BGH zu den Anforderungen an ein taugliches Nacherfüllungsverlangen im Rahmen eines Pferdekaufs

BGH zu den Anforderungen an ein taugliches Nacherfüllungsverlangen im Rahmen eines Pferdekaufs

Mangelhafte Ware: Müssen Händler Transportkosten vorschießen?

Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der Frage, ob ein Käufer vom Verkäufer einen Transportkostenvorschuss für die Zurverfügungstellung der Kaufsache (hier ein Pferd) am Erfüllungsort der Nacherfüllung (hier beim Verkäufer) verlangen kann, wenn der Verkäufer anbietet, die Kaufsache unentgeltlich beim Käufer abzuholen.

A. Sachverhalt

Die Klägerin erwarb als Verbraucherin im Juni 2017 von dem Beklagten einen fünf Jahre alten Oldenburger Wallach zu einem Kaufpreis in Höhe von 12.000 €.

Im August 2017 bemerkte die Klägerin ein Zungenstrecken des Pferds. Bei einem solchen Zungenstrecken handelt es sich um eine Schmerzäußerung des Tieres. Ein solches Verhalten ist behandelbar, wobei die Behandlung sich schwieriger gestaltet, falls das Pferd sich das Zungenstrecken bereits zur Gewohnheit gemacht hat.

Die Klägerin rügte gegenüber dem Beklagten das Zungenstrecken des Pferds mehrmals und forderte ihn jeweils unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Der Beklagte erklärte sich (mehrfach) zur Nachbesserung bereit und bot an, das Pferd hierzu am Belegenheitsort bei der Klägerin abzuholen.

Dies lehnte die Klägerin jedoch ab und forderte den Beklagten auf, ihr einen Transportkostenvorschuss in Höhe von 1.200 € zu zahlen, damit Sie das Pferd zu dem Beklagten bringen könne. Der Beklagte zahlte den geforderten Vorschuss nicht.

Nach fruchtlosem Ablauf der zur Nachbesserung - und zur Zahlung des Vorschusses - gesetzten Frist erklärte die Klägerin im September und Dezember 2019 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Dabei berief Sie sich darauf, dass eine Fristsetzung wegen endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung des Beklagten entbehrlich gewesen sei.

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises sowie die Erstattung von Aufwendungen Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes sowie Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten und der Pflicht zur Erstattung weiterer notwendiger Aufwendungen und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben die Klage jeweils vollständig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin dem Beklagten nicht erfolglos eine - vorliegend erforderliche - Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, da sie ihm das Pferd nicht so zur Nachbesserung angeboten habe, dass dieser von seinem Nacherfüllungsrecht hätte Gebrauch machen können.

B. Überblick

Die Entscheidung befasst sich mit dem Gewährleistungsrecht im Kaufrecht, speziell mit dem Rücktrittsrecht. Bei einem solchen Rücktritt sind die folgenden Prüfungspunkte zu prüfen.

I. Wirksamer Kaufvertrag

Erforderlich ist zunächst ein Schuldverhältnis, im Rahmen des Kaufrechts also ein wirksamer Kaufvertrag. Dabei sollte zumindest gedanklich schon geprüft werden, ob ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB vorliegt, da ein solcher zu zahlreichen Besonderheiten bei der Prüfung der Gewährleistungsrechte führt (so z.B. die Beweislastumkehr aus § 477 BGB).

II. Mangel bei Gefahrübergang

Darüber hinaus muss die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen sein.

Der Mangelbegriff und die Vorschrift des § 434 BGB ist mit Wirkung zum 01.01.2022 grundlegend geändert worden. Die Neuregelung gilt nach Art. 229, § 58 EGBGB allerdings nur für solche Kaufverträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen worden sind. In der Rechtsprechung insbesondere des BGH wird es daher noch eine ganze Zeit dauern, bis erste Entscheidungen zu der neuen Fassung des § 434 BGB zu erwarten sind. Die Änderungen wirken sich insbesondere bei Verbrauchsgüterkaufverträgen aus, da § 476 Abs. 1 S. 2 BGB eine Abbedingung zusätzlichen Voraussetzungen unterwirft.

Für die Reichweite des in § 434 bestimmten Mangelbegriffs ergeben sich darüber hinaus keine entscheidenden Änderungen. Während nach § 434 BGB aF primär vertragliche Vereinbarungen, also subjektive Kriterien, über die Mangelfreiheit entschieden und objektive Kriterien nur subsidiär zur Anwendung kamen, sind nunmehr subjektive und objektive Kriterien gleichrangig. Auch nach altem Recht musste allerdings die vertragliche Vereinbarung ausgelegt werden, um über ihre Reichweite zu entscheiden und um dadurch gleichzeitig festzulegen, inwieweit die objektiven Kriterien daneben zur Anwendung kamen.

III. Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung

Grundsätzlich ist zudem eine Fristsetzung mit einer angemessenen Frist erforderlich. Es gibt jedoch von diesem Grundsatz zahlreiche Ausnahmen, an die man im Zusammenhang mit der Prüfung der Fristsetzung denken sollte. So insbesondere die Ausnahmen aus § 323 Abs. 2 BGB Nr. 1 (Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung), § 326 Abs. 5 BGB (Unmöglichkeit der Nacherfüllung) und § 440 BGB.

Die gesetzte Nachfrist muss zudem verstrichen sein, was im Regelfall jedoch keine weiteren Probleme aufwirft.

IV. Rücktrittserklärung

Da es sich bei dem Rücktritt um ein Gestaltungsrecht handelt, ist zu prüfen, ob eine Rücktrittserklärung vorliegt, § 349 BGB.

V. Rechtsfolge

Die Rechtsfolgen eines Rücktritts ergeben sich aus §§ 346 ff. BGB. Danach wird das Schuldverhältnis ex nunc zu einem Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Hauptgegenstand dieses Rückgewährschuldverhältnisses ist die Rückgewähr der gegenseitig empfangenden Leistungen. Darüber hinaus kann sich für den Käufer ein Anspruch auf die von ihm getätigten notwendigen Verwendungen aus § 347 Abs. 2 BGB ergeben.

C. Entscheidung

Der BGH prüft zunächst einen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises in Höhe von 12.000 € nach §§ 437 Nr. 2, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB (alte Fassung), § 90a Satz 3, §§ 323, 346 Abs. 1 BGB.

Die Parteien haben nach dem Sachverhalt wirksam einen Kaufvertrag über das Pferd in Form eines Verbrauchsgüterkaufvertrags nach § 474 BGB geschlossen. Ob es sich bei dem Zungenstrecken um einen Mangel handelt, lassen sowohl der BGH als auch die Vorinstanzen offen, da selbst bei einem unterstellten Mangel es an der noch zu prüfenden erforderlichen Fristsetzung fehlt. Ein Klausursachverhalt könnte entsprechend um eine Beschaffenheitsvereinbarung (z.B. eine Vereinbarung, dass sich das Pferd zu Dressurzwecken eignen soll) zwischen den Parteien angereichert werden, und dadurch eine Prüfung des Mangels eröffnen.

Unterstellt man einen Mangel, greift die Beweislastumkehr des § 477 BGB, sodass vermutet wird, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war.

Der BGH stellt sodann fest, dass vorliegend kein Fall vorlag, bei dem die Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre.

Die Klägerin hat jedoch mehrfach eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Sie wollte jedoch die Art der Nacherfüllung in der Weise erhalten, dass der Beklagte ihr einen Transportkostenvorschuss zahlt und nicht in der Weise, dass - wie der Beklagte es angeboten hatte -, er das Pferd abholen würde. Fraglich ist daher, ob hierin ein taugliches Nacherfüllungsverlangen zu sehen ist. Denn nur wenn ein taugliches Nacherfüllungsverlangen vorliegt, der Verkäufer also in der vorliegend vom Käufer einzig akzeptierten Art und Weise (Vorschusszahlung) die Nacherfüllung schuldet, liegt eine ordnungsgemäße Fristsetzung vor.

Dazu führt der BGH aus, dass ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers - neben einer Fristsetzung - auch die Bereitschaft des Käufers umfassen müsse, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Erfüllungsort der Nacherfüllung ist nach der Rechtsprechung des BGH in erster Linie anhand der von den Parteien getroffenen Vereinbarungen zu bestimmen. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte. (BGH, Urteil vom 13.04.2011, Az: VIII ZR 220/10). Da vorliegend keine vertraglichen Vereinbarungen zum Erfüllungsort der Nacherfüllung getroffen wurden und sich auch aus den konkreten Umständen diesbezüglich nichts ergibt, liegt der Erfüllungsort am Wohnsitz des Beklagten.

Grundsätzlich obliegt es danach dem Käufer die Sache zum Verkäufer zu bringen. Nach § 439 Abs. 2 BGB hat jedoch der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Der BGH sieht zudem § 439 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage für einen entsprechenden Vorschuss auf die vom Verkäufer zu tragenden Kosten (Für Verträge nach dem 01.01.2018 wäre nunmehr § 475 Abs. 6 BGB und für Verträge nach dem 01.01.2022 § 475 Abs. 4 BGB als Anspruchsgrundlage heranzuziehen).

Diesen Vorschussanspruch begründet der BGH mit dem Schutzzweck des aus § 439 Abs. 2 BGB folgenden Unentgeltlichkeitsgebots. Die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. Für ein taugliches Nacherfüllungsbegehren reiche es daher aus, wenn der Käufer zeitnah einen - nicht ersichtlich unangemessenen - Transportkostenvorschuss vom Verkäufer anfordert und alternativ bereit ist, dem Verkäufer selbst die Durchführung des Transports zu überlassen.

Dadurch das der Beklagte die Abholung des Pferdes auf seine Kosten angeboten habe, habe die Klägerin jedoch keinerlei finanzielle Belastungen zu befürchten gehabt, sodass der Schutzzweck aus dem sich der Vorschussanspruch ergebe nicht durchgreife. Durch seine Bereitschaft zur Abholung des Pferds habe der Beklagte eine im Vergleich zum Transport durch die Klägerin „günstigere Alternative“ angeboten. Der Schutz des Käufers ist gewährleistet, da Transportkosten zu seinen Lasten erst gar nicht entstehen.

Der Sinn und Zweck des Vorschussanspruchs gebiete es daher nicht, ihn auch demjenigen Käufer zu gewähren, gegenüber dem der Verkäufer zu einer – für den Käufer kostenfreien – Abholung der Kaufsache bereit ist. Dem Käufer werde eine Mangelbeseitigung ohne Einsatz eigener Mittel und sonstiger Vorleistungen ermöglicht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Denn der Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (“Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter - Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 171 v”) verlange gerade nicht, dass der Verkäufer für die Transportkosten „systematisch in Vorkasse“ treten müsste, sondern gebiete vielmehr einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Verbrauchers und denjenigen des Verkäufers.

Dementsprechend hat der BGH das klageabweisende Urteil des Olberlandesgerichts bestätigt.

D. Prüfungsrelevanz

Das Urteil des BGH (Urteil vom 30. März 2022, Az: VIII ZR 109/20) ist für einen Klausurersteller sehr interessant, da die Argumentation zur Wirksamkeit der Fristsetzung vertiefte Kenntnisse sowohl über das allgemeine Schuldrecht als auch im speziellen über das Kaufrecht voraussetzt. Dadurch, dass die Klausur sich im bekannten Prüfungsschema des Rücktritts bewegt, lässt sich zudem an verschiedenen Stellen eine Erweiterung des Falles einbauen, indem z.B. der Mangel durch eine Abwandlung des Sachverhalts problematisiert wird.