LG Berlin zu Unfall nach epileptischem Anfall im SUV

LG Berlin zu Unfall nach epileptischem Anfall im SUV

Fahrlässige Tötung nach epileptischem Anfall?

Vor circa zweieinhalb Jahren verlor ein Mann in Berlin aufgrund eines epileptischen Anfalls die Kontrolle über sein Fahrzeug. Bei dem tragischen Unfall kamen vier Personen ums Leben. Nun hat das LG Berlin das Urteil verkündet.

Worum geht es?

Am frühen Abend des 6. September 2019 verursachte der Angeklagte mit seinem SUV auf der Invalidenstraße in Berlin-Mitte infolge eines epileptischen Anfalls am Steuer einen Unfall, bei dem sich sein Fahrzeug überschlug und vier Passanten auf dem Gehweg tötete - unter ihnen ein Dreijähriger und seine 64-jährige Großmutter sowie zwei 28 und 29 Jahre alte Männer. Das schwere SUV war über die Gegenfahrbahn hinweg von der Straße abgekommen. Der heute 45 Jahre alte Mann war trotz einer Epilepsie-Erkrankung und einer vier Wochen zurückliegenden Gehirnoperation Auto gefahren.

Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine Debatte um die besondere Gefährlichkeit von SUV-Fahrzeugen ausgelöst. Im Prozess hieß es dazu aber, dass es auch bei einem Kleinwagen vermutlich zu einem schrecklichen Unfall gekommen wäre.

LG Berlin: Zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung

Die 42. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin verurteilte den Angeklagten am 17. Februar wegen tateinheitlich begangener vierfacher fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren - und ging damit über den Antrag der Staatsanwalt hinaus, welche ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung beantragte (Urt. v. 17.02.2022, Az. 542 KLs 6/21).

Die Strafe hat das Gericht für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Dem Angeklagten wurde die Auflage erteilt, 15.000,- Euro an einen gemeinnützigen Verein zu zahlen. Darüber hinaus wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Die zuständige Verwaltungsbehörde wurde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den Feststellungen des Gerichts habe der Mann am 6. September sein 2019 sein Fahrzeug bestiegen, obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Vorgeschichte nicht fahrtauglich gewesen sei. Denn der Angeklagte sei nach einem ersten epileptischen Anfall im Mai 2019 und einer Hirnoperation im August 2019 von verschiedenen Ärzten dafür sensibilisiert worden, dass weitere epileptische Anfälle auftreten könnten. Zudem habe er Medikamente einnehmen müssen. 

*“Zwar hätten einige Ärzte den Angeklagten zum Teil falsch oder zumindest unvollständig über seine Fahreignung aufgeklärt, allerdings treffe den Angeklagten wie jeden Fahrzeugführer und jede Fahrzeugführerin die Pflicht, vor jedem Fahrtantritt eigenverantwortlich zu prüfen, ob er bzw. sie tatsächlich am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Dieses Risiko habe der Angeklagte unterschätzt; nach seinen objektiven und subjektiven Fähigkeiten wäre er aber in der Lage gewesen, diese Fehleinschätzung zu vermeiden. Er hätte sich aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Angaben der verschiedenen Ärzte ausdrücklich danach erkundigen müssen, welche Regeln für ihn gelten, so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung heute. Hätte er dies getan, wäre ihm gesagt worden, dass er nach dem ersten epileptischen Anfall im Mai 2019 12 Monate lang kein Fahrzeug hätte führen dürfen. Der Angeklagte selbst hatte eingeräumt, dass einer seiner Ärzte ihn noch zehn Tage vor dem Unfall vor dem Autofahren gewarnt habe. Sein Handeln stufte das Gericht deshalb als bewusste Fahrlässigkeit ein.”,*heißt es dazu in der Pressemitteilung des LG Berlin.

In seiner Urteilsbegründung kam das Gericht nach der Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von zwei Jahren angemessen sei. Strafmildernd sei neben der teils unzureichenden Aufklärung durch einige Ärzte vor allem der Umstand zu werten, dass der Angeklagte durch seine eigenen Angaben und die Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht die umfassende Aufklärung des Falles erst ermöglicht habe. Dabei betonte der Vorsitzende, dass das Strafrecht angesichts des tragischen Todes von vier Menschen hier an seine Grenzen stoße. Nichts könne den Schmerz der Angehörigen lindern.

Der Angeklagte hatte zu Beginn des Prozess im Oktober 2021 erklärt, dass er zutiefst verzweifelt über das Leid sei, das sein Unfall verursacht habe.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.

In diesem Beitrag geht es insbesondere um die folgenden (prüfungsrelevanten) Lerninhalte: