„Minderwertiges" Pferd kann hohe Behandlungskosten wert sein.

„Minderwertiges

Missverhältnis unbeachtlich bei Mitgeschöpf

Das Pferd ist das Lieblingstier der Prüfungskommission. Bei diesem Thema ergeben sich viele mögliche Konstellationen, zum Beispiel Ansprüche aus Halterhaftung, Schadensersatz oder Mängelgewährleistungsrechte. Im vorliegenden Fall geht es um einen Tierhalter, der die Behandlungskosten für sein schon älteres Pferd von der für die Verletzung des Pferdes verantwortlichen Hundehalterin ersetzt bekommen möchte.

Worum geht es?

Eine Hundehalterin ging mit ihrem Hund im Sommer 2019 in der Nähe einer Pferdekoppel spazieren. Der Hund lief auf die Pferdekoppel und jagte den bereits 24 Jahre alten Wallach des Klägers. Das Pferd entkam der Koppel und wurde von dem Hund bis in die nächste Ortschaft verfolgt. Bei dem Vorfall stürzte das Pferd mehrmals und verletzte sich schwer. Der Eigentümer des Pferdes klagte die Behandlungskosten in voller Höhe ein, was das Landgericht Verden ihm auch zusprach. Die Behandlungskosten beliefen sich auf 14.000 Euro, das Tier musste in einer Tierklinik operiert werden. Der Wert des Wallachs lag im Sommer 2019 bei einem Wert von rund 300 Euro. Die Behandlungskosten überstiegen damit den Wert des Wallachs um das 49-fache. Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen wurde.

Der Halter trägt Verantwortung für ein Tier als Mitgeschöpf

Das Gericht macht deutlich, dass eine rein wirtschaftliche Betrachtung hier nicht angebracht sei. Eine solche verbiete sich aufgrund der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen. Es seien alle äußeren Umstände in die Bewertung mit einzuschließen, etwa die Beziehung des Halters zu dem Tier, die Erfolgsaussichten der Operation oder das Alter des Tieres und damit die Länge der Beziehung zwischen Tier und Halter. Vorliegend war der Wallach das erste Pferd des Klägers gewesen und dieser habe von Anfang an eine besonders enge Bindung zu dem Tier gehabt. Dafür spricht auch, dass er den Wallach auch nach Ende seiner Reiterzeit behalten habe. Auch diente das Pferd als Beistellpferd für andere Pferde.

Mitschuld wegen des Fluchtinstinkts des Pferdes?

Auch eine Mitschuld wegen des Fluchtinstinkts des Tieres lehnte das Gericht ab. Zwar seien die Verletzungen und damit die Behandlungskosten auf das Verhalten des Pferdes, nämlich auf den Fluchtinstinkt der Tiere zurückzuführen. Jedoch lag die Situation hier so, dass das Tier von dem Hund zuerst auf der Koppel und sodann bis in den nächsten Ort gejagt worden sei. Diese von dem Hund der Beklagten ausgehende Gefahr habe den Verursachungsbeitrag des Tieres überwogen.

Die Hundehalterin hat dem Kläger demnach den gesamten Schaden zu ersetzen.

(OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az. 20 U 36/20)