BVerfG zur Bundesnotbremse: Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen (Teil 1)

BVerfG zur Bundesnotbremse: Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen (Teil 1)

Waren die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verfassungsgemäß? In diesem Beitrag erfährst Du alles, was Du zum Thema “Bundesnotbremse” für Deine künftigen Prüfungen wissen musst

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat in mehreren Hauptsacheverfahren Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen die durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Bundesnotbremse) erlaubten bußgeldbewehrten Kontaktbeschränkungen und Ausgangsbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Verhinderung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (IfSG) richteten. In dieser Beitragsreihe gehen wir auf die wichtigsten Aussagen des BVerfG ein und fassen die 107 Seiten umfassende Urteilsbegründung des BVerfG klausurorientiert für Dich zusammen.

I. Sachverhalt

Das oben genannte Gesetz trat am 23. April 2021 in Kraft und enthielt ein Bündel von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Die angegriffenen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen waren an eine 7-Tage-Inzidenz von 100 - Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100 000 Einwohner - gekoppelt, sofern diese in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten wurde (§ 28 Abs. 1 IfSG). Sie trat außer Kraft, wenn die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen unter den Wert 100 sank. Die Vorschrift galt längstens bis zum Ablauf des 30. Juni 2021. 

Die über 100 Beschwerdeführer wandten sich alle gegen die in § 28b Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 IfSG enthaltenen Ausgangsbeschränkungen sowie gegen den damit korrespondierenden Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 73 Abs. 1a IfSG). Sie sahen sich in ihren Grundrechten auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) sowie in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2  Abs. 1 GG, in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und einige auch in dem Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) verletzt. Darüber hinaus griffen einige der Beschwerdeführer auch die Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1, Satz 1 Nr. 1 IfSG einschließlich der Bußgeldbewehrung in § 73 Abs. 1a, Nr. 11b an (Beeinträchtigung von Art. 6 Abs. 1 GG und allgemeines Persönlichkeitsrecht). Auf Grundlage der Ermächtigung des § 28c IfSG hat die Bundesregierung am 8. Mai 2021 eine „Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmen-Verordnung“ erlassen, wonach geimpfte und genesene Personen mit getesteten Personen hinsichtlich bestimmter Ausnahmen von Geboten und Verboten gleichgestellt wurden. Danach wurden geimpfte und genesene Personen, insbesondere von der Beschränkung privater Treffen, des Aufenthalts im Freien und beim Sport nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,2,6 ausgenommen. 

Die Beschwerdeführer (Bf) halten die von ihnen angegriffenen Regelungen für verfassungswidrig, insbesondere für unverhältnismäßig.

1. Kontaktbeschränkungen

  • Die Bf rügen die undifferenzierte Gleichsetzung von privaten Zusammenkünften in geschlossenen Räumen und im Freien; die überwiegende Zahl von Infektionen erfolge in geschlossenen Räumen.
  • Die 7-Tage-Inzidenz bilde das tatsächliche Infektionsgeschehen nicht ab und sei wissenschaftlich nicht begründet. 
  • Die Bf sehen sich in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG und in Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, da sie nach 22 Uhr keine Spaziergänge mit Freunden und Familienangehörigen unternehmen könnten und auch nachts nicht Ehepartner in anderen Wohnungen besuchen könnten.
  • Die Bf rügen auch einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da sich Verwandte und nicht zusammenlebende Paare nicht abends treffen könnten. Die Beschränkungen seien zu undifferenziert, passgenauere Maßnahmen seien als milderes Mittel möglich.
  • Die Bf – soweit sie Mitglieder des Bundestages und des Abgeordnetenhauses von Berlin sind - rügen erhebliche Schwierigkeiten bei der Organisation ihres Alltags; ihr Abgeordnetenmandat bedinge Arbeitszeiten bis in die Nacht.

Die durch das Gesetz zugelassenen Eingriffe in ihre Grundrechte seien unangemessen, unverhältnismäßig und zur Pandemiebekämpfung nicht erforderlich.

2. Ausgangsbeschränkungen

Die Ausgangsbeschränkungen seien ineffektiv, der Effekt sei angesichts der hohen Eingriffsintensität nur gering. Darüber hinaus sei die Befristung bis zum 30. Juni 2021 zu lang.

Das BVerfG hat die Beschwerden dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, dem Bundeskanzleramt sowie einigen Bundesministerien und allen Landesregierungen zur Stellungnahme zugeleitet. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerden teils für unzulässig, im Übrigen für unbegründet.

Das BVerfG hat auf Grundlage von § 27a BVerfGG sachkundigen Dritten Gelegenheit gegeben, zu verschiedenen Fragekomplexen (Übertragungsorte, -wege, -zeiten, Kontaktbeschränkungen, 7-Tage-Inzidenz etc.) Stellung zu nehmen. Hiervon haben die meisten Verbände, Gesellschaften und Vereinigungen Gebrauch gemacht.

II. Zulässigkeit

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden teilweise für zulässig erachtet; nicht alle Bf haben ihre Beschwerdebefugnis substantiiert dargelegt. Das Rechtsschutzbedürfnis bestehe, auch wenn die angegriffenen Regelungen inzwischen außer Kraft getreten sind. Auch die Anforderungen der Rechtswegerschöpfung und der Subsidiarität stünden der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden nicht entgegen. 

1. Rechtsschutzbedürfnis

Das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist nach Ansicht des BVerfG vorhanden; es ist auch nicht nachträglich weggefallen, weil die angegriffenen Regelungen mit dem Ablauf des 30. Juni 2021 ausgelaufen sind (§28b Absatz 10 Satz 1 IfSG). Das Rechtsschutzbedürfnis müsse grundsätzlich noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG gegeben sein. Es könne jedoch auch nach Erledigung des Begehrens fortbestehen, wenn anderenfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe oder eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahmen zu besorgen sei. Das BVerfG hat Letzteres bejaht und somit das Rechtsschutzbedürfnis als gegeben angesehen.

2. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität

Das BVerfG stellt zunächst klar, dass wegen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) die Bf zunächst alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen müssen, um die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen schon im fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (BVerfGE 134,106,S. 115 Rn 27; 155, 238, S. 267 Rn 67 st. Rspr). Die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes sei insbesondere dann geboten, wenn in einem fachgerichtlichen Verfahren die Klärung einfachrechtlicher Fragen zu erwarten sei, auf die das BVerfG bei seiner Entscheidung angewiesen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die angegriffenen Regelungen ohne weiteren Vollzugsakt unmittelbar wirkten. Hier seien allein verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen und zu entscheiden.

III. Gründe

Die Verfassungsbeschwerden sind nach Auffassung des BVerfG unbegründet; weder die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG angeordneten Kontaktbeschränkungen (einschließlich der Bußgeldbewehrung) noch die Ausgangsbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr.2 IfSG und die Ordnungswidrigkeitentatbestände verletzten die Bf in ihren Grundrechten.

1. Kontaktbeschränkungen

Die Kontaktbeschränkungen sind - so das BVerfG - Eingriffe in das Familiengrundrecht und in die Ehegestaltungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 1 GG sowie in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Sie waren jedoch formell und materiell verfassungsgemäß.

a) Familien- und Ehegrundrecht

Der Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG umfasst die tatsächliche Lebens- und  Erziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern, unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind. Er erstreckt sich auch auf weitere familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten auch über mehrere Generationen hinweg. Das Familiengrundrecht gewährleistet auch die Freiheit, über die Art und Weise des familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Dies beinhaltet auch das Recht, sich mit dem Ehepartner und mit Angehörigen in frei gewählter Weise und Häufigkeit zusammenzufinden. In diese Rechte greifen die Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG erheblich ein. 

b) Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG)

Die Beschneidung zwischenmenschlicher Kontakte griff in mehrfacher Hinsicht auch in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, auch in seinen Ausprägungen als allgemeine Handlungsfreiheit und als allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Dieses Grundrecht schützt familienähnlich intensive Beziehungen auch jenseits des Schutzes von Ehe und Familie und trägt dem Umstand Rechnung, dass die gesellschaftliche Realität heute vielfältige Formen der Partnerschaft aufweist. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) gewährleistet über familienähnliche Bindungen hinaus die Freiheit, mit beliebigen anderen Menschen zusammenzutreffen. Die angeordneten Kontaktbeschränkungen beschnitten solche Zusammenkünfte; sie hatten darüber hinaus das Potential, in bestimmten Konstellationen zur Vereinzelung beizutragen besonders bei alleinlebenden Menschen. Insoweit griffen die Kontaktbeschränkungen auch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG). Diese erheblichen Einschränkungen in die betroffenen Grundrechte bedurften sowohl formell wie materiell einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

c) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG

Das BVerfG stellt fest, dass der Bund für die Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs.1 Satz 1 Nr. 1 IfSG die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Abs. 1  Nr. 19 GG (Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten) besitzt.

Nach der Systematik der Kompetenzordnung des Grundgesetzes bestimmt die Reichweite der Bundeskompetenzen die der Länder - nicht umgekehrt. Dabei ist die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einer Kompetenznorm in erster Linie anhand des objektiven Gegenstandes des Gesetzes zu prüfen. Der Normzweck ergibt sich in der Regel aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers. Danach handelte es sich bei den Kontaktbeschränkungen um Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten, so dass der Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hatte. Dies gilt auch für die Bußgeldtatbestände im § 73 Abs. 1a Nr. 11b IfSG, da die Zuständigkeit des Bundes für das Strafrecht auch das Recht der Ordnungswidrigkeiten einschließt.

Das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage…(vom  22. April 2021) ist wirksam zustande gekommen, es bedurfte auch nicht der Zustimmung des Bundesrates.

d) Hinreichende Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sowie Zulässigkeit der Regelungstechnik

Die Kontaktbeschränkungen waren nach Auffassung des BVerfG hinreichend bestimmt und auch nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.

Die Regelungstechnik eines sich selbst vollziehenden Gesetzes, das auf die Anordnung eines Vollzugsaktes verzichtet, verletzt nach Ansicht des BVerfG nicht die Rechtsschutzgarantie auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

Die Wahl dieser Handlungsform durch den Gesetzgeber verstößt weder gegen die Gewaltenteilung noch missachtet sie die Grenzen der Handlungsformenwahl zum Schutz individueller Grundrechte. Für eine solche Handlungsform müssen allerdings hinreichend sachliche Gründe bestehen; diese bejaht das BVerfG bei den Maßnahmen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG (großflächige Schutzmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung).

Das BVerfG sieht auch das Bestimmtheitsgebot für den Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 73 Abs. 1a Nr. 11 IfSG) gewahrt. Art. 103 Abs. 2 GG erlaube auch die Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe bis hin zur Generalklausel.

Die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG angeordneten Kontaktbeschränkungen genügten auch dem Gebot der Normenklarheit und Normenbestimmtheit nach den insoweit geltenden Anforderungen an Gesetze, die Grundrechtseingriffe vornehmen oder gestatten.

Schließlich waren die angeordneten Kontaktbeschränkungen auch verhältnismäßig, da sie verfassungsrechtlich legitimen Rechten dienten und sowohl geeignet als auch erforderlich waren. Die Annahmen des Gesetzgebers beruhten auf hinreichend tragfähigen Grundlagen, wobei die Verfassung dem Gesetzgeber hier einen nur begrenzt überprüfbaren Spielraum einräumt.  

e) Verfassungsrechtlich legitime Zwecke

Das BVerfG stellt fest, dass der Gesetzgeber mit den Kontaktbeschränkungen verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt hat. Er bezweckte mit dem Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung… Leben und Gesundheit zu schützen, sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sicherzustellen. Beide Ziele sind überragend wichtige Gemeinwohlbelange und damit verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke. Der Gesetzgeber hat sich in Sachverständigenanhörungen mit den fachwissenschaftlichen Grundlagen seines Handelns befasst.

f) Geeignetheit der Maßnahmen

Das BVerfG betont, dass die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG angeordneten Beschränkungen von Kontakten im privaten und öffentlichen Raum geeignet waren, den Gesetzeszweck zu erreichen. Dabei genüge verfassungsrechtlich bereits die Möglichkeit, dass durch die gesetzliche Regelung der Gesetzeszweck erreicht werde. Dem Gesetzgeber stehe ein Spielraum zu, dessen Umfang einzelfallbezogen von der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abhinge. Erfolge der Eingriff in die Grundrechte zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter, sei das BVerfG auf die Prüfung der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Bei der prognostischen Entscheidung wird die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung beurteilt, sondern nur danach, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahmen zur Erreichung des gesetzten Zieles geeignet waren. Dies bejaht das BVerfG und führt aus, dass die Kontaktbeschränkungen auf hinreichend tragfähigen Grundlagen beruhten. Jede Einschränkung von Kontakten leiste einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung von Virusübertragungen. 

g) Erforderlichkeit der Maßnahmen

Das BVerfG sah die angegriffenen Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit sowie zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems für erforderlich an. Es gab kein milderes Mittel, das in der Wirksamkeit gleich war und in die betroffenen Grundrechte weniger stark eingriff. Durch Impfungen sei im maßgeblichen Zeitraum kein gleich wirksamer Schutz zu erwarten gewesen, da der Anteil der zweifach geimpften Personen bei Inkrafttreten der Regelungen erst 6,9 % betrug.

h) Verhältnismäßigkeit

Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht (st. Rspr. vgl. BVerwGE 153,119,178). Auch bei dieser Prüfung wird dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zugebilligt. Das BVerfG betont, dass die mit den Kontaktbeschränkungen verbundenen Freiheitseinbußen nicht kompensiert werden konnten. Der Gesetzgeber habe jedoch durch Ausnahmen für Ehe- und Lebenspartner sowie durch die zeitliche Befristung (Ende Juni 2021) für eine Milderung des Eingriffs gesorgt. Den erheblichen Eingriffen in die Grundrechte standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung (Lebens- und Gesundheitsschutz, funktionsfähiges Gesundheitssystem) gegenüber, zu deren Schutz der Gesetzgeber nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist. Nach Ansicht des BVerfG hat der Gesetzgeber einen verfassungsmäßigen Ausgleich zwischen den mit den Kontaktbeschränkungen verfolgten Gemeinwohlbelangen und den erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden; seine Maßnahmen waren deshalb insgesamt verfassungsmäßig.

Anmerkungen

In der kommenden Woche widmen wir uns der Urteilsbegründung zu den Ausgangsbeschränkungen und besprechen, ob die damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte des Art. 2 II 2 GG, Art. 2 1 i.V.m. Art. 1 I GG und Art. 6 I GG formell und materiell verfassungsgemäß und gerechtfertigt waren.

Schaue Dir in der Zwischenzeit schon einmal die prüfungsrelevanten Lerninhalte hierzu an: