Keine Normenkontrolle bei der Nichtanerkennungsbeschwerde
Eine Partei wehrte sich gegen ihren Ausschluss von der Bundestagswahl, eine Norm aus dem Parteiengesetz sei verfassungswidrig. Die Verfassungsmäßigkeit müsse in dem Verfahren aber nicht überprüft werden, so das BVerfG. Das Gericht argumentierte mit der Systematik.
Worum geht es?
Vor knapp einem Jahr hatte der Zweite Senat des BVerfG die Nichtanerkennungsbeschwerde der Deutschen Zentrumspartei zurückgewiesen, nun hat es die dazugehörige Begründung geliefert. Daraus geht hervor: In einem Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren verbietet sich eine inzidente Normenkontrolle. In Karlsruhe durfte daher nur die korrekte Anwendung des Parteiengesetzes (PartG) geprüft werden – und nicht dessen Verfassungsmäßigkeit. Die Richter:innen argumentierten mit der Auslegung ihrer Zuständigkeitsnormen.
Deutsche Zentrumspartei nicht zur Wahl zugelassen
Ausgangspunkt für das Verfahren war die Entscheidung des Bundeswahlausschusses vom 09. Juli 2021. Damals entschied der Ausschuss, die Deutsche Zentrumspartei nicht als Partei für die Bundestagswahl 2021 anzuerkennen. Diese hatte ihre größte Bedeutung vor mehr als hundert Jahren zwischen 1871 und 1933, seit Mitte der 1950er Jahre gilt sie nur noch als Kleinpartei.
Im vergangenen Juli war der Bundeswahlausschuss der Auffassung, dass die Deutsche Zentrumspartei jedoch gar keine „Partei“ mehr sei und nicht für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anerkannt werden könne. Zur Begründung führte er aus, sie habe ihre Rechtsstellung als Partei verloren, weil sie in den vergangenen sechs Jahren keine oder unvollständige Rechenschaftsberichte eingereicht habe. Rechtsgrundlage für den Verlust der Rechtsstellung sei § 2 II 2 in Verbindung mit § 23 PartG.
Gegen diese Entscheidung wandte sich die Deutsche Zentrumspartei an das BVerfG mit einer Nichtanerkennungsbeschwerde. Durch ihre Nichtzulassung zur Bundestagswahl sei sie in ihren Rechten aus Art. 21 I GG verletzt. Zudem sei § 23 PartG (Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung) verfassungsrechtlich fragwürdig, so die Argumentation der Beschwerdeführerin.
BVerfG: Systematik entscheidend
Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 23 PartG wurde vom BVerfG in seiner Entscheidung aber überhaupt nicht geprüft. Zu Beginn führte das Karlsruher Gericht aus, dass es im Rahmen einer Nichtanerkennungsbeschwerde grundsätzlich nicht die Verfassungsmäßigkeit von Normen überprüft, auf die der Bundeswahlausschuss seine Entscheidung über die Nichtzulassung einer Partei zur Bundestagswahl gestützt hat.
Dies ergebe sich aus einer Auslegung von Art. 93 I Nr. 4c GG, §§ 96a – d BVerfGG und § 18 IVa BWahlG, worin die Nichtzulassungsbeschwerde geregelt ist. Hieraus gehe hervor, dass das BVerfG nur die ordnungsgemäße Anwendung des einfachen Rechts durch den Bundeswahlausschusses überprüfe.
Vor allem, so das BVerfG, würden systematische Erwägungen für diesen Prüfungsumfang sprechen. Die Richter:innen führten aus, dass das BWahlG für die Nichtanerkennung einer Partei zur Bundestagswahl einen engen Zeitraum vorsehe. Dies würde gegen eine inzidente Normenkontrolle in diesem Verfahren sprechen – die Zeit würde einfach nicht reichen. Zudem argumentiert das BVerfG mit einem weiteren Zeit-Argument, diesmal aus dem BVerfGG. In dem Beschluss heißt es:
Die in § 96a II BVerfGG vorgesehene viertägige Begründungsfrist für die Nichtanerkennungsbeschwerde steht ebenfalls der Durchführung einer inzidenten Normenkontrolle in diesem Verfahren entgegen […].
Auch hier würde die kurze Frist nicht reichen, um die Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Norm – hier § 23 PartG – substantiiert zu begründen, so das Gericht.
Grundsatz des nachgelagerten Rechtsschutzes
Außerdem gelte in Wahlsachen der Grundsatz des nachgelagerten Rechtsschutzes, geht aus dem Beschluss hervor. Das bedeutet, dass der Wahlrechtsschutz grundsätzlich erst nach der Wahl erfolge. Dies würde ebenfalls dagegen sprechen, innerhalb einer Nichtanerkennungsbeschwerde die Verfassungsmäßigkeit von Normen zu überprüfen.
Dieser Grundsatz ist in Art. 41 GG verfassungsrechtlich verankert und trägt dem Charakter der Wahl als „Massenverfahren“ Rechnung. Um diesen Verfahren Herr zu werden, erfolgt der Wahlrechtsschutz grundsätzlich erst nach der Wahl. Dies sei im Einklang mit unserer Verfassung und unbedenklich, so das BVerfG:
Dass der Wahlrechtsschutz grundsätzlich erst nach der Wahl erfolgt, ist nicht zuletzt aus Gründen der Gewährleistung der termingerechten Durchführung der Wahl zwingend.
Nach einer Wahl könne durch den nachträglichen Wahlrechtsschutz eine umfassende Überprüfung potentieller Wahlfehler vorgenommen werden. Dazu gehöre auch, so das BVerfG, die eventuelle Feststellung der Verfassungswidrigkeit von entscheidungserheblichen Wahlrechtsnormen. Die Nichtanerkennungsbeschwerde gehöre aber nicht zum nachträglichen Wahlrechtsschutz – sie wird vor der Wahl erhoben. Durch diesen Ausnahmecharakter sei es geboten, ihren Anwendungsbereich zurückhaltend zu bestimmen.
Für die Deutsche Zentrumspartei hat sich durch die veröffentlichte Entscheidung im Ergebnis nichts geändert. Weiterhin gilt, dass nach Auffassung des BVerfG der Bundeswahlausschuss im vergangenen Jahr das einfache Recht korrekt angewendet habe. Danach sei die Partei zu Recht nicht als „Partei“ für die Bundestagswahl 2021 anerkannt worden.
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