KG Berlin zum Umfang der Prokura bei Veräußerung eines fremden Grundstücks

KG Berlin zum Umfang der Prokura bei Veräußerung eines fremden Grundstücks

Der vorliegende Fall eignet sich zwar nicht in seiner konkreten Einkleidung, aber aufgrund seiner materiellen Ausgestaltung – ein Prokurist bewilligt eine Auflassungsvormerkung an einem fremden Grundstück - hervorragend für Klausuren. Ohnehin erfreuen sich Stellvertretungsprobleme großer Beliebtheit. Das gilt auch für die Prokura, deren Grundzüge Du schon im Studium kennen musst.

Der Fall behandelt insbesondere die folgenden klausurrelevanten Lerninhalte:

A. Sachverhalt

Eine Aktiengesellschaft (AG) ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass einer Verstorbenen. Zu diesem Nachlass gehört ein Grundstück. In notarieller Verhandlung bewilligten die gemeinsam vertretungsberechtigten Prokuristen der AG die Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch.

Auf den Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt in einer Zwischenverfügung beanstandet, die Prokuristen könnten die AG nicht vertreten, da sie laut Handelsregister nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken ermächtigt seien. Nachdem der Vorstand der AG die Erklärungen genehmigt hatte, ist die Vormerkung eingetragen worden.

Die AG hat gegen die Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt und zuletzt beantragt, festzustellen, dass die Zwischenverfügung sie in ihren Rechten verletzt habe. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da in den Nachlass weitere Grundstücke fielen und beabsichtigt sei, Veräußerungserklärungen durch Prokuristen abzugeben.

B. Überblick

Hinter der ungewöhnlichen Einkleidung des Falls, die uns auch nicht weiter interessieren soll, verbirgt sich ein Klausurproblem zum Vertretungsrecht.

I. Organschaftliche Vertretung

Juristische Personen können nicht selbst handeln. Sie müssen durch ihre Organe vertreten werden. Organ der Aktiengesellschaft ist der Vorstand, der die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet (§ 76 Abs. 1 AktG). Ihm obliegt auch die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG). Diese Vertretungsmacht kann nicht beschränkt werden (§ 82 Abs. 1 AktG).

II. Vertretung durch Prokuristen

Im vorliegenden Fall ist die AG aber nicht durch ihren Vorstand vertreten worden, sondern durch Prokuristen.

Prokura ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, die nur von Kaufleuten erteilt werden kann. Die Aktiengesellschaft ist als Handelsgesellschaft (§ 3 Abs. 1 AktG) Formkaufmann iSv § 6 Abs. 1 HGB.

Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber grundsätzlich unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB).

Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist allerdings nur dann ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist (§ 49 Abs. 2 HGB). § 49 Abs. 2 HGB wird auf die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte entsprechend angewendet, um zu verhindern, dass der Prokurist den Kaufmann hinsichtlich der Veräußerung oder Belastung bindet.

Der Erwerb eines Grundstücks ist dem Prokuristen dagegen erlaubt, und zwar auch dann, wenn das Grundstück bspw. zum Zwecke der Finanzierung mit einem Grundpfandrecht belastet werden muss.

III. Bewilligung einer Auflassungsvormerkung

Vorliegend geht es um die Eintragung einer Auflassungsvormerkung an einem Grundstück, das der Testamentsvollstreckung unterliegt. Die Vormerkung dient der Sicherung des Übereignungsanspruchs des Erwerbers (§ 883 Abs. 1 Satz 1 BGB) und ist eine Belastung des Grundstücks.

Die Eintragung der Vormerkung erfolgt u.a. aufgrund einer Bewilligung desjenigen, dessen Grundstück von der Vormerkung betroffen wird (§ 885 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB). Das streitgegenständliche Grundstück gehört zwar nicht der AG. Als Testamentsvollstreckerin ist sie aber befugt, über das Grundstück zu verfügen (§ 2205 Satz 2 BGB).

Die Frage ist nun, ob die Beschränkung des § 49 Abs. 2 HGB auch in dieser Konstellation gilt. Allerdings stellt sie sich nicht mehr für die bereits erfolgte Vormerkung. Zwar war den Prokuristen keine Befugnis zur Belastung des Grundstücks erteilt worden. Ein möglicher Mangel der Vertretungsmacht wäre aber geheilt, nachdem der Vorstand die Bewilligung der Vormerkung durch die Prokuristen genehmigt hat (§ 177 Abs. 1 BGB). Die AG möchte aber weitere Grundstücke durch die Prokuristen belasten lassen.

C. Entscheidung

Das Kammergericht ist der Auffassung, die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB bestehe unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist.

Zwar diene die Beschränkung dem Schutz des Kaufmanns im Hinblick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die Grundstücksgeschäften regelmäßig zukomme. Dieser Gesichtspunkt greife aber nicht nur für Grundstücke, die im Eigentum des Kaufmanns stehen. Auch wenn der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder als Träger eines privaten Amtes – bspw. als Testamentsvollstrecker – im eigenen Namen, aber mit Wirkung für einen Dritten handelt, komme Grundstücksgeschäften wegen des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu.

Es bestehe auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der Kaufmann habe die Möglichkeit, den Prokuristen gemäß § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken zu ermächtigen – ggf. nur, soweit diese nicht in seinem Eigentum stehen, oder soweit der Kaufmann als Testamentsvollstrecker handelt. Den Inhalt der Erweiterung könne der Kaufmann bestimmen, sofern er dem Rahmen des § 49 Abs. 2 HGB und dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge. Es stehe ihm ferner frei, dem Prokuristen gesonderte (Einzelfall-)Vollmacht zu erteilen.

D. Prüfungsrelevanz

Der Prokurist darf keine Grundstücke veräußern oder belasten, es sei denn, der Kaufmann hat ihn hierzu ermächtigt (§ 49 Abs. 2 HGB). Ob das auch gilt, wenn das Grundstück dem Kaufmann nicht gehört, ist nach wie vor streitig. Besser als die etwas ungewöhnliche Konstellation der Testamentsvollstreckung durch einen Kaufmann eignet sich für Klausuren der Fall, dass der Kaufmann vom Eigentümer zur Veräußerung oder Belastung rechtsgeschäftlich ermächtigt wurde.

Das Kammergericht hat sich der Auffassung angeschlossen, dass der Schutzzweck des § 49 Abs. 2 HGB auch diese Konstellation erfasse. In diesem Sinne hat sich zuvor auch schon das Oberlandesgericht Köln positioniert (2 Wx 346/19). Dort ging es allerdings ebenfalls um einen Kaufmann als Testamentsvollstrecker. Aus beiden Entscheidungen ergibt sich aber, dass die Gerichte ihre Auffassung nicht auf diese Konstellation beschränken, sondern die rechtsgeschäftliche Ermächtigung des Kaufmanns durch einen Dritten genauso behandeln würden. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Gegenauffassung vertreten (15 Wx 117/11). Dabei ging um eine GmbH, deren Geschäft den Handel mit Immobilien zum Gegenstand hatte. Das OLG Hamm ist der Auffassung, dass der Betrieb des Handelsgeschäfts dieser GmbH die Veräußerung von Grundstücken mit sich bringe, so dass der Prokurist auch insoweit bevollmächtigt sein müsse (§ 49 Abs. 1 HGB). § 49 Abs. 2 HGB diene insoweit auch nur dem Schutz des Inhabers des Handelsgeschäfts.