BGH entscheidet über 18,41 Euro für verpassten Flug

BGH entscheidet über 18,41 Euro für verpassten Flug

Hat ein Fluggast einen Anspruch auf Rückzahlung der Flugnebenkosten bei Nichtantritt der Reise?

27,30 Euro für einen Flug nach Kreta klingt verlockend. Das hat sich wohl auch ein Mann aus dem Allgäu gedacht und zugeschlagen. Die Airline dürfte weniger begeistert von diesem Schnäppchen gewesen sein, denn er trat den Flug nicht an und forderte die Teilrückzahlung des Ticketpreises. Es ging dabei um 18,41 Euro, über die nun sogar der BGH eine Grundsatzentscheidung traf.

Wie kam es so weit?

Der Mann hatte einen Flug von Memmingen im Allgäu nach Chania auf Kreta für nur 27,30 Euro gebucht. Ohne die Buchung zu stornieren oder von dem Flug zurückzutreten, erschien er am Abflugtag nicht am Gate. Das Flugzeug startete ohne ihn. Auf das Geld für das Ticket, beziehungsweise das Geld, das die Fluggesellschaft durch den Nichtantritt seines Fluges erspart hatte, wollte er dennoch nicht verzichten. Die Einsparungen beliefen sich auf insgesamt 18,41 Euro. Er trat seinen Rückerstattungsanspruch an ein Legal Tech Unternehmen ab, das ihm bei der Durchsetzung seiner Rechte helfen sollte. Hingegen verweigerte die Beklagte, eine irische Fluggesellschaft, weiterhin die Zahlung und führte so eine Grundsatzentscheidung herbei.

Kläger in allen Instanzen erfolgreich

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Memmingen gaben der Klage des Legal Tech Unternehmens zunächst statt. Nun hat sich auch der Bundesgerichtshof den Urteilen der Vorinstanzen angeschlossen. Die Klägerin (aus abgetretenem Recht) habe gem. § 812 I S. 1 BGB und § 648 S. 2 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des zuviel gezahlten Flugpreises in Höhe der Steuern, Gebühren und Entgelte, die die Fluggesellschaft durch den Nichtantritt erspart hätte. Entgegen der Argumentation der Beklagten sei der § 648 S. 2 BGB, eine Norm im Werkvertragsrecht, anwendbar. Ein Personenbeförderungsvertrag sei nach ständiger Rechtsprechung ein Werkvertrag.

Gemäß § 648 S. 1 BGB kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Durch das Nichtantreten des Fluges sei dies laut BGH konkludent geschehen. § 648 S. 2 BGB konkretisiert zusätzlich, dass der Unternehmer im Falle einer Kündigung durch den Besteller, dazu berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Fluggesellschaft ihre Vergütung behalten darf, Flugnebenkosten wie Gebühren, Steuern und Entgelte, die nur für tatsächlich beförderte Passagiere anfallen, allerdings nicht.
Soweit bestätigte der BGH nun seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2016.

Preiskalkulation spielt keine Rolle

Neu an der Rechtsprechung ist, dass diese Grundsätze nun auch dann gelten, wenn die Fluggesellschaft die Flugnebenkosten nicht in ihre Preiskalkulation einbezogen hat. Diese Differenzierung müsse gemäß dem Gesetzeswortlaut allerdings auch nicht durchgeführt werden. Die Fluggesellschaft dürfe durch die Kündigung des Fluggastes weder besser noch schlechter gestellt werden, als sie stehen würde, wenn der Fluggast den Flug angetreten hätte. Da die Beklagte in dieser Situation die Nebenkosten des Fluges einspare, solle sie auch nicht berechtigt sein, diese Flugnebenkosten zu behalten, argumentieren die Karlsruher Richter.

Nach Argumentation der Fluggesellschaft kalkuliere sie ihre Preise in der Erwartung, zusätzliche Umsätze mit dem Verkauf von Speisen und Getränken, sowie zusätzlichen Services wie einer Mietwagenvermietung zu generieren. Dies sind jedoch rein hypothetische Gewinne, die nicht sicher seien und daher auch keinem konkreten Fluggast zugeordnet werden könnten.

Obwohl der erstrittene Geldbetrag vergleichsweise gering ist, wird das Urteil wahrscheinlich dennoch einen Einfluss auf die Preispolitik von Billigfluggesellschaften haben.

(BGH Urteil vom 01.08.2023 - X ZR 118/22)