Falsche Narkoseärztin zu lebenslanger Haft verurteilt

Falsche Narkoseärztin zu lebenslanger Haft verurteilt

Ermittlungen wegen Betruges deckten dreifachen Mord, versuchten Mord in zehn Fällen und gefährliche Körperverletzung auf

Während der Jahre, in denen die Angeklagte als Narkoseärztin im Hospital angestellt war, kamen mehrere Patient:innen zu Tode. Das LG Kassel sieht die Verantwortung dafür bei der 51-Jährigen, die nie Medizin studiert habe. Die falsche Anästhesistin muss eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.

Worum geht es?

Narkoseärzt:innen, also Fachpersonal für die Anästhesiologie, sind im Krankenhausalltag unverzichtbar. Dass für den Beruf besondere Fachkenntnisse erforderlich sind, ist schon daran erkennbar, dass die Weiterbildung nach dem Medizinstudium weitere 60 Monate dauert.

Das LG Kassel hat nun eine vermeintliche Narkoseärztin zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Vermeintlich deshalb, weil die 51-Jährige überhaupt keine Medizinerin gewesen sein soll. Das Strafmaß deshalb, weil sie den Tod mehrerer Patient:innen verursacht haben soll.

Gefälschte Unterlagen fielen erst später auf

Die inzwischen 51 Jahre alte Angeklagte soll sich mit einer gefälschten Approbationsurkunde eine Anstellung im Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar erschlichen haben. Dort soll sie von 2015 bis 2018 als Assistenzärztin gearbeitet und Patient:innen narkotisiert haben. Die dafür erforderliche Ausbildung soll sie jedoch nicht gehabt haben.

Der Lebenslauf der Angeklagten ist turbulent: Sie soll mal Biologie, mal Zahnmedizin studiert haben, zudem habe sie eine Heilpraktikerprüfung abgelegt. Im Bereich der Biologie soll sie dann auch tatsächlich promoviert haben. Der Doktortitel wurde ihr aber von der Uni Kassel inzwischen wegen Plagiierens entzogen. Einen zweiten Doktorgrad soll sie sich online gekauft haben. Im Verfahren ging die Anklage davon aus, dass eine abgeschlossene Ausbildung als Ärztin jedenfalls nicht vorliegen würde.

Dennoch arbeitete sie mehrere Jahre im Hospital in Fritzlar, wobei sie an der Betäubung von über 500 Patient:innen beteiligt gewesen sein soll. Ihre fehlende Ausbildung sei nicht aufgefallen. Dies passierte erst, als sie in Hessen aufhörte und in den Reha-Bereich einer Klinik in Schleswig-Holstein wechselte – ebenfalls wieder unter falschen Angaben. Doch nun fiel der zuständigen Ärztekammer Ungereimtheiten in ihren Unterlagen auf. Im Zuge dessen zeigte sich die Angeklagte selbst wegen Anstellungsbetrugs an, auch die Ärztekammer und ihr ehemaliger Arbeitgeber stellten Strafanzeige.

Dreifacher Mord, versuchter Mord in zehn Fällen, gefährliche Körperverletzung

Bei den Ermittlungen wegen des Betruges blieb es jedoch nicht: Während ihrer Tätigkeit in Fritzlar sind mehrere Patient:innen zu Tode gekommen, für die die Angeklagte nach Auffassung des LG Kassel verantwortlich sein soll. Damit findet der umfangreiche Prozess mit mehr als 500 Gutachten und rund 500 Zeugen in dieser Instanz ein Ende.

Das Gericht folgte dabei der Forderung von der Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Diese gingen davon aus, dass die Angeklagte Betäubungsmittel falsch dosiert und Blutvergiftungen nicht behandelt habe; zudem sei sie für stundenlangen Sauerstoffmangel und schwere Schäden von Patient:innen verantwortlich. Auf Komplikationen bei Narkosen habe sie zu langsam oder überhaupt nicht reagiert.

Grund dafür seien ihre eigenen Geltungsbedürfnisse, die sie über das Leben der Patient:innen gestellt habe und dabei selbst nach Todesfällen weiter arbeitete. Das Gericht erkannte darin niedrige Beweggründe. Insgesamt wurde sie daher wegen Mordes in drei Fällen, zehn Mordversuchen und drei Fällen von gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Der Richter sagte:

Sie hat aus einem auf tiefster Stufe stehenden niedrigen Beweggrund gehandelt.

Besondere Schwere der Schuld festgestellt

Die Verteidiger hatten bis zuletzt versucht, den Mordvorwurf zurückzuweisen. Vielmehr sahen sie in dem Verhalten der Angeklagten eine gefährliche Körperverletzung in 16 Fällen und plädierten entsprechend auf eine zeitige Freiheitsstrafe von acht Jahren. Überzeugen konnten sie das Gericht nicht: Es war überzeugt davon, dass die Angeklagte den Tod der drei Patient:innen billigend in Kauf genommen habe. Zudem stellte es die besondere Schwere der Schuld fest.

In diesem Urteilsticker geht es insbesondere um die folgenden (prüfungsrelevanten) Lerninhalte:

Mord, § 211 StGB
Versuch
Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB
Betrug

Du hast Fragen zum Prüfungsaufbau des Versuchs oder zu den Mordmerkmalen? Mit einem Klick gelangst Du ganz einfach zur entsprechenden Lerneinheit.