solche verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre der durch die Äußerungen betroffenen Personen vorgehe. Die Tatsache, dass es sich um eine WhatsApp-Gruppe mit etlichen Mitgliedern gehandelt habe, schränke die Vertraulichkeit der Kommunikation nicht ein, da der Austausch zwischen den Gruppenmitgliedern auf Vertraulichkeit ausgerichtet gewesen sei.

Schließlich hätten die Mitglieder untereinander Ende-zu-Ende verschlüsselte Nachrichten ausgetauscht, die für den Außenstehenden nicht einsehbar waren. Zudem waren sie langjährig befreundet, wodurch ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe. Die Äußerungen seien auch nicht vor einem Kreis von Mitarbeitern gefallen, der so groß war, dass der Arbeitnehmer nicht sicher davon habe ausgehen dürfen, dass die Kollegen seine Äußerungen für sich behalten würden. Zudem tauschten sie sich hier bereits seit dem Jahr 2014 untereinander aus, ohne dass Außenstehende jemals von den Gesprächen erfahren haben. Die Chatgruppe hatte keinen dienstlichen Bezug, sondern sei von den Mitgliedern privat genutzt worden, sodass es sich hier lediglich um einen privaten Meinungsaustausch gehandelt habe, der sich wegen der gemeinsamen Tätigkeit für den Arbeitgeber auch mit Aspekten des Arbeitslebens auseinandergesetzt habe. Das LAG Niedersachsen sieht hierin auch keine Verletzung von arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten: Soweit Äußerungen über gewalttätiges Verhalten gegenüber Mitgliedern der Geschäftsführung und des Betriebsrates erfolgt seien, so bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dahinter eine Absicht verberge, auch entsprechend tätig zu werden. Der Betriebsfrieden sei durch die Äußerungen im privaten Chat also nicht beeinträchtigt worden, so das LAG Niedersachsen.

BAG ist anderer Auffassung

Das BAG konnte sich der Meinung der beiden Vorinstanzen jedoch nicht anschließen: Die Revision des beklagten Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg. Denn bei stark beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in privaten WhatsApp-Gruppen drohe eine außerordentliche Kündigung, wenn solche Äußerungen bekannt würden. Aus Sicht des BAG habe das LAG rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Arbeitnehmers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung sei aber nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies sei wiederum vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Gruppe abhängig. Wenn (wie in diesem Fall) stark beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige Gegenstand der Nachrichten sind, bedürfe es auch Sicht des BAG einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer erwarten konnte, dass deren Inhalt von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben werde.

Das BAG hat das Berufungsurteil daher aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Das LAG wird dem gekündigten Arbeitnehmer nun Gelegenheit geben, darzulegen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, der zwischenzeitlich neuen Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.