BGH entscheidet über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem "verbrieften Rückgaberecht"

BGH entscheidet über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem

Die deutsche Automobilindustrie und der Diesel-Skandal

Bis heute beschäftigt sich die Justiz in unzähligen Verfahren mit dem Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen durch die verschiedensten Automobilhersteller in Fahrzeugen. Der BGH hat Ende letzten Jahres in diesem Zusammenhang entschieden, dass vom Dieselskandal betroffene Autokäufer, die ihr Kfz über einen Darlehensvertrag mit Rückgabeoption finanziert haben, Schadensersatz zustehen kann - wenn sie von dem Rückgaberecht keinen Gebrauch gemacht haben.

Worum geht es?

Der klagende Autoeigentümer nahm die beklagte Motor- und Fahrzeugherstellerin, die Audi AG, auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch. 

Der klagende Autoeigentümer erwarb im Februar 2017 einen Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet. Der Kaufpreis wurde über ein Darlehen der AUDI Bank finanziert. Der Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers in der Art, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen konnte. Das verbriefte Rückgaberecht gibt Kund:innen die Möglichkeit, das Auto mit Fälligkeit der Schlussrate zu einem festen Preis an den Händler zurück zu verkaufen. Davon hat der Mann jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Der Audi A6 unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der Kläger ließ im Zuge des Diesel-Skandals das vom KBA freigegebene Software-Update im Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen.

Der Kläger nahm die Audi AG in der Folge auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.

In diesem Beitrag geht es insbesondere um die folgenden (prüfungsrelevanten) Lerninhalte:

BGH: Schaden liegt in Eingehung einer ungewollten Verpflichtung

Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben (LG Hildesheim, Urt. v. 27.11.2019, Az. 2 O 40/19; OLG Celle, Urt. v. 31.03.2021, Az. 7 U 27/20 (S.7a)). 

Mit seinem Urteil hat der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat entschieden, dass der Nichtgebrauch vom verbrieften Rückgaberecht, welches dem Kläger bei der Finanzierung des Fahrzeugpreises eingeräumt worden war, seinen Schaden nicht nachträglich entfallen lasse (Urt. v. 16.12.2021 - VII ZR 389/21). 

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht abgeschlossen. Der Schaden liege daher in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung, so der BGH.

Dass der Kläger das Darlehen vollständig ablöste, anstatt das Fahrzeug an die Verkäuferin zurückzugeben, mache diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Der Nichtausübung des Rückgaberechts sei insbesondere keine Zustimmung zu dem ursprünglich ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen. Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate komme kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu. 

Dem Kläger sei auch keine Verletzung einer Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, musste der Kläger nicht eingehen.

Rechtsprechung zu Leasingverträgen nicht übertragbar

Zudem sei die Rechtsprechung des Senats zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen auf den finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines Rückgaberechts nicht übertragbar. Die Darlehensraten seien keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwerbe nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen. Dagegen beruhe der fremdfinanzierte Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den Eigentumserwerb gerichtet sei und dem Erwerber erst die Möglichkeit verschaffe, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber zur Sicherung zu übereignen. Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers sei vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

Ob Audi in solchen Fällen nach § 826 BGB haftet, beantwortete der BGH nicht. Da das Berufungsgericht - das OLG Celle - keine Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB getroffen habe, sei die Sache nicht zur Endentscheidung reif gewesen. Das OLG Celle war aufgrund des Rückgaberechts davon ausgegangen, dass der Käufer ohnehin keinen Schadensersatz fordern kann. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Celle zurück.

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