Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Untermieter nach Zwangsräumung

Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Untermieter nach Zwangsräumung

A. Sachverhalt

Die Klägerin ist Erbin des vormaligen Klägers (nachfolgend: Erblasser).

Der Erblasser vermietete eine 106,55 qm große Wohnung an einen Hauptmieter, der eine 7 qm große Kammer dieser Wohnung an den Beklagten untervermietete. Das Hauptmietverhältnis endete nach dem Tod des Hauptmieters Ende November 2014.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 forderte der Erblasser den Beklagten erfolglos zur Herausgabe der Wohnung auf. Mitte 2016 wurde der Beklagte auf eine im März 2016 erhobene Klage rechtskräftig zur Räumung verurteilt und ihm eine Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO bis zum 30. September 2016 gewährt.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nach dessen Zwangsräumung im Oktober 2016 die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Wohnung für die Monate März 2016 bis September 2016, zuletzt noch in Höhe von insgesamt 2.170,00 Euro.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

B. Überblick

Der Untermieter ist ein gern gesehener Gast in Examensklausuren. Oft taucht er zwar nur als derjenige auf, der die Untermiete an den Hauptmieter zahlt, die der Vermieter sodann vom Hauptmieter herausverlangt. Hin und wieder wird er aber auch direkt vom Vermieter in Anspruch genommen. Das passiert vor allem dann, wenn er die Wohnung nicht herausgibt – so wie im vorliegenden Fall.

Pflichten im Mietvertrag, § 535 BGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit

I. Berechtigte Untervermietung

Das Untermietverhältnis besteht nur zwischen dem Hauptmieter und dem Untermieter und erfordert die Zustimmung der Vermieters (§ 540 Abs. 1 Satz 1 BGB). Liegt diese vor, hat der Untermieter gegenüber dem vermietenden Eigentümer ein vom Hauptmieter abgeleitetes Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 Satz 2 BGB). Beschädigt er die Mietsache, haftet der Hauptmieter dem Vermieter auf Schadensersatz, weil er sich das Verschulden seines Untermieters zurechnen lassen muss (§ 540 Abs. 2 BGB). Wird der Hauptmietvertrag beendet, kann der Vermieter auch vom Untermieter die Herausgabe der Wohnung verlangen (§ 546 Abs. 2 BGB). In der vorliegenden Entscheidung des BGH geht es darum, welche Rechte der Eigentümer gegen den Untermieter hat, wenn dieser dem Herausgabeverlangen nicht nachkommt.

II. Unberechtigte Untervermietung

Die unberechtigte Untervermietung spielt eine wichtige Rolle in den Examensklausuren vor allem dann, wenn der Untermieter eine viel höhere Miete zahlt als der Hauptmieter selbst. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten beim Vermieter.

Da hier eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen zu prüfen ist, erfreut sich diese Konstellation großer Beliebtheit, und ihre Lösung sollte zum Standardwissen gehören; deshalb an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die in Frage kommenden Ansprüche und die maßgeblichen Probleme (unbedingt lesenswert BGH XII ZR 194/93; die einzelnen Aspekte sind aber fast durchweg streitig):

  • Anspruch aus dem Mietvertrag (-)Der Hauptmieter schuldet nur die vertraglich vereinbarte Miete.

  • Schadensersatz, § 280 Abs. 1 BGB (-)Der Hauptmieter hat seine Pflicht, die Wohnung nicht ohne die Erlaubnis des Vermieters unterzuvermieten, verletzt. Ein kausaler Schaden ist hieraus aber nicht entstanden, da der Vermieter nur so gestellt werden kann, wie er bei Zustimmung zur Untervermietung stünde (§ 251 Abs. 1 BGB). Es gibt aber keinen Automatismus, dass er dann eine höhere Miete durchgesetzt hätte, die er als entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) verlangen könnte

  • §§ 987, 990 BGB (-)Ein Vindikationsanspruch scheitert am Besitzrecht des Hauptmieters. Dass er den Besitz nicht so ausübt, wie es ihm der Mietvertrag erlaubt, ändert hieran nichts (vgl. BGH V ZR 228/00).Aus demselben Grund kommt auch ein Anspruch aus §§ 989, 990 BGB nicht in Betracht.

  • § 823 Abs. 1 BGB (-)Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert – wenn nicht schon an der Rechtsgutsverletzung – wiederum am fehlenden kausalen Schaden des Vermieters.

  • § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB (-)Ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB besteht weder in direkter noch in analoger Anwendung der Norm.Für die direkte Anwendung fehlt es bereits an einer Verfügung des Hauptmieters über das Eigentum an der Wohnung. Verfügung ist jede Übertragung, Belastung, Aufhebung oder Inhaltsänderung eines Rechts.Eine entsprechende Anwendung des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil der Untermietzins keinen Gegenwert darstellt, den der Mieter anstelle des Eigentümers erzielt. Dieser hätte die bereits an den Mieter vermietete Sache nicht mehr selbst an einen Dritten untervermieten können. Hinzu kommt, dass der Untermieter dem Vermieter gegenüber kein Recht zum Besitz erlangt, die Untervermietung also nicht wirksam in dessen Rechtsposition eingreift (zum Ganzen Absatz BGH XII ZR 194/93).

  • § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion)Die Eingriffskondiktion setzt einen unerlaubten Eingriff in das Recht eines Dritten voraus. Hieran fehlt es. Wie eben gezeigt, war der Vermieter nicht zur Vermietung an den Untermieter berechtigt.

  • Angemaßte Eigengeschäftsführung, §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGBEin Herausgabeanspruch wegen angemaßter Eigengeschäftsführung scheidet ebenfalls aus, weil die Untervermietung für den Hauptmieter kein fremdes Geschäft ist.

III. Räumung von Wohnraum

Kommt der Mieter bzw. der Untermieter der Verpflichtung zur Herausgabe der Wohnung nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses (§ 546 ZPO) nicht nach, braucht der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel. Diesen muss er sich mit einer Räumungsklage erstreiten.

1. Räumungsklage
  • Zuständig für diese Klage ist das Amtsgericht am Ort der Wohnung. Sachlich folgt das aus der Spezialregelung in § 23 Nr. 2a GVG. Danach sind die Amtsgerichte für Streitigkeiten aus Wohnraummietverhältnissen ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Auch die örtliche Zuständigkeit ist eine ausschließliche und folgt aus § 29a Abs. 1 ZPO.

  • In einer Anwaltsklausur im zweiten Examen müsste der folgende Antrag gestellt werden:Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die im Dachgeschoss des Mehrfamilienhauses Elbchaussee 260, 22605 Hamburg gelegene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und WC, sowie den dazu gehörenden Kellerraum Nr. 7 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

  • Der Räumungstitel ergeht mit dem Inhalt des Antrags. In aller Regel räumt das Gericht dem Schuldner dabei eine Räumungsfrist ein (§ 721 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2.  Vollstreckung des Räumungstitels

Zieht der Schuldner innerhalb der Räumungsfrist nicht freiwillig aus, muss der Gläubiger den Räumungstitel vollstrecken lassen. Hierfür zuständig ist der Gerichtsvollzieher, der den Schuldner aus dem Besitz setzt und den Gläubiger in den Besitz einweist, wie es in § 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO heißt.

IV. Prozessuales

Der ursprüngliche Eigentümer und Vermieter der Wohnung ist im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens gestorben.

  • Mit dem Tod einer Partei wird das Verfahren automatisch unterbrochen, bis der Rechtsnachfolger den Prozess aufnimmt (§ 539 Abs. 1 ZPO). Das gilt allerdings nicht, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist; das Gericht kann aber auf Antrag das Verfahren aussetzen (§ 246 Abs. 1 ZPO).

  • Rechtsnachfolger ist der Erbe (§ 1922 Abs. 1 BGB). Mit der Aufnahme des Prozesses durch Zustellung eines Schriftsatzes an den Gegner (§ 250 ZPO) wird er zum Kläger. An die Ergebnisse des bisherigen Prozessverlaufs ist er gebunden.

  • Verweigert oder verzögert er die Aufnahme des Verfahrens, wird er auf Antrag des Gegners zur Aufnahme und mündlichen Verhandlung geladen (§ 239 Abs. 2 ZPO).Ist die Rechtsnachfolge streitig, entscheidet das Gericht hierüber durch Zwischenurteil.Erscheint der (vermeintliche) Rechtsnachfolger nicht zum Termin, gilt die Rechtsnachfolge als zugestanden und es wird zur Hauptsache verhandelt, was zu einem Versäumnisurteil nach §§ 330, 331 ZPO führen kann (Abs. 4).Vor Annahme der Erbschaft ist der Rechtsnachfolge jedoch nicht verpflichtet, den Prozess aufzunehmen (Abs. 4). Die Erbschaft gilt als vom Erben angenommen, wenn dieser sie nicht innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis seines Erbrechts ausschlägt (§§ 1943, 1944 BGB).

C. Entscheidung

Der u.a. für das Eigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH hat die Revision des Untermieters zurückgewiesen.

Die Klägerin habe gegen diesen einen Schadensersatzanspruch aus § 990 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs. 1 und 2, §§ 286, 249, 252 BGB in Höhe der ortsüblichen Miete für die ganze Wohnung.

I. Vindikationslage

Der Beklagte habe kein Recht zum Besitz an der Wohnung (mehr). Dies würde auch dann gelten, wenn der Eigentümer der Untervermietung zugestimmt hätte, was deshalb offenbleiben könne. Die §§ 987 ff. BGB fänden auch auf den nicht-mehr-berechtigten Besitzer Anwendung. Deshalb würde es keine Rolle spielen, wenn der Beklagte bis zur Beendigung des Hauptmietvertrages zum Besitz berechtigt gewesen wäre.

Da der Erblasser vom Beklagten die Räumung verlangt hatte, musste der BGH die streitige Frage, ob erst ein solches Verlangen das Besitzrecht entfallen lässt, nicht beantworten.

II. Verzugsschaden

Der zur Herausgabe verpflichtete Besitzer hafte im Fall des Verzugs gemäß § 990 Abs. 2 BGB iVm § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB (auch) auf Ersatz des durch die Verzögerung der Herausgabe entstehenden Schadens, wenn er

  • bei Erwerb des Besitzes bösgläubig war oder

  • von dem Mangel im Besitzrecht später erfahren hat.

  1. Der Beklagte habe spätestens mit dem Räumungsverlangen vom Wegfall seines Besitzrechts erfahren. Dabei sei es unerheblich, dass ihm eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt worden sei, da diese Frist keine materiell-rechtliche Wirkung habe und deshalb den Verzug nicht beseitige.

  2. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Beklagte tatsächlich nur die Kammer oder nicht doch die gesamte Wohnung im Besitz gehabt habe. Gibt ein unmittelbarer Besitzer eines Raums einer Wohnung diesen nicht heraus und ist es dem Eigentümer nicht zumutbar, nur Teile der Wohnung zu vermieten, so setze der unmittelbare Besitzer des Raums die Ursache dafür, dass die gesamte Wohnung nicht vermietet werden könne und daher ein entsprechender Mietausfallschaden entstehe.

III. Anspruchsausschluss nach § 571 Abs. 2 BGB

Der Schadensersatzanspruch sei nicht nach § 571 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.

Nach § 571 Abs. 2 BGB ist der Mieter, dem nach § 721 oder § 794a ZPO eine Räumungsfrist gewährt wird, für die Zeit von der Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Räumungsfrist zum Ersatz eines weiteren Schadens nicht verpflichtet.

1. Sinn und Zweck der Regelung

Die Norm beschränke die Ansprüche des Vermieters auf die ihm nach § 546a Abs. 1 BGB für die Zeit der Vorenthaltung zustehende Nutzungsentschädigung und befreie den Mieter von einer Haftung für weitere durch die Ausnutzung der gerichtlichen Räumungsfrist entstehende Schäden. Insbesondere für einen dem Vermieter in Folge des Verzuges mit der Wohnungsherausgabe entstehenden Schaden habe der Mieter für den Zeitraum der ihm vom Gericht gewährten Räumungsfrist nach § 721 oder § 794a ZPO nicht einzustehen.

2. Unmittelbare Anwendung

§ 571 Abs. 2 BGB sei auf den Beklagten als Untermieter nicht unmittelbar anwendbar. Zwar könne auch dem Untermieter eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt werden, weil es dafür allein auf die tatsächliche Nutzung des Raums zum Wohnen und nicht auf den Rechtsgrund des Innehabens des Wohnraums ankomme. Die Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB gelte unmittelbar nur im Verhältnis zwischen Eigentümer und Hauptmieter, da sie systematisch an die Regelung des § 546a BGB anknüpfe und wie diese das Bestehen eines (beendeten) Mietverhältnisses voraussetze.

3. Analoge Anwendung

a) Die streitige Frage, ob § 571 Abs. 2 BGB auf den Untermieter von Wohnraum entsprechend anwendbar sei, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls hätte eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht zur Folge, dass sich der Schadensersatzanspruch des Eigentümers auf eine Nutzungsentschädigung für die untergemieteten Räume beschränken würde.

  • Für den Vermieter wäre es unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führen würde, dass er trotz Vorenthaltung der gesamten Wohnung eine Nutzungsentschädigung nur in Höhe des Untermietzinses bzw. der ortsüblichen Miete für die untervermieteten Teile der Wohnung erhielte. Er stünde dann schlechter als im Verhältnis zum Hauptmieter, der nach § 546a Abs. 1 BGB während der Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung in voller Höhe schulde.

  • Ein solches Ergebnis lasse sich nicht mit dem Schutzzweck des § 571 Abs. 2 BGB rechtfertigen. Die Vorschrift schütze zwar das Interesse des Mieters, eine ihm gewährte Räumungsfrist zu nutzen; das Gesetz bringe es aber in einen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters an der baldigen Rückerlangung der Wohnung nach Ende des Mietverhältnisses, indem § 546a Abs. 1 BGB dem Vermieter einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten bzw. ortsüblichen Miete für diesen Zeitraum zuerkenne. Ein solcher Anspruch müsse dem Vermieter auch dann verbleiben, wenn § 571 Abs. 2 BGB analog auf einen Untermieter anzuwenden sein sollte; denn der Untermieter steht dem Vermieter schon mangels vertraglicher Beziehungen ferner als Hauptmieter.

  • Dass der Untermieter den ihm gewährten Räumungsschutz nur um den Preis einer Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung in Anspruch nehmen könne, sei dagegen hinzuzunehmen. Darin setze sich lediglich fort, dass der Untermieter zu keiner Zeit in einem vertraglichen Verhältnis zu dem Eigentümer gestanden, sondern sein Besitzrecht von dem Hauptmieter abgeleitet habe. Soweit die mietrechtliche Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB überhaupt geeignet sei, Rechte des Eigentümers im Verhältnis zum Untermieter einzuschränken, könne eine solche Beschränkung nicht über das hinausgehen, was zwischen den (ursprünglichen) Hauptmietparteien gelten würde. Werde dem Untermieter, der nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses über eine Wohnung und Räumung durch den Hauptmieter die untergemieteten Wohnräume an den Eigentümer nicht herausgebe, eine gerichtliche Räumungsfrist gewährt, könne der Eigentümer deshalb von ihm nach den Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses Schadensersatz jedenfalls in Höhe der von dem Hauptmieter bei Nichträumung geschuldeten Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung verlangen.

b) Trotzdem positioniert sich der Senat in dieser Frage:

  • Der Zweck des § 571 Abs. 2 BGB spreche für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist. Er sei darin zu sehen, dass der Wohnraummieter sich nicht aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen des Vermieters davon abhalten lassen solle, eine Räumungsfrist zu beantragen und zu nutzen. Daher begrenze § 571 Abs. 2 BGB die Haftung des Mieters, dem eine Räumungsfrist gewährt worden sei, auf die vereinbarte bzw. ortsübliche Miete (§ 546 Abs. 1 BGB); für weitere Schäden (§ 546 Abs. 2 BGB) hafte er dagegen nicht.

  • Der Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist nach § 721 oder § 794a ZPO gewährt worden sei, befinde sich in einer vergleichbaren Situation. Müsste er bei Ausnutzung der Räumungsfrist unbegrenzte Schadensersatzansprüche des Eigentümers wegen Verzuges (§ 990 Abs. 2 BGB) gewärtigen, hätte dies entweder zur Folge, dass er, obwohl darauf angewiesen, keinen Räumungsschutz in Anspruch nehme, oder dass er nach Nutzung der Räumungsfrist unter Umständen erheblichen Schadensersatzansprüchen des Eigentümers ausgesetzt sei. Beides solle durch die Regelung des § 571 Abs. 2 BGB bei einem (früheren) Mieter verhindert werden.

D. Prüfungsrelevanz

Wie immer an dieser Stelle ein zusammenfassender Blick auf die besonders examensrelevanten Aussagen der Entscheidung.

EBV-Ansprüche, §§ 987 ff. BGB
Prüfungsrelevante Lerneinheit

  • Die §§ 987 ff. BGB sind auch auf denjenigen Besitzer anwendbar, der sein Besitzrecht verloren hat. Man nennt ihn den nicht-mehr-berechtigten Besitzer.Ob das Besitzrecht eines Untermieters erst nach einem Räumungsverlangen endet, hat der BGH offengelassen. Ein solches Verlangen wird regelmäßig spätestens mit der Erhebung der Räumungsklage vorliegen. Die Frage, ob der Untermieter unmittelbar mit Kenntnis von der Beendigung des Hauptmietvertrages in Verzug mit der Herausgabe gerät, beantwortet das natürlich nicht.

  • Der Verzug wird nicht dadurch beendet, dass dem Untermieter im Räumungsurteil eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt wird.

  • Besteht der Untermietvertrag nur über einen Teil der Wohnung, ist zu unterscheiden:

    • Untermieter hat den gesamten Mietausfallschaden als Verzögerungsschaden nach §§ 990 Abs. 2, 286 BGB zu ersetzen, wenn es dem Eigentümer nicht zumutbar ist, nur einen Teil der Wohnung weiterzuvermieten.
    • Nutzungen muss er dagegen nach §§ 987, 990 Abs. 1 BGB nur in dem Umfang herausgeben, in dem er die Wohnung tatsächlich in Besitz gehabt hat.
  • § 571 Abs. 2 BGB ist im Verhältnis des Eigentümers zum Untermieter analog anwendbar.

    • Die unmittelbare Anwendung scheidet aus, weil die Vorschrift nur das Mietverhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Hauptmieter erfasst.
    • Für die analoge Anwendung spricht, dass sich der Untermieter in derselben Situation befindet wie ein Hauptmieter, dem eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO eingeräumt wurde. Müsste er trotz Räumungsfrist über die ortsübliche Miete hinaus unbegrenzt die Verzögerungsschäden des Eigentümers ersetzen, würde ihn das insbesondere davon abhalten, sich eine Räumungsfrist einräumen zu lassen.
  • Die analoge Anwendung von § 571 Abs. 2 BGB führt aber nicht dazu, dass sich der Schadensersatzanspruch des Eigentümers auf eine Nutzungsentschädigung für die untergemieteten Räume beschränkt. Beschränkungen nach § 571 Abs. 2 BGB können nicht über das hinausgehen, was zwischen den (ursprünglichen) Hauptmietparteien gelten würde.

(BGH, Urteil vom 11.12.2020 – V ZR 26/20)