BGH zum Gehilfenvorsatz bei Mord und Körperverletzung (Teil 2)

BGH zum Gehilfenvorsatz bei Mord und Körperverletzung (Teil 2)

Ein Fall mit hoher Prüfungsrelevanz: Es geht unter anderem um den doppelten Gehilfenvorsatz, Beihilfe zum Mordversuch und Körperverletzung mit Todesfolge

Nachdem wir im ersten Teil die Strafbarkeit des S besprochen haben, widmen wir uns nunmehr der Strafbarkeit des P. Es geht dabei insbesondere um den doppelten Gehilfenvorsatz und die Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB.

II. Strafbarkeit des P

1. Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge, §§ 227 Abs. 1, 27 StGB

P könnte sich wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge gemäß den §§ 227 Abs. 1, 27 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem K mitgeteilt hat, wer für den Einbruch in seine Bar verantwortlich ist (A, B und C), dass die betreffenden Personen beabsichtigen, das Diebesgut für eine Nacht in der Kneipe des N zu lagern, und der Gruppe um K – an dem Tatabend und vor Verlassen der Örtlichkeiten (und der Tatbegehung)– bestätigt hat, dass sich die Einbrecher derzeit in der Kneipe des N befinden.

a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat

Die vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat, zu der P in strafbarer Weise Hilfe geleistet haben könnte, könnte in einer durch K, J und X – in Mittäterschaft – begangenen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 Abs. 1 StGB zu sehen sein. Nach § 227 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer durch eine solche Körperverletzung „den Tod der verletzten Person“ verursacht. Die (Haupt-)Täter K, J und X haben gemeinschaftlich eine gefährliche Körperverletzung i.S. der §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB (auch) zum Nachteil des C begangen (s.o.). Den Tod von C haben K, J und X vorsätzlich (s.o.), also wenigstens fahrlässig (§ 18 StGB), durch die Abgabe des Schusses auf den Oberkörper von C adäquat-kausal verursacht. Dass diese Tat für K, J und X im Wege der Konkurrenz hinter den ebenfalls verwirklichten Tatbestand des § 211 StGB (s.o.) zurückritt, hindert eine Teilnahme des P an dieser Haupttat nicht.

b) Hilfeleistung

Dadurch, dass P dem K die Verantwortlichen für den Einbruch in seine Bar und deren Aufenthaltsort (in der Bar des N) benannt bzw. bestätigt hat, hat er die Tatbegehung durch K, J und X ermöglicht.

c) „Doppelter Gehilfenvorsatz“

Fraglich ist aber, ob P neben dem Wissen und Wollen der eigenen Teilnahmehandlung und dem Vorsatz hinsichtlich der Begehung der Haupttat auch – weil es sich bei der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB um ein sog. erfolgsqualifiziertes Delikt handelt – hinsichtlich der besonderen Folge die subjektiven Voraussetzungen erfüllt hat. Problematisch könnte dies vorliegend deswegen sein, weil P zwar hat erkennen können, dass es eine „Abreibung“ für A, B und C geben wird, aber nichts von dem Mitführen der Schusswaffe und damit der Gefahr des Todes wusste. Dazu der BGH:

„II.2.a) Allerdings wird bei erfolgsqualifizierten Delikten - wie dem des § 227 StGB - die strafrechtliche Haftung des Teilnehmers für den von ihm weder gewollten noch gebilligten Erfolg nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter diesen vorsätzlich herbeigeführt hat (…). Sofern der Täter dem Misshandelten, insoweit über den Vorsatz des Teilnehmers hinausgehend, mit Tötungsvorsatz eine Verletzung zufügt, die auch zum Tode des Opfers führt, kann sich daraus eine Strafbarkeit wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) ergeben (…). Aber ausgehend von dem Grundsatz, dass der Teilnehmer für eine entsprechende Strafbarkeit jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen muss, haftet er nur für die Folgen derjenigen Handlungen des Täters, die er in seine entsprechenden Vorstellungen einbezogen hatte.

Dies bedarf indes nicht der Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs, so dass eine Verurteilung wegen Teilnahme an einer Körperverletzung mit Todesfolge auch dann in Betracht kommen kann, wenn der Teilnehmer zwar keine Kenntnis vom Mitführen eines später zur Tötung eingesetzten Messers durch den Täter hatte, in Bezug auf die Körperverletzung der Vorsatz des Teilnehmers aber auch auf die Verwendung von Schlagwerkzeugen (…) oder die Intensivierung der Verletzungshandlungen im Falle der Gegenwehr (…) bezogen war. Ausreichend für eine Verurteilung eines Teilnehmers nach § 227 StGB - hierzu aber auch erforderlich - ist, dass die von dem Täter dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen nicht gänzlich von anderer Art und Beschaffenheit sind, als der Teilnehmer wollte und es sich vorstellte (…).

b) Ausgehend hiervon belegen die Feststellungen nicht, dass der durch den Schusswaffeneinsatz hervorgerufene Tod des Geschädigten [C] dem Angeklagten P im Sinne der § 227 Abs. 1, § 18, § 27 Abs. 1 StGB zugerechnet werden kann.

Zwar erkannte der Angeklagte P - wie die Strafkammer festgestellt hat - die Gefahr von Körperverletzungshandlungen. Aus der Gesamtschau der Urteilsgründe wird auch deutlich, dass er von einer gemeinschaftlichen und daher nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB qualifizierten Begehungsweise ausging. Dies allein trägt indes nicht die Annahme, der Angeklagte P habe den Tod eines Geschädigten als spezifische Folge der Gewalteinwirkung voraussehen können. Die Strafkammer hat ausdrücklich nicht festzustellen vermocht, dass der [P] wusste, dass [X] eine Schusswaffe mit sich führte. Weitergehende Feststellungen dazu, von welchen Handlungen der P konkret ausgegangen ist, hat die Strafkammer nicht getroffen. Damit wird nicht belegt, dass der P zumindest den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat - tödlicher Schuss auf ein Tatopfer - erfasst hatte.

Dass für den P die Verwendung einer Schusswaffe nicht außerhalb des für ihn Vorhersehbaren gelegen habe, wie die Strafkammer annimmt, genügt nicht für die Begründung einer Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB. Der qualifizierte Taterfolg des § 227 Abs. 1 StGB kann dem P nur dann zugerechnet werden, wenn dieser ausgehend von der von seinem Vorsatz umfassten Körperverletzungshandlung darauf hätte schließen können, dass diese den Tod des Tatopfers zur Folge haben konnte.

Denn § 18 StGB lässt allein in Bezug auf den Taterfolg Fahrlässigkeit genügen. Ähnlich wie bei der Mittäterschaft ist entscheidend, dass sich der Teilnehmervorsatz gerade auch auf die Begehungsweise bezieht, der die Gefahr der schweren Folge typischerweise anhaftet (…). § 18 StGB findet dagegen keine Anwendung, wenn der Tod des Tatopfers auf einer Körperverletzungshandlung beruht, die nicht vom Vorstellungsbild des Gehilfen gedeckt war, mag deren Begehung auch erkennbar gewesen sein. In diesen Fällen besteht auch bezogen auf die Tathandlung lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Gehilfen, so dass dessen Strafbarkeit nach § 227 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB ausscheidet und allenfalls eine solche nach § 222 StGB in Betracht kommt.“

P fehlte demgemäß (nach den derzeitigen Feststellungen) der Vorsatz hinsichtlich der Haupttat.

d) Zwischenergebnis

P hat sich nicht wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht.

2. Beihilfe zum (versuchten) Mord, §§ 211, (22, 23 Abs. 1,) 27 StGB

P hat sich auch nicht wegen Beihilfe zum Mord bzw. zum versuchten Mord strafbar gemacht. Sein Vorsatz umfasste nicht den Tatplan bzw. den Vorsatz von K, J und X, einen anderen Menschen zu töten. Er hat die Örtlichkeiten vor dem Angriff verlassen und wusste nichts von dem Mitführen der Waffe.

3. Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 27 StGB

P hat sich aber – ebenso wie S (s.o.) – wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1, 224 Nr. 4 StGB strafbar gemacht. P erkannte die Gefahr von durch die Gruppe um K begangene Körperverletzungen und ging zudem von einer gemeinschaftlichen Begehungsweise aus. Die Verwirklichung der qualifizierten Haupttat zu Lasten von A, B und C nahm P hier billigend in Kauf.

4. Ergebnis

P hat sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen strafbar gemacht.

C. Prüfungsrelevanz

Die sorgfältige Prüfung der – objektiven und subjektiven – Voraussetzungen einer Teilnahmetat ist ohnehin unabdingbar, bei Tötungsdelikten bzw. bei erfolgsqualifizierten Delikten „mit Todesfolge“ kommt es aber erst Recht darauf an, die Vorstellungen des Täters von der Haupttat konkret und sicher festzustellen. Im hiesigen, vom 2. Strafsenat des BGH entschiedenen Fall lagen die Schwierigkeiten genau dort, also den beiden Gehilfen nachzuweisen, dass sie den (versuchten) Heimtückemord an den Beteiligten der Auseinandersetzung bzw. den Tod eines Beteiligten infolge von Körperverletzungshandlungen in ihr Vorstellungsbild aufgenommen hatten. Angesichts ihrer jeweilig für das konkrete Ausführungsstadium eher untergeordneten Gehilfenleistungen verstand sich dies nicht von selbst.

Über die Erfolgszurechnung im Rahmen von § 227 Abs. 1 StGB beim vorsätzlichen Dazwischentreten Dritter hatte der BGH in anderer Sache zu entscheiden:

M und O lebten in einer Beziehung. Obwohl der O die M häufig und schwer misshandelte, konnte sie sich nicht von ihm trennen. Indes entschied sie sich dafür, dass O eine „Tracht Prügel“ erhalten soll. Damit beauftragte sie ihren Sohn, der – zusammen mit zwei Freunden – beschloss, dem O bis zur Bewusstlosigkeit eine Abreibung zu verpassen. Daraufhin fuhren die drei Freunde zu dem Campingplatz, auf dem M und O gemeinsam in einem Wohnwagen lebten. Während M – vorab informiert – den Wohnwagen kurzeitig verließ, stürmten der Sohn der M und seine Begleiter den Wohnwagen und schlugen mehrfach und heftig auf O ein. Als M wieder zurückkehrte, fand sie den O kampfunfähig am Boden liegend vor.

In Tötungsabsicht schlug sie ihn mehrfach mit einem Pflasterstein auf den Kopf und würgte ihn, bis er verstarb. Fraglich war, ob der Sohn von M und seine beiden Begleiter u.a. nach § 227 Abs. 1 StGB zu bestrafen sind. Dazu der BGH (vgl. Urt. v. 12.8.2021 − 3 StR 450/20):

„Soweit das LG infolgedessen eine Strafbarkeit (…) wegen Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB abgelehnt hat, hat es den von ihm festgestellten Sachverhalt rechtsfehlerfrei gewürdigt. Zwar versetzten die [Täter] mit der von ihnen geschaffenen Gefahrensituation die Mutter in die Lage, den Lebensgefährten zu ermorden, und begründeten damit eine Kausalreihe für das Tötungsdelikt. Deren eigenverantwortliches Verhalten ist ihnen jedoch nicht zurechenbar. Bei der mittelbaren Verursachung einer vollverantwortlich begangenen fremden Vorsatztat ist streitig, ob eine Erfolgszurechnung über eine fahrlässige Täterschaft des Hintermannes überhaupt möglich ist (…). Voraussetzung der Zurechnung ist aber jedenfalls, dass der Erfolgseintritt für [den Täter] voraussehbar war (…). Im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestands voraussehbar ist, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können. Die Verantwortlichkeit des Täters entfällt deshalb für solche Ereignisse, die so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegen, dass der Täter auch bei der nach den Umständen des Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden Sorgfalt nicht mit ihnen rechnen muss. Eingetretene Folgen können insbesondere außerhalb der Lebenserfahrung liegen, wenn sich in den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Erfolg bewusste oder unbewusste Handlungen dritter Personen einschalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Beitrag anderer Personen zum Geschehen in einem gänzlich vernunftwidrigen Verhalten besteht (…). Daran gemessen lag der Geschehensablauf, der zum Tod des Geschädigten führte, (…) außerhalb der Lebenserfahrung und war für die [Täter] nicht voraussehbar. Damit, dass die Mutter es einerseits über einen längeren Zeitraum hinnahm, vom Geschädigten misshandelt zu werden, und sie es nicht vermochte, sich von ihm zu trennen, aber andererseits nicht davor zurückschreckte, ihn auf die festgestellte Weise zu töten, mussten die [Täter] bei Gesamtbetrachtung der Umstände nicht rechnen. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass sie ihm durch angeheuerte Schläger einen Denkzettel verpassen wollte. (…) die Mutter [war] im Tatzeitpunkt 51 Jahre alt und unbestraft; die [Freunde ihres Sohnes] kannten sie nicht einmal. Anhaltspunkte dafür, dass sie desorientiert, in ihren geistigen Leistungen vermindert oder aus anderen Gründen nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war (…), enthalten die getroffenen Feststellungen nicht. (…)“

Für die vertiefte Prüfungsvorbereitung eignet sich die hier besprochene Entscheidung sehr gut (BGH, Beschluss vom 15.03.2022 – 2 StR 302/21).