EuGH: Firmen dürfen Mitarbeiter:innen das Tragen eines Kopftuchs verbieten

EuGH: Firmen dürfen Mitarbeiter:innen das Tragen eines Kopftuchs verbieten

Ein Unternehmen dürfe grundsätzlich eine solche Neutralitätspolitik betreiben, die das Tragen sämtlicher religiöser Symbole und Kleidungen verbietet. Dies stelle keine unmittelbare Diskriminierung dar, so der EuGH. Die Möglichkeit einer mittelbaren Diskriminierung bleibe aber.

Worum geht es?

Gerichtsentscheidungen, die die Zulässigkeit des Tragens von religiösen Symbolen zum Gegenstand haben, sind besonders klausurrelevant. Hier können die (Examens-)Kandidat:innen ihr Verständnis für verfassungsrechtliche Fragestellungen – insbesondere im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und im Rahmen der Verhältnismäßigkeit – unter Beweis stellen.

Doch nicht immer geht es um einen Rechtsstreit zwischen einer Privatperson und dem Staat, wenn es um die Religionsfreiheit und das Neutralitätsgebot geht. In einem aktuellen Fall, den der EuGH zu entscheiden hatte, ging es nämlich um die Neutralitätspolitik in einem Unternehmen. Wo liegen die Grenzen der Religionsfreiheit in der freien Wirtschaft?

Belgischer Ausgangsfall

Erst im vergangenen Jahr musste sich der EuGH zu der Frage äußern, wie das Spannungsverhältnis zwischen Religionsfreiheit und einem Verbot bezüglich des Tragens religiöser Symbole am Arbeitsplatz unionsrechtlich zu bewerten ist. Wir haben damals darüber berichtet und auch nun wird deutlich, dass der EuGH seiner Rechtsprechung treu bleibt.

Seit 2018 streitet sich eine Muslimin, die aufgrund ihres Glaubens ein Kopftuch trägt, mit einer Wohnungsverwaltung. Bei der Gesellschaft, die soziale Wohnungen verwaltet, wollte die Frau nämlich ein Praktikum absolvieren. Doch das Unternehmen hatte ihre Bewerbung nicht berücksichtigt, weil sie sich weigerte, ihr Kopftuch abzunehmen. Hintergrund sei die unternehmsinterne Neutralitätsregel, wonach Mitarbeiter:innen darauf achten müssen, dass sie ihre religiöse, philosophische oder politische Weltanschauung nicht durch ihre Kleidung zum Ausdruck bringen.

Ihr zweiter Versuch wenige Wochen später, bei dem die Muslimin vorschlug, anstelle des Kopftuchs eine andere Kopfbedeckung zu tragen, schlug daher auch fehl. Die Wohnungsverwaltung betonte, dass auch Mützen, Kappen und andere Kopfbedeckungen bei ihnen verboten seien.

Dagegen zog die Frau vor das Arbeitsgericht in Brüssel. Doch das belgische Gericht war sich in der Sache nicht sicher, ob die Regelung des Unternehmens eine unmittelbare Diskriminierung darstelle oder nicht. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsgesuchs wandte es sich deswegen mit dieser Frage an den EuGH.

Unmittelbare Diskriminierung: (-)

In Luxemburg wurde nun entschieden: Die interne Regelung eines Unternehmens, die es Arbeitnehmern verbietet, religiöse Bekleidung zu tragen, sei keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Unionsrechts. Das europäische Gericht führte aus, dass Unternehmen in der freien Wirtschaft grundsätzlich eine Neutralitätspolitik betreiben dürfen und damit sämtliche religiöse und weltanschauliche Symbole und Kleidung verbieten könnten.

Allerdings gibt es eine Voraussetzung: Die Regelung müsse allgemein und unterschiedslos für alle Arbeitnehmer gelten. Aus Luxemburg heißt es dazu:

Insoweit hat der Gerichtshof erläutert, dass, da jede Person eine Religion oder religiöse, weltanschauliche oder spirituelle Überzeugungen haben kann, eine solche Regel, sofern sie allgemein und unterschiedslos angewandt wird, keine Ungleichbehandlung begründet.

Mittelbare Diskriminierung: (?)

Allerdings schließe das nicht die Möglichkeit aus, dass eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könnte, so der EUGH. Dies wäre etwa der Fall, wenn sich herausstellen sollte, dass die Regelung der Wohnungsverwaltung dazu führen würde, dass nur Personen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung benachteiligt würden. Ob dies der Fall sei, könne der EuGH aber nicht feststellen. Das Arbeitsgericht in Brüssel, vor dem gestritten wird, müsse dies feststellen.

Im gleichen Zug wies der EuGH darauf hin, dass eine mittelbare Diskriminierung ausscheiden würde, wenn die Ungleichbehandlung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und das gewählte Mittel angemessen und erforderlich sei. Aber: Der bloße Wille des Arbeitgebers, eine interne Neutralitätspolitik zu wahren, genüge für sich genommen dieser Anforderung nicht. Im Rahmen der mittelbaren Diskriminierung könne das belgische Gericht daher bei seiner Abwägung der Religionsausübung eine größere Bedeutung beimessen als der unternehmerischen Freiheit, so der EuGH.

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