BGH zum Kausalzusammenhang bei der Beteiligung an einer Schlägerei

BGH zum Kausalzusammenhang bei der Beteiligung an einer Schlägerei

In diesem Fall geht es insbesondere um die gefährliche Körperverletzung, das Problem der sukzessiven Mittäterschaft und die Beteiligung an einer Schlägerei

Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen mehreren Personen werden regelmäßig vor allem Körperverletzungsdelikte verwirklicht, gelegentlich gibt das Geschehen – wie in diesem Fall – darüber hinaus auch Anlass, eine Strafbarkeit nach § 231 StGB zu prüfen.

A. Sachverhalt

E wohnt in einer Unterkunft für Asylbewerber und bewahrt dort in seinem Zimmer Marihuana auf. Teile davon sind für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen, der Rest für den Eigenkonsum. Die Brüder F und G – die von dem Rauschgiftvorrat bei E erfahren haben – begeben sich dorthin, um das Marihuana an sich zu bringen. Sie schlagen dem E mit einem harten Gegenstand auf den Kopf, nehmen die Drogen an sich und flüchten. N, ein Mitbewohner von E, stellt sich F und G entgegen, worauf sie ihn mit einem Baseballschläger schlagen und zu Boden bringen.

Vor der Unterkunft stürzt der seinem Bruder G mit dem Baseballschläger hinterherlaufende F. Der N, der F und G verfolgt hatte, traktiert den gestürzten F insbesondere aus Wut und Rache aufgrund der zuvor selbst erhaltenen Schläge mit vielen wuchtigen Schlägen und mindestens einem Tritt gegen den Kopf. Er lässt von F ab, als er sieht, dass dieser stark verletzt ist. Der F bleibt zunächst liegen, kann dann aber aufstehen und ist vorerst weiter bei Bewusstsein. Währenddessen bringt G das erbeutete Marihuana zu seinem Pkw und geht dann zurück, um seinem Bruder zu helfen.

In der Folge entspinnt sich eine mit gegenseitigen Faustschlägen geführte tätliche Auseinandersetzung zwischen hieran aktiv beteiligten fünf bis sechs Personen auf der Straße, deren genauer Verlauf mit Ausnahme einzelner Handlungen später nicht mehr aufgeklärt werden kann. Jedenfalls fällt eine Person, deren Identität später nicht festgestellt werden kann, auf die Straße und bleibt eine Zeitlang regungslos liegen. Der zwischenzeitlich hinzugekommene E versetzt dem F einen Tritt in das Gesicht, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch erleidet. Der G greift den E mit einem Messer an. Dieser wehrte den Angriff mit einem Griff in die Klinge und zwei Schlägen in das Gesicht des G ab. E und N setzen dem nun stolpernd flüchtenden G nach. Als dieser stürzt, schlägt ihm der N in Kenntnis der vorausgegangenen Schläge und unter Ausnutzung des daraus resultierenden Sturzes mit einem Gegenstand schwungvoll gegen den Kopf. Spätestens jetzt bemerkt E, dass N diesen Gegenstand bei sich führt und einsetzt. In diesem Bewusstsein und mit Billigung des Schlages tritt E gegen den Oberkörper von G. Der F erleidet bei der gesamten Auseinandersetzung schwerste Kopfverletzungen; er ist seither weder zu einer aktiven Mobilisation noch zu einer Kontaktaufnahme oder Kommunikation in der Lage. Dass er wieder zu Kommunikation oder zu selbständigen Bewegungen fähig sein wird, ist nicht zu erwarten. Durch welche konkreten Handlungen und durch wen ihm die hierfür ursächlichen Verletzungen zugefügt wurden, ist später nicht mehr feststellbar.

Wie haben sich E und N nach dem StGB strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, durch N

N könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht haben, indem er den F mit vielen wuchtigen Schlägen und mindestens einem Tritt gegen den Kopf traktiert hat. Dazu müsste N – vorsätzlich – eine andere Person (den F) körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB) und die Körperverletzung – vorsätzlich – mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen haben (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Eine „körperliche Misshandlung“ ist jede üble und unangemessene Einwirkung auf den Körper des Verletzten, die dessen körperliches Wohlbefinden mehr als bloß unerheblich beeinträchtigt, wobei sich die Beurteilung der Erheblichkeit dabei nach der Sicht eines objektiven Betrachters – nicht nach dem subjektiven Empfinden des Betroffenen – bestimmt und sich insbesondere nach der Dauer und der Intensität der störenden Beeinträchtigung richtet. Als „Gesundheitsbeschädigung“ ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen, wobei es insoweit nicht darauf ankommt, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist.

N hat gegen F „wuchtige Schläge“ und mindestens einem Tritt gegen den Kopf ausgeführt, wodurch F „stark verletzt“ wird bzw. „schwerste Kopfverletzungen“ erleidet, und seither weder zu einer Mobilisation noch zu einer Kontaktaufnahme oder Kommunikation in der Lage ist. N hat F also nicht nur körperlich misshandelt (Zufügung von Schmerzen), sondern auch an der Gesundheit geschädigt.

Fraglich ist, ob N die Körperverletzung auch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen hat. Zwar muss die Tathandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät; jedoch muss die jeweilige Einwirkung durch den Täter nach den konkreten Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im Einzelfall. Tritte gegen den Kopf sind als solche für das Leben des Getretenen – hier F – generell gefährlich. Sie verwirklichen das Merkmal der das Leben gefährdenden Behandlung i.S.v. § 224 I Nr. 5 StGB jedenfalls dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlung im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können; Entsprechendes gilt auch für gegen den Kopf des Opfers geführte Faustschläge. Die „wuchtigen Schläge“ und der Tritt gegen den Kopf des F führen hier zu „schwersten Kopfverletzungen“, die mit einem Verlust der Mobilisation sowie der Fähigkeit zur Kontaktaufnahme oder Kommunikation verbunden sind und waren wegen der Heftigkeit der Einwirkungen auf den Körper des F geeignet, die Fortdauer seiner Vitalfunktionen zu gefährden.

N hat auch vorsätzlich gehandelt (subjektiver Tatbestand). Er hat den F willentlich und wissentlich geschlagen und getreten und die Verletzungsfolgen zumindest billigend in Kauf genommen (dolus eventualis).

N hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) strafbar gemacht.

II. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, durch E

E könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem F einen Tritt ins Gesicht versetzt hat. E hat F damit körperlich misshandelt (Schmerzen) und an der Gesundheit geschädigt (Nasenbeinbruch). Hinsichtlich der Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gilt das oben zu I. betreffend N Gesagte entsprechend. E handelte jedenfalls mit Eventualvorsatz, nahm also die Verletzung des F und die Gefährlichkeit billigend in Kauf.

III. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 25 Abs. 2 StGB (E und N)

E und N könnten sich wegen einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem erst N dem G mit einem Gegenstand schwungvoll gegen den Kopf geschlagen und dann E gegen dessen Oberkörper getreten hat. Fraglich ist, ob dem N und dem E die jeweilige Handlung des anderen als eigene (objektiv) zugerechnet werden kann. Das wäre der Fall, wenn sie als Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB gehandelt haben, also aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes und mit Tatherrschaft bei der Tatausführung. E und N haben dem stolpernd flüchtenden G nachgesetzt und ihn dann – als dieser gestürzt war – nacheinander verletzt. Dies beruhte auf in Kenntnis der wechselseitigen Tathandlung (Körperverletzung) und einer zumindest stillschweigenden Billigung derselben. E und N haben als Mittäter gehandelt.

Dementsprechend haben E und N die Tat auch jeweils „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begangen. Fraglich ist aber, ob N und E auch jeweils den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB (gefährliches Werkzeug) und Nr. 5 (eine das Leben gefährdende Behandlung) durch den mit einem Gegenstand ausgeführten Schlag gegen den Kopf des G verwirklicht haben. Dafür müsste auch der Einsatz des Gegenstandes durch N Bestandteil des gemeinsamen Tatplanes geworden sein, damit dem E die Handlung des N zugerechnet werden kann. Dazu der BGH:

„3. Die nunmehr zur Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer wird zu berücksichtigen haben, dass die Feststellungen zwar die Verurteilung des [E] wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zum Nachteil des [G] tragen, nicht aber eine Zurechnung des mit einem Gegenstand geführten Schlages gegen den Kopf des [G] durch den [N] gemäß § 25 Abs. 2 StGB. Denn der Einsatz des Gegenstandes war bereits abgeschlossen, als der [E] dem [G] einen Tritt gegen den Oberkörper versetzte.“

E hat erst nach dem Schlag gegen den Kopf des N bemerkt, dass N den Gegenstand bei sich geführt und eingesetzt hat. Eine sog. sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen – auch wenn dies in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird. Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis die strafbare Verantwortlichkeit aber nicht zu begründen. So liegt der Fall hier.

N und E haben vorsätzlich in Bezug auf das Grunddelikt und die (verwirklichte) Qualifikation gehandelt.

N und E haben sich wegen gemeinschaftlich begangener (§ 25 Abs. 2 StGB) gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht, N gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 4 und 5 StGB, E nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB.

Hinweis: Für den jeweiligen Schuldspruch von N und E, also die Verurteilung wegen „gefährlicher Körperverletzung“, ist nicht von Belang, welche der Voraussetzungen von § 224 Abs. 1 StGB erfüllt sind und wie viele. Auch aus § 25 Abs. 2 StGB ergibt sich insoweit keine Besonderheit. Auf der Ebene der Strafzumessung (§ 46 StGB) ist aber zu berücksichtigen, dass E und N beide in Mittäterschaft gehandelt haben (höheres Schuldmaß wegen größerer Gefährlichkeit des Tuns) und dass E „nur“ § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht hat, während sich N auch nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 und Nr. 5 StGB erfüllt hat.

IV. Beteiligung an einer Schlägerei, § 231 Abs. 1 StGB (E und N)

E und N könnten sich auch wegen Beteiligung an einer Schlägerei gemäß § 231 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem sie an der mit gegenseitigen Faustschlägen geführten tätliche Auseinandersetzung mit fünf bis sechs anderen Personen teilgenommen haben und durch F verletzt worden ist.

Dazu müssten sich E und N an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt haben (objektiver Tatbestand) und durch die Schlägerei oder den Angriff müsste der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (i.S.v. § 226 StGB) verursacht worden sein. Dazu der BGH:

„I.2.a) Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB ist eine mit gegenseitigen Tätlichkeiten verbundene Auseinandersetzung, an der mehr als zwei Personen aktiv mitwirken (…). Ein beiderseits handgreiflich geführter Streit zwischen zwei Personen wird zu einer Schlägerei, wenn ein Dritter hinzukommt und gegen eine der beiden Personen körperlich aktiv wird (…). Die für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Schlägerei erforderlichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen indes nicht gleichzeitig begangen werden. Eine Schlägerei im Sinne des § 231 Abs. 1 1. Alt. StGB kann auch anzunehmen sein, wenn nacheinander jeweils nur zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgängen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass eine Aufspaltung in einzelne „Zweikämpfe“ nicht in Betracht kommt und die Annahme eines einheitlichen Gesamtgeschehens mit mehr als zwei aktiv Beteiligten gerechtfertigt ist (…). Unter einem von mehreren verübten Angriff im Sinne von § 231 Abs. 1 2. Alt. StGB ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Einwirkung von mindestens zwei Personen zu verstehen; bei den Angreifenden muss Einheitlichkeit des Angriffs, des Angriffsgegenstandes und des Angriffswillens vorliegen (…).

Als objektive Bedingung der Strafbarkeit setzt § 231 StGB ferner den Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) als besondere Folge der Schlägerei oder des von mehreren verübten Angriffs voraus. Diese Folge braucht nicht vom Vorsatz oder der Fahrlässigkeit eines der Beteiligten umfasst und nicht durch eine strafbare Handlung herbeigeführt worden zu sein. Erforderlich ist insoweit lediglich ein ursächlicher Zusammenhang im strafrechtlichen Sinn zwischen dem Gesamtvorgang der Schlägerei oder des Angriffs und der schweren Folge; auf eine Ursächlichkeit der einzelnen Tatbeiträge der Beteiligten kommt es nicht an (…). Die Ursache der schweren Folge darf aber nicht vor oder nach der Schlägerei bzw. dem Angriff gesetzt worden sein (…).

b) Danach hält die Verurteilung wegen Beteiligung an einer Schlägerei revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer Schlägerei oder eines von mehreren verübten Angriffs im Sinne von § 231 Abs. 1 StGB und der von dem [F] erlittenen schweren Folge wird von den Feststellungen nicht getragen. Auf deren Grundlage erfüllt lediglich die körperliche Auseinandersetzung zwischen aktiv beteiligten fünf bis sechs Personen als Schlägerei den Tatbestand des § 231 StGB. Dieses Geschehen begann erst, nachdem der [G] die erbeuteten Drogen zu seinem Pkw verbracht hatte und zurückgegangen war, um seinem Bruder zu helfen. Nicht auszuschließen - und daher zugunsten [von E und N] zugrundezulegen - ist jedoch, dass die schwere Verletzungsfolge bereits durch die zum Zeitpunkt der Schlägerei schon beendete Attacke auf den bei seiner Flucht aus der Unterkunft gestürzten [F] verursacht wurde, als der [N] mit mehreren massiven Faustschlägen und einem Tritt auf den Kopf des [F] einwirkte. Dabei handelte es sich weder um eine Schlägerei noch um einen von mehreren verübten Angriff im Sinne von § 231 StGB. Nach den Feststellungen war ausschließlich der [N] tätlich. Der Annahme eines diese Attacke des [N] einschließenden einheitlichen Gesamtgeschehens durch das Landgericht fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Die Feststellungen verhalten sich nicht dazu, wie sich danach die Situation hin zu der Auseinandersetzung zwischen mehreren aktiv handelnden Personen entwickelte. Dass es sich um ein in einem engen inneren Zusammenhang stehendes, einheitliches Geschehen handelte, liegt auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht ohne Weiteres auf der Hand. Der [N] beendete von sich aus die Einwirkung auf den [F] und dieser blieb jedenfalls zunächst liegen. Aus den Feststellungen ergibt sich auch nicht mit Gewissheit, dass der [N] von Anfang an zu den fünf bis sechs Personen gehörte, die an der sich „in der Folge“ entwickelnden Schlägerei auf der Straße beteiligt waren.“

N und E haben sich also jeweils an einer Schlägerei i.S.d. § 231 Abs. 1 StGB beteiligt. Und ein gemeinschaftliches Handeln als Mittäter war nicht notwendig, hat aber vorgelegen. Es fehlt allerdings an einem (nachweisbaren) Ursachenzusammenhang zwischen dieser Tathandlung und der eingetretenen schweren Folge; diese wurde durch vorangegangene Handlungen hervorgerufen.

E und N haben sich nicht wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil E und N mit ihren Revisionen angegriffen haben, hatte beide wegen einer – zu den Körperverletzungsdelikten – tateinheitlich begangenen Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt. Der 4. Strafsenat hat die Schuldsprüche nach § 354 Abs. 1 StPO entsprechend abgeändert, das Urteil der Großen Strafkammer jeweils im Strafausspruch aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Revision des F, der sich als Nebenkläger am Verfahren beteiligt hatte (s. §§ 395 ff. StPO), hat der BGH hingegen als unzulässig verworfen, weil er nicht angegeben hatte, welches – zulässige (vgl. § 400 Abs. 1 StPO) – Ziel er mit seinem Rechtsmittel verfolgt.

V. Ergebnis

E und N haben sich jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen strafbar gemacht.

Fraglich ist, wie diese Fälle jeweils zueinander stehen, also im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) oder der Tatmehrheit (§ 53 StGB), oder ob diese rechtlich nur als „eine Tat“ zu behandeln sind. Dazu der BGH: „_Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss sowie engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene._“

Aufgrund der einheitlichen Bewertung eines eng zusammengehörenden Geschehens – etwa einer „tumultartigen, schnell und ohne Unterbrechung verlaufenden Schlägerei“ – ist in Fällen der sukzessiven Verletzung mehrerer Personen aber gleichwohl Tateinheit anzunehmen.

E und N haben die jeweiligen Körperverletzungen gegenüber mehreren Personen (G und F) begangen und die Verletzungshandlungen waren eingebettet in ein räumlich und zeitlich zusammenhängendes Geschehen, so dass die Taten nicht als „eine Tat“, gleichwohl aber in Tateinheit stehend zu sehen sind.

E und N haben sich jeweils nach § 224 StGB in zwei in Tateinheit stehenden Fällen strafbar gemacht.

C. Prüfungsrelevanz

Bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen mehreren Personen werden regelmäßig vor allem Körperverletzungsdelikte verwirklicht, gelegentlich gibt das Geschehen – wie in dem hier vom 4. Strafsenat des BGH behandelten Fall – darüber hinaus auch Anlass, eine Strafbarkeit nach § 231 StGB zu prüfen.

Die Besonderheit dieses Straftatbestandes liegt darin, dass die Folge der „Schlägerei“ oder des „von mehreren Personen verübten Angriffs“ keine übliche Voraussetzung des objektiven Tatbestandes ist, sondern eine sog. objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die nicht vom Vorsatz des Täters oder von Fahrlässigkeit erfasst sein muss. Ihr Vorliegen als solches beschreibt die Gefährlichkeit der Schlägerei als Grund für die Bestrafung der Beteiligung daran. Notwendig ist allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Gesamtgeschehen der Schlägerei bzw. dem Angriff einerseits und der schweren Folge anderseits; die schwere Folge muss also auf der spezifischen Gefährlichkeit der Schlägerei oder dem Angriff beruhen. In zeitlicher Hinsicht kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Folge erst eintritt, die Tathandlung bereits beendet worden ist. Für eine Bestrafung nach § 231 StGB genügt, dass sich der Täter der Schlägerei erst angeschlossen hat, nachdem der tödliche Erfolg oder die schwere Körperverletzung von anderen Personen bereits verursacht war, oder wenn der Täter seine Beteiligung an der Schlägerei bereits endgültig aufgegeben hatte, bevor die den Tod oder die schwere Körperverletzung verursachenden Handlungen vorgenommen wurden.

Es handelt sich um einen lesenswerten und für die Vorbereitung zu einer Prüfung gut geeigneten Fall! (Beschluss vom 20.01.2022 – 4 StR 430/21)

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