Maskenaffäre: BGH zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern

Maskenaffäre: BGH zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern

BGH sieht Strafbarkeitslücke

660.000 Euro für den einen, über 1,2 Millionen Euro für den anderen: Zwei bayerische Politiker sollen hohe Provisionen für die Vermittlung von Masken aus Asien an Behörden bekommen haben. Der BGH sieht darin keine Bestechlichkeit – aber spricht von einer Strafbarkeitslücke.

Worum geht es?

Zu Beginn der Coronapandemie stieg die Nachfrage für ein Produkt besonders stark: Die Maske. Aus dem Verkauf verschiedener Mund-Nasen-Bedeckungen entstand plötzlich ein großes Geschäft. Für Empörung sorgte dann aber wenige Monate später eine Schlagzeile: Die CSU-Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein sollen beim Ankauf von Masken durch die Bundes- und bayerische Landesregierung im Gegenzug für hohe Provisionen vermittelt haben.

Im Zuge dessen wurde gegen die Politiker ermittelt. Doch vergangene Woche hat der BGH die Beschwerden der Generalstaatsanwaltschaft München verworfen. Das bedeutet: Sauter und Nüßlein müssen ihre hohen Provisionen für die Beschaffung von Corona-Schutzmasken nicht zurückgeben und bleiben straffrei. Die Karlsruher Richter konnten den Vorwurf wegen Bestechlichkeit nicht bestätigen, sprechen aber von einer Strafbarkeitslücke.

Einfluss gegen Entgelt?

Zwei Privatunternehmer sollen Anfang März 2020 den Plan gefasst haben, Schutzausrüstung gegen Corona aus Asien nach Deutschland zu bringen, um sie gewinnbringend an Bundes- und Landesbehörden zu verkaufen. Einer von ihnen sei daher an Sauter und Nüßlein herangetreten, die er persönlich kannte. Sein Vorschlag: Die Politiker sollten gegen ein Entgelt ihre Autorität und ihren Einfluss als Bundes- bzw. Landtagsabgeordneter einsetzen, damit die Behörden Masken der beiden Unternehmer kaufen.

Sauter und Nüßlein sollen sich, so die Ermittlungsergebnisse, damit einverstanden erklärt haben. Sie seien daher mit verschiedenen Personen in Verbindung getreten und hätten auf den Abschluss von Kaufverträgen über die Schutzmasken eingewirkt. Bei solchen Gesprächen soll Nüßlein unter anderem sein Kürzel „MdB“ (Mitglied des Bundestages) verwendet haben, Sauter soll seine entsprechende Bezeichnung „MdL“ (Mitglied des Landtags) genutzt haben.

Jeweils sollen sie kostspielige Kaufverträge vermittelt haben, unter anderem an das Bundesinnenministerium und das Bundesgesundheitsministerium. Insgesamt soll Nüßlein für seine Vermittlung 660.000 Euro erhalten haben, Sauters Einfluss soll sogar mit mehr als 1,2 Millionen Euro belohnt worden sein.

Nicht nur die Medien beschäftigten sich aufgrund dieser Vorfälle mit dem Korruptionsverdacht gegen die beiden Politiker. Auch die Generalstaatsanwaltschaft wurde auf die Vermittlungsarbeit aufmerksam – und leitete deshalb ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Politiker und einen der Unternehmer ein. Der Vorwurf: Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern gemäß § 108e StGB.

BGH: Keine Strafbarkeit bei außerparlamentarischer Handlung

Die Sache kam bis nach Karlsruhe, denn die Generalstaatsanwaltschaft München hatte Beschwerde gegen Beschlüsse von Strafsenaten des OLG München erhoben. Diese hatten insbesondere Haft- und Vermögensarrestanordnungen aufgehoben, welche noch von der Ermittlungsrichterin gegen die drei Beschuldigten getroffen wurden.

Vom BGH wurden die Beschwerden der Generalstaatsanwaltschaft jedoch vergangene Woche verworfen. Das bedeutet: Die Politiker Sauter und Nüßlein müssen ihre erhaltenen Provisionen nicht zurückgeben und bleiben straffrei. Eine Bestechlichkeit im Sinne des § 108e I StGB (bzw. Bestechung, § 108e II StGB) liege nach Auffassung des Gerichts nicht vor.

Zur Begründung verwies der BGH auf den Willen des Gesetzgebers: Danach sei bei Politikern nur die Annahme von Gegenleistungen für Handlungen „bei der Wahrnehmung des Mandates“ strafbar – zum Beispiel bei Abstimmungen im Parlament oder in Ausschüssen. Bei den erhaltenen Provisionen für die Masken handele es sich aber ausschließlich um ein außerparlamentarisches Handeln. Durch Auslegung und unter Heranziehung der Begründung des Gesetzesentwurfs kommt der 3. Strafsenat zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen habe, rein außerparlamentarische Betätigungen von Mandatsträgern nicht unter § 108e StGB zu fassen.

Strafbarkeitslücke ist Sache des Gesetzgebers

Abschließend wies der BGH darauf hin, dass es dem Gesetzgeber obliege zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er Rechtsgüter „mit den Mitteln des Strafrechts“ verteidigen möchte. Den Gerichten seien aber die Hände gebunden. Insbesondere komme eine andere Auslegung des Wortlauts von § 108e StGB nicht in Betracht – selbst wenn die hier zu beurteilenden Handlungen, so der BGH, ähnlich strafwürdig erscheinen mögen.

Falls der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, ist es seine Sache, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will.

Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, sollen bereits Pläne der Ampel-Koalition für eine Ausweitung des Straftatbestandes des § 108e StGB existieren.

Die beiden bayerischen Politiker bleiben damit straffrei. Nüßlein ist in Folge der Maskenaffäre aus der CSU ausgetreten, der Landtagsabgeordnete Sauter verließ die Fraktion. Zudem gab er alle seiner Parteiämter ab.

Hinweis: Der Staftatbestand des § 108e StGB kommt im Jurastudium seltener vor. Ein beliebtes Prüfungsthema sind aber die verschiedenen Amtsdelikte, wie etwa die Bestechlichkeit nach § 332 StGB, die Vorteilsnahme nach § 331 StGB, die Rechtsbeugung nach § 339 StGB oder auch die Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB. Diese Lerninhalte solltest Du kennen.

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