Revision im Prozess um den Säureattentäter
Kaum zu glauben, dass das kleine Städtchen Haan bei Wuppertal Schauplatz eines derartigen Attentats wurde. Im März 2018 soll ein mittlerweile 43 jähriger Belgier den Spitzenmanager eines Energiekonzerns angegriffen und ihm Säure ins Gesicht geschüttet haben. Das Landgericht Wuppertal verurteilte ihn im August 2022 unter anderem wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Revision ein. Nun hat der Bundesgerichtshof in einem kürzlich gefassten Beschluss über den Fall entschieden. Die Tat sorgte bundesweit für Aufsehen.
Worum geht es?
Der Angeklagte und ein noch immer auf freiem Fuß befindlicher Mittäter erhielten von einer unbekannten Person den Auftrag, gegen Bezahlung oder andere Vorteile einen Anschlag auf ein Vorstandsmitglied eines Energieversorgungsunternehmens in Nordrhein-Westfalen zu verüben. Ihr Ziel sollte es sein, das Opfer schwer zu verletzen. Das Motiv des Auftraggebers blieb dabei bis heute ungeklärt. Der Angeklagte und sein Mittäter gingen sehr durchdacht vor. Sie erkundeten die Gewohnheiten des Opfers und griffen es am 4. März 2018 auf einer Straße in der Nähe seines Wohnhauses an. Sie überrumpelten das Opfer, das gerade von einem Lauftreff wieder nach Hause joggte. Sie brachten es zu Boden und schütteten ihm hochkonzentrierte Schwefelsäure ins Gesicht. Die Hilfeschreie des Opfers erdrücken sie, indem sie dem Opfer den Mund mit den Händen zuhielten. Ihr Ziel war es, dem Opfer schwere und dauerhafte Verletzungen zuzufügen, der Manager des Energiekonzerns sollte vollständig erblinden. Jedoch hatten sie nicht die Absicht, das Opfer zu töten oder in unmittelbare Lebensgefahr zu bringen.
Das Anschlagsopfer erlitt schwerste Verletzungen im Gesicht und insbesondere im Bereich der Augen, die zahlreiche Operationen erforderten und zu einer dauerhaften Entstellung führten. Das Sehvermögen konnte jedoch gerettet werden. Die Auftragstäter entkamen unerkannt. Erst im Jahr 2021 führt ein Hinweis aus der Bevölkerung zur Ergreifung des Angeklagten. Das Energieversorgungsunternehmen versprach zuvor eine Belohnung für Hinweise zur Aufklärung der Tat. Letztlich überführten DNA-Spuren an einem Handschuh in der Nähe des Tatortes den Angeklagten als einen der Täter.
Das Verfahren
Nachdem das Landgericht Wuppertal den Angeklagten wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hat, legte der Angeklagte dagegen Revision (§ 333 StPO) ein.
Die Überprüfung des Urteils durch den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs führte weitgehend zur Bestätigung des Urteils. Allerdings änderte der BGH den Schuldspruch dahingehend, dass eine Verurteilung wegen tateinheitlicher versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 226 I Nr. 1 Var. 1, II Alt. 2, §§ 22, 23 I StGB entfällt. Zwar habe sein Tathandeln neben der eingetretenen dauerhaften erheblichen Entstellung des Opfers darauf abgezielt, das Opfer auch noch erblinden zu lassen, doch handele es sich bei dieser gewollten Tatfolge lediglich um eine Variante der Erfolgsqualifikation der schweren Körperverletzung. Es werden mit den beschriebenen Tatfolgen aber gerade nicht jeweils eigenständige Straftatbestände bezeichnet. Der BGH führt weiter aus:
“Beabsichtige der Täter daher - wie hier - die Verursachung mehrerer der in § 226 Abs. 1 aufgeführten Tatfolgen und gelingt ihm das bezüglich einer, hinsichtlich einer anderen jedoch nicht, ist der Qualifikationstatbestand des § 226 Abs. 2 Alternative 1 StGB insgesamt vollendet. Eine weitere Strafbarkeit wegen versuchter Verwirklichung des § 226 Abs. 2 Alternative 1 StGB - hier gewollte Erblindung - ist daneben nicht gegeben.”
Damit ist das Urteil des Landgerichts im Übrigen, also auch hinsichtlich des Strafmaßes, rechtskräftig und der Angeklagte für die kommenden Jahre im Strafvollzug. Für das Opfer bleibt zu hoffen, dass die Ermittlungsbehörden die anderen Täter doch noch überführen können. Der Manager selbst äußerte im Laufe des Verfahrens mehrfach den Verdacht, ein beruflicher Konkurrent stecke hinter den insgesamt zwei Anschlägen und habe ihn ausschalten wollen. Bereits im Jahr 2012 hatten ihn unbekannte Täter auf seiner Joggingrunde überfallen und ihn zusammengeschlagen. An einen Zufall glaube er nicht und es gäbe nur eine Person in seinem beruflichen Umfeld, die sowohl 2012 als auch 2018 von seiner Berufsunfähigkeit profitiert hätte. Es bleibt also spannend in Haan.
(BGH, Beschluss vom 02.05.2023 – 3 StR 65/23)
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