Keine unzulässige Altersdiskriminierung
Während einige die Jahre bis zur Rente bereits zählen, will ein im Jahre 1953 geborener Anwaltsnotar seine Tätigkeit als Notar keineswegs aufgeben. Dies veranlasste ihn, im Wege der Feststellungsklage gegen die gesetzliche Altershöchstgrenze für Notare von 70 Jahren vorzugehen. Das OLG Köln wies die Klage im Jahre 2022 ab. Da nun auch seine Berufung vor dem Senat für Notarsachen des BGH keinen Erfolg hatte, wird der Kläger sich jedoch langsam mit dem Gedanken anfreunden müssen, dem Notariat in den nächsten Jahren nicht mehr nachgehen zu können.
Problemstellung
Der BGH hatte sich unter anderem mit der unionsrechtlichen Frage zu beschäftigen, ob die Altershöchstgrenze für Anwaltsnotare nach der Bundesnotarordnung (BNatO) mit dem Art. 21 I der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vereinbar ist. Nach § 47 Nr. 2 BNatO erlischt das Amt des Notars mit Begehen der Altersgrenze, die nach § 48a BNotO mit Ende des Monats erreicht ist, in dem der Notar das siebzigste Lebensjahr vollendet.
Mit dieser Ungleichbehandlung der Notare nach ihrem Lebensalter verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den Generationenwechsel im öffentlichen Amt des Notars zu erleichtern und den Berufsstand zu verjüngen. Er möchte mit der Altershöchstgrenze eine gewisse Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des Ausscheidens lebensälterer Notare aus ihrem Beruf erreichen, weil die Bestellung zum Notar innerhalb der jeweiligen Gerichtsbezirke zahlenmäßig begrenzt ist. Die Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate soll so den Nachwuchs zur Bewerbung motivieren und damit dem Nachwuchsmangel vorbeugen.
Hierin sieht der BGH ein legitimes Ziel, zu dessen Erreichung die Altersgrenze ein angemessenes und erforderliches Mittel darstelle.
Nach Auffassung des Klägers sei die Ungleichbehandlung der Notare nach ihrem Lebensalter nicht gerechtfertigt, da das Aufrechterhalten der Altershöchstgrenze zur Zweckerreichung nicht erforderlich sei. Es bestünde vielmehr schon aus demographischen Gründen ein bundesweit flächendeckender Bewerbermangel.
Der BGH sieht jedoch einen bundesweiten Nachwuchsmangel auf Basis eines umfassenden Gutachtens der Bundesnotarkammer gerade nicht für gegeben an. Konkret ließe sich aus den Ergebnissen des Gutachtens lediglich ein punktueller Bewerbermangel in denjenigen Oberlandesgerichtsbezirken ablesen, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf (und nicht als hauptberufliche Notare, auch „Nurnotare“ genannt) tätig sind. Dieser Zustand ergäbe sich nicht aus demographischen, sondern aus strukturellen Gründen, was nach Ansicht des Gerichts gerade nicht die Erforderlichkeit der Altersgrenze entfallen lasse.
Der Senat betont darüber hinaus, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der Auswahl seiner Maßnahmen zur Vermeidung des flächendeckenden Nachwuchsmangels ein grundsätzlich zu respektierender, weiter Ermessensspielraum zukomme, bei dem die Altersgrenze nur eine mögliche von vielen Abhilfemaßnahmen darstelle. Bei der jüngsten Änderung der BNotO im Jahre 2021 habe der Gesetzgeber im Bewusstsein des bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden partiellen Bewerbermangels an der Altersgrenze festgehalten.
Weil die Altersgrenze mit 70 Jahren im Vergleich zu den allgemeinen deutschen Pensionsaltersgrenzen hoch angesetzt wurde und ausscheidende Notare nicht darin gehindert sind, weiterhin als Rechtsanwalt, Notarvertreter und Notarsverwalter tätig zu sein, bestehe auch ein angemessener Interessenausgleich für die Betroffenen.
Es ist anzunehmen, dass die aufgezeigten Tätigkeiten für den Kläger wohl wenig tröstlich sein dürften.
Ausblick
Diese Entscheidung bringt die Thematik der gesetzlichen Altersgrenzen zurück in den Blickpunkt der juristischen Ausbildung. Diese wurden mit dem zeitlosen Klassiker des BVerfG aus 1998 zur Verfassungskonformität der mittlerweile aufgehobenen Altersgrenze für Kassenärzte erstmals beleuchtet und zuletzt vom EuGH mit der Regelaltersgrenze von Piloten 2017 erneut thematisiert. Das aktuelle Urteil des BGH zeigt, dass sich die Auseinandersetzung mit dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot lohnt. Vor diesem Hintergrund kann es nicht schaden, ein Augenmerk auf das nationale Recht bei Art. 3 III GG sowie Art. 12 I GG zu legen, da gesetzliche Altersgrenzen im Spannungsfeld zwischen steigender Lebenserwartung und dem branchenübergreifenden Fachkräftemangel immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten führen dürften.
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